Ich will euch eine Geschichte erzählen. Etwas das mir passiert ist und über welches ich noch nicht wirklich hinweg bin, obwohl es doch schon so lange her ist.
Es war noch im Winter und es war kalt. Ich hatte einen langen, anstrengenden Schultag hinter mir und ging alleine zum Bahnhof um mit dem Zug wie immer nach Hause zu fahren. Zu dieser Zeit wurde es immer schon früh dunkel und man konnte es schon dämmern sehen. Ich saß also alleine in der Kälte am Bahnhof und hatte noch etwa 20 Minuten bis mein Zug eintraf.
Zur gleichen Zeit anwesend war ein alter Herr der nach Pfandflaschen suchte, der aber bei folgend beschriebener Situation wenig von Nutzen war.
Ich hatte meine Kopfhörer drin und spielte an meinem Handy herum, allerdings war mein Guthaben und meine Flat alle, sodass ich quasi keinen Kontakt zur Außenwelt hatte.
Ich saß in Richtung Stadt und ihr müsst euch diese Wartebänke vorstellen, bei denen man im Rücken eine Glaswand hat wohinter eine andere Bank steht, ich hoffe ihr versteht was ich meine.
Jedenfalls saß ich also da und fror mir meinen Arsch ab, mit noch 20 Minuten Wartezeit und diese Gruppe Jungs betritt den Platz des Geschehens. Ich schätze sie circa auf 18-20 Jahre (was natürlich auch abweichen kann). Sie setzten sich auf die Bank hinter mir und ich konnte sie trotz meiner Kopfhörer lachen hören. Hätte ich auf mein dumpfes Bauchgefühl gehört wäre ich wohl zu dem Zeitpunkt gegangen, aber der Drang endlich nach Hause zu kommen siegte und so blieb ich sitzen.
Ich glaube es waren 5 an der Zahl, aber so ganz habe ich es nicht mitbekommen, und ich will niemanden in eine Schublade stecken, aber sie sahen alle aus wie die meisten Türken aussehen die ich kenne. Kann natürlich auch gewesen sein, dass sie in Deutschland geboren sind, dann wären sie genauso Deutsch wie ich es bin.
Ich schweife ab, kommen wir zu der eigentlichen Geschichte zurück. Der eine Stand auf, ich konnte seine Bewegung im Rücken spüren und ich stellte meine Musik leiser, mein Bauch immer noch am rebellieren.
Er kam rum und setzte sich ziemlich direkt neben mich, grinste mich an. Ich war unsicher und packte meinen Rucksack, der als einzige Grenze zwischen uns fungierte, fester.
"Na süße?", hatte er in ziemlich gebrochenem Deutsch gesagt. Unwohl nahm ich mir einen Kopfhöher aus dem Ohr und starrte ihn an.
So eine Panik hatte ich lange, wenn nicht sogar noch nie verspürt. In meinem Kopf lief alles mögliche ab, vorallem versuchte ich wiederzufinden, was ich im Deeskalationstraining gelernt habe.
Ich wollte stark wirken also blaffte ich ein genervtes "Was?" Zurück.
Er grinste mich unverhohlen an und seine Freunde auf der anderen Seite der Scheibe johlten und lachten. Der alte Mann kriegte nichts mit, oder wollte es einfach nicht mitkriegen.
"Wo willst du denn hin?"
Ich habe ihn einen doofen Blick zugeworfen, zischte ein "Geht dih nichts an" und habe mir den Kopfhörer reingesteckt.
Er ist aufgestanden und hat so widerlich gegrinst das mir übel wurde. Dann begann er, in einem Abstand von knapp zwei Metern hin und her zu laufen und mich zu beobachten.
Hätte ich nicht so unbedingt nach Hause gewollt wäre ich zu diesem Zeitpunkt schon gegangen aber ich habe einfach versucht sie zu ignorieren und mir gesagt das schon nichts passiert.
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie erleichtert ich war, dass gerade als der Typ zum zweiten mal ansetzten wollte, mein Vater anrief. Er konnte mich mot nach Hause nehmen. Und ich bin aufgestanden und habe den Bahnhof verlassen.
Warum ich es nicht schon früher getan habe weiß ich nicht und was ich in dem Moment dachte weiß ich auch nicht richtig.
Ich kann mich nur an dieses durchdringende Gefühl von Panik erinnern.
Ich habe dann an der Straße fünf Minuten auf meinen Vater gewartet und mit den Tränen gekämpft, gleichzeitig aus Angst und aus Erleichterung, dass mir nicht schlimmeres passiert ist. Als ich dann endlich bei ihm im Wagen saß ist es dann aus mir herausgebrochen und mir tat mein Vater auch sehr leid, der mit seiner weinenden Tochter mehr als überfordert war, zumal er auch gleichzeitig auf die Straße gucken musste.
Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, hab ich ihm dann die Kurzfassung erzählt. Dass diese Gruppe Typen da war, ich alleine war, der eine mir ziemlich auf die Pelle gerrückt ist und ich eine Heiden Angst hatte.
Mein Vater - ganz der Beschützer-Pappi der er nun mal ist - hat sich tierisch aufgeregt und ist dann umgedreht, seinen Worten nach um 'diesen Scheißkerlen einen Denkzettel zu verpassen' aber weil ich in dem Moment einfach nur so froh war dort wegzukommen habe ich ihn überredet einfach nach Hause zu fahren, auch weil der Zug eh schon da war.
Irgendwann konnten wir dann auch halb drüber scherzen. Er hat Kommentare gemacht wie 'Super-Daddy kommt und rettet dich' und 'who do we call? - SUPER-DADDY!'.
Ich glaube, er wollte mich in diesem Moment einfach auf andere Gedanken bringen, denn, wie gesagt, er war überfordert.
Manche werden vielleicht denken das ich ziemlich verweichlicht bin und doch gar nichts schlimmes passiert ist. Und nein, ich hatte Glück und es ist nur bei der dummen Anmache geblieben, aber es gibt genug Frauen da draußen denen schon mehr passiert ist. Und ich werde mich auch nicht verteidigen.
Diese Geschichte hat mich geprägt. Ich kann nicht mehr sorgenlos am Bahnhof sitzen. Ich bin schon fast paranoid. Ich schaue mich immer um, beobachte die Leute um mich herum, suche mir immer Menschen die mir im ernstfall helfen können.
Ich habe seit dem Angst.
DU LIEST GERADE
°In meinem Kopf ein schwarzes Loch°
PoesiaEin wenig Gedankenkotze, kleine Texte, Bruchstücke, Dialoge, vielleicht was aus meinem Leben. Einfach eine kleine Ansammlung aus meinem Gehirn ;)