Auf die Plätze, fertig, los und lauf!

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Langsam wie in Zeitlupe eines Films vor meinen Augen, komme ich zu mir. Besonders lange war ich nicht weg, denn erst nachdem ich Toms Gesicht vor meinem erkenne, kommt Bill mit zwei Sanitätern herein.

Sie knien sich zu mir runter und Tom tritt einige Schritte zurück. Sie überprüfen einige meiner Körperfunktionen, leuchten zum Beispiel mit einer Lampe in meine Augen oder messen einen Puls.

"Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen?"

"Ich habe gerade gefrühstückt."

"Und davor?"

"Gestern Abend."

Alles was ich antworte notiert einer der beiden in ein Formular.

Ich würde gerne zu Bill sehen, um sein Gesicht wahr zu nehmen. Ich bin mir sicher er weiß, dass ich lüge und er wird sich sicher verarscht vorkommen. Aber wenn ich jetzt zu ihm blicke, lenke ich den Verdacht der Sanitäter auf mich und ihnen könnte auffallen, dass ich nicht die Wahrheit sage.

Ich hoffe nur Bill verrät mich nicht.

"Nehmen Sie Drogen?"

"Nein."

"Auch Alkohol?"

"Nicht in den letzten Tagen"

"Medikamente?"

"Nein."

Der Sanitäter blickt von seinem Blatt auf. Sieht erst mich an und dann seinen Kollegen.

"Wir denken es war einfach nur eine Hormonstörung. Kommt häufig während der Pubertät vor, weniger in Ihrem Alter, ist aber trotzdem nicht ungewöhnlich."

"Sollte so etwas demnächst wieder vorkommen rufen Sie bitte sofort uns an."

"Ähm kann ich in die Schule gehen?"

"Natürlich. Wir gehen davon aus, dass so etwas nicht häufiger vorkommt."

Gespielt entsetzt blicke ich auf mein Handy: "Scheiße, ich schaffe es nie im Leben pünktlich."

"Wir können dich gerne hinfahren, wenn es dir hilft."

Mir ist durchaus aufgefallen, dass wir uns auf einmal auf privater Ebene befinden. Ist mir aber ganz recht.

Ich kann weder Bill noch Tom ansehen, als ich an ihnen vorbei den Sanitätern folge.

Noch ein bisschen Zeit brauche ich, um mir zu überlegen, was ich ihnen sagen kann, um vor allem Bill nicht zu verlieren.

Die Sanitäter sind richtig cool. Sie machen sogar die Sirene an, damit wir es rechtzeitig schaffen. Zum Abschied drücke ich jedem ganz freizügig einen Kuss auf die Wange und verlasse den Krankenwagen.

Mein Hirn fühlt sich an als wurde es dreimal durch gekaut und dann wieder ausgekotzt. Die Schulglocke läutet. Aber glücklicher Weise habe ich meine Hände bereits in meinem Spint, als Herr Müller hinter mir auftaucht.

"Verena, gedenken Sie dem Unterricht heute noch beizuwohnen oder kann ich mit den Schülern beginnen, die meine Zeit zu würdigen wissen."

Ich bin sichtlich genervt. Muss der mich jetzt auch noch anquatschen?!

"Na viel Zeit bleibt Ihnen ja nicht mehr, komisch, dass man in Ihrem Alter überhaupt noch unterrichten darf, aber ich kann verstehen, dass sie ihre so geringe Zeit nutzen wollen."

"In die Klasse, Verena und zwar sofort!" Herr Müllers Gesicht ist rot vor Zorn und er sieht aus, als wolle er mich schlagen.

Ich greife nach dem Chemiebuch und knalle meinen Spint zu.

Als ich von Herrn Müller gefolgt das Klassenzimmer betrete, bricht die Klasse in Lachen aus. Einige loben mich sogar wegen meinem Kommentar.

"Nicht schlecht, Verena."

"Das denke ich mir auch immer, wenn ich ihn sehe."

"Setzten Sie sich Verena und packen Sie das Chemiebuch endlich weg. Oder können Sie jetzt nicht einmal mehr die Fächer auseinander halten? Es wundert mich, dass Sie überhaupt die Räume richtig finden."

Alle starren mich an. Ich reiße ein Päckchen von meinem Periodensystem und stecke das Buch weg.

Es läutet erneut. Erst jetzt beginnt der Unterricht regulär, was die Lehrer auch gerne ignorieren.

"Im Gegensatz zu Ihnen liegt der Grund meines Zuspätkommens nicht darin, dass mich meine Impotenz quält und ich deshalb nach jeder Stunde auf Klo rennen muss, um dort stundenlang zuzusehen wie Tröpfchen für Tröpfchen der Jasmintee( den ich nur trinke, weil er von der heißen Sekretärin aufgegossen wurde, an die ich immer denke, wenn ich mir einen nach dem pinkeln auf dem Lehrerklo runterhole) sich mit meinem kleinen bisschen erbärmliches Sperma vermischt."

Die Klasse ist kaum zu halten. Genüsslich werfe ich mir meine Pille ein.

"Zur Schulleitung," brüllt Herr Müller wie eine Art Schlachtruf. Packt mich am Arm und zerrt mich zu eben dieser.

Die Direktorin weiß nicht richtig was sie mit mir anfangen soll. Wie bestraft man ein Mädchen, welches nur dort sitzt, weil ihr Lehrer sich persönlich angegriffen fühlt? Also lässt sie mich wieder gehen.

"Das war echt so geil." Fast erstaunt blicke ich Bianca an. Seit einer halben Stunde sitzt sie uns und reden ohne Punkt und Komma über meinen Auftritt heute früh. Aber nie im Leben hätte ich gedacht, dass sie jemals das Wort geil in den Mund nimmt.

Sie sitzt vor einer dampfenden Pizza und der Duft macht mich so übelst krank, dass ich drei weitere Pillen meines Periodensystems schlucke.

"Willst du wirklich kein Stück?"

Sie wedelt mit ihrem vor meinem Gesicht rum.

"Nein, danke!"

Ich springe auf und laufe auf direktem Weg zu meinem Spint und werfe mein Chemiebuch hinein, ich muss echt aufpassen, viele sind nicht mehr übrig.

Arbeiten zu gehen und zu wissen, dass irgendwo in diesem Gebäude vielleicht gerade ein super heißer Typ auf eine Erklärung von mir wartet, macht mich echt fertig.

In meiner Pause laufe ich zu meinem alten Ort und genau wie vor einigen Tagen sitzen dort wie gewohnt meine Freunde.

"Hey, Leute. Hat einer vielleicht ein bisschen Kohle für mich?"

"Fritzi?"

"Sorry, Schätzchen bin echt blank."

"Ole?"

Keiner hat etwas für mich übrig. Da sieht man ja, wie viel ihnen an mir liegt. Wenigstens ein Kippe ist für mich rausgesprungen und so mache ich mich wieder auf den Weg ins Hotel.

"Wie jeder von mir Angestellte, bekommen auch Sie ihr Gehalt erst am Monatsende. Finden Sie sich damit ab, oder ich suche mir jemanden an Ihrer Stelle, der es tut."

Was bringt mir dieser beschissene Job, wenn ich nicht mal mehr meine Stoff bezahlen kann.

"Gehen Sie doch heute an die Bar, dort fällt immer etwas Trinkgeld an."

Ja, es fällt etwas Trinkgeld an, aber es reicht bei weitem nicht aus, um das zu bezahlen, was ich brauche.

Seit mehreren Stunden stehe ich schon hier. Anfangs voller Panik Tom oder Bill könnten runter kommen- doch keiner von beiden lässt sich blicken.

Nur alte fette Säcke, die sich einen Drink nach dem anderen rein knallen. Wie zum Beispiel der Typ rechts von mir. mit seinem dicken Portmonee und den Goldringen, wie er hier einen auf den dicken Macker macht und denkt eine heiße Blondine rum zu kriegen.

Kurzzeitig überlege ich, ob ich an einen seiner Ringe komme, doch seine Fettwürstchen haben fast jeden der Ringe bereits unter sich begraben. Sie fahren zu seinem Portmonee und ziehen erneut einen der vielen Scheine heraus, sein Zeichen für einen weiteren Drink.

Ich greife nach dem Schein und mir kommt ein Gedanke. Mit seinem Drink in der Hand umrunde ich den Tresen und bewege mich im perfekten Catwalk auf ihn zu.


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