k a p i t e l f ü n f
[ d i e a n k u n f t ]Als Aysa aufwachte, fuhren sie immer noch. Das Auto hatte an Geschwindigkeit verloren und holperte leicht, als die Reifen über eine unebene Stelle fuhren. Als sie ihren Blick, über ihren Körper wandern ließ, sah sie, dass ihr Kleid zerknittert war und tiefe Falten gebildet hatte.
Asya hoffte, sie sah schrecklich aus.
Seufzend fuhr sie sich über das verknotete Haar und ließ ihren Blick aus dem Fenster schweifen, bis Semih sie ansprach.
„Du bist ja wach", bemerkte er und lächelte sie an. Davut fuhr unberührt weiter, seinen Blick konzentriert nach vorne gerichtet. Ihm schien nicht bewusst zu sein, dass sie aufgewacht war, und wenn - dann ließ er sich nichts anmerken.
„Ja", antwortete sie etwas schüchtern und versuchte nicht rot zu werden. Normalerweise war es nicht üblich, dass sie sich in der Gegenwart von fremden Männern aufhielt; sie fühlte sich verunsichert und angespannt.
„Ich hoffe du hast gut geschlafen, wir sind in wenigen Minuten da", sagte er und nickte ihr freundlich zu.
„Okay", flüsterte sie mit raspelnder Stimme.
Nach einer Weile, fuhren sie in eine Einfahrt ein; der Weg war in Schottersteinen getränkt, die unter den Reifen des Wagens knirschten.
„Wir sind hier", sagte Davut und drehte den Motor ab. Das Auto erzitterte ein letztes Mal, bevor es zum Stillstand kam. Draußen war schon die Dämmerung angebrochen und Asya fühlte die Müdigkeit wieder ihre Augenlider hochkriechen. Wie lange waren sie schon unterwegs?
Davut stieg als erster aus und hielt ihr die Tür offen. Es war zweifelslos eine höfliche Geste gewesen, doch sie konnte einfach die dunkle Vorahnung nicht abschütteln, dass etwas mehr dahintersteckte.
Sie wollte sich schon bedanken, doch hielt inne. Sollte es kein Akt der Selbstverständlichkeit sein, dass man seiner eigenen Verlobten der Tür aufhielt?
Sobald sie ihren Blick von ihm abwandte, nutzte sie die Gelegenheit, ihre Umgebung mit ihren Augen zu erkunden. Vor ihr stand ein prunkvolles Haus, so wie es in den Zeichnungen der Bücher im Rathaus abgebildet war; groß und stattlich gebaut. Davor prangte ein Brunnen, dessen steinerner Fisch klares Wasser spie; es begleitete die sanften Klänge des Sommeruntergangs mit einem angenehmen Plätschern.
Asya würde unter normalen Umständen vor Freude platzen; sie würde Davut und Semih vollplappern, wie sehr sie schon immer so ein Haus besichtigen wollte, doch jetzt, wo sie selbst vor einem stand, verstand sie diesen ganzen Aufwand nicht.
Es war bloß ein gigantisches Gebäude; kalt und düster im Schatten. Die Luft war klar, duftete nach Lilien und Rosen, doch an diesem Tag konnte sie sich einfach nicht an ihnen erfreuen. Würde man sie dort in eines der vielen Zimmer einsperren und ihr verbieten wieder rauszukommen?
Jetzt wucherte Panik in ihr auf – daran hatte sie überhaupt nicht gedacht! In den Feldern hatte man auf ihre Hilfe gezählt, sie war wörtlich dazu gezwungen jeden Tag für mehrere Stunden das Haus zu verlassen, doch diese Menschen waren steinreich. Sie brauchten ihre eigene Ernte nicht zu säen, um ein üppiges Mahl zu verzehren zu können.
Sie sah zu Davut hoch, der neben ihr entlangging und sie nicht ansah. Er hatte außer zwei Sätze seit ihres Kennenlernens nichts gesagt, was sie ziemlich beunruhigte. War er eines dieser eifersüchtigen Männer, die ihren Frauen das Tageslicht verbieten, damit niemand außer er sie betrachten konnte?
Asya hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Du hättest diese Liebesbücher nie anfassen dürfen, dachte sie angewidert.
„Alles in Ordnung?", fragte Semih besorgt und Asya nickte eifrig.
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Davut
RomanceAsya ist ein junges Dorfmädchen, das schon in jungem Alter aufgrund den Tod ihrer Eltern, bei ihrer Großmutter auf einem Bauernhof lebt, das sie von der menschlichen Zivilisation fernhält. Der Verlust ihrer Eltern härtet sie ab, und sie verachtet a...