#28 - Elternobservation

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Einen Moment war es still, bis Stegis Vater Tims Hand ergriff und diese schüttelte. „Hallo! Die Freude ist ganz meinerseits. Möchtest du dich noch ein wenig zu uns setzen oder warst du dabei, zu gehen?", sprach er und lächelte freundlich. Tim warf Stegi einen Blick zu, erkannte, dass dieser nicht unbedingt wollte, dass er noch länger blieb. Etwas sagte ihm, dass es nicht an ihm lag, sondern eher an seinen Eltern. Um herauszufinden, weshalb er Tims Anwesenheit nicht länger wollte, zuckte er mit den Schultern, wodurch er sogleich von der Mutter in das Wohnzimmer gebeten wurde. Im Augenwinkel erkannte Tim, wie Stegi sich verspannte.

„Wie war das Basketballspiel gestern?", wollte Stegis Mutter neugierig wissen, während sie einen Teller mit Keksen auf den Tisch stellte. „Ganz okay, wir haben gewonnen, auch wenn wir viele Chancen nicht genutzt haben. Aber woher wissen Sie von dem Spiel?" Schmunzelnd griff der Vater nach seiner Tasse und trank ein bisschen, bevor er erklärte: „Stegi hat uns gefragt, ob er überhaupt zu deinem Spiel gehen darf, da wir nicht zuhause waren. Schließlich muss er schauen, dass seine Schwester die Hausaufgaben macht." Der Blonde grummelte etwas vor sich hin, starrte missmutig auf das Stück Kuchen, das auf seinem Teller lag. Um nicht in einem unangenehmen Schweigen zu versinken, fragte Tim sogleich: „Wo waren Sie? Waren Sie im Urlaub?" Die Gesichter beider Eltern hellten sich auf, als die Mutter erzählte: „Ja, wir waren eine Woche an der Nordsee. Das Wetter war zwar nicht sonderlich gut, aber die entspannenden Tage waren trotzdem schön." Nickend, um zu zeigen, dass er zugehört hatte, trat er unter dem Tisch nach Stegis Bein. „Ich glaube, ich sollte langsam wieder nach Hause. Meine Eltern wundern sich bestimmt, wo ich bin. War mir eine Freude, Sie kennenzulernen", sprach er, erhob sich und schüttelte den beiden Erwachsenen die Hand. Auch Stegi stand auf, schlug vor, ihn noch bis an die nächste Querstraße zu begleiten. Seine Eltern sahen die Jungs nachdenklich an, doch behielten jegliche Kommentare für sich.

Die Sonne schien so hell, dass es in Tims Augen stach. Er kniff sie geblendet zusammen, blinzelte gegen den Himmel empor. Keine einzige Wolke war zu erkennen, das Gewitter vom Vorabend hatte sich komplett verzogen. Manche Menschen würden dieses Wetter als toll bezeichnen, doch er mochte es lieber, wenn die Sonne von den Wolken bedeckt war, sodass es nicht allzu hell war. Erleichtert ausatmend lächelte Stegi, sprach leise: „Eigentlich wollte ich nicht, dass du meine Eltern schon so früh triffst. Es ist echt unangenehm, wenn sie über mich sprechen, als wäre ich nicht im Raum." Verständnisvoll nickte Tim, ließ seine Augen über den Straßenrand wandern, an welchem etliche Kehrrichttüten deponiert waren. Stimmt, morgen würde der Müll eingesammelt werden. „Ich muss den Abfall noch rausstellen", murmelte er zu sich selbst, was ihm von Stegi ein Auflachen einbrachte. Als er eine Gummipuppe aus einer der Tüten herausragen sah, begann Tim lauthals zu lachen. Stegi folgte seinem Blick, stimmte in das Gelächter mit ein. Die Puppe sah aus, als wäre sie durch einige Farbeimer gewandert, ihr gesamter Körper war von Farbklecksen übersäht und Haare besaß sie keine mehr. Die Puppe an sich war nicht unbedingt lustig, wohl eher traurig, aber mit Stegi zusammen war fast alles lustig. Tim hatte in den vergangenen vierundzwanzig Stunden mehr gelacht, als in der Woche davor zusammen. Dass das an Stegi lag, daran konnte er nicht mehr zweifeln. „Ich lache viel mehr, als sonst", stellte er plötzlich ernst fest.

Verblüfft starrte Stegi ihn an, schien sprachlos zu sein. Abwinkend signalisierte Tim ihm, dass diese Bemerkung nicht von sonderlicher Wichtigkeit war. Um von dieser abzulenken, schlug er vor: „Möchtest du noch mit zu mir kommen? Dann lernst du meine Eltern auch gleich kennen und ich bin auch in der peinlichen Situation, in der du vorhin warst." Keine Sekunde später bereute Tim diesen Vorschlag. Eigentlich hatte er nicht gewollt, dass er sich selbst in Verlegenheit brachte, doch nun konnte er nichts mehr daran ändern.

Letters to X || StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt