11 | Hoffnungslos

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k a p i t e l z w ö l f 

[ h o f f n u n g s l o s ]

Davut kehrte in den nächsten zwei Tagen nicht mehr in ihr Krankenzimmer zurück. Als sie Pinar und Jamila nach ihm fragte, meinten sie, er wäre mit seiner Arbeit beschäftigt und würde später nach ihr sehen. Doch Asya wusste es besser; er scherte sich einfach nicht um ihr Wohlergehen.

Selbst zu ihrer Entlassung ließ er sich nicht blicken, und sie konnte nicht anders als etwas enttäuscht zu sein, bevor sie sich wieder in Erinnerung rief, dass sie ihm letztens gesagt hat, er solle aus ihrem Blickfeld verschwinden.

„Sehen Sie einfach zu, dass Sie genügend Nahrung zu sich nehmen", meinte der hochstämmige Arzt, der ihr als Abschied die Hand reichte.

„Okay", sagte sie schüchtern. „Danke, nochmal."

Er lächelte sie kurz warm an und ließ sie in ihrem Zimmer alleine. Asya konnte nicht anders, als sich einsam zu fühlen. Die vorigen Wochen waren an ihr vorbeigezogen, wie zäher Honig. Die Hochzeit stand schon nah bevor, und somit auch die Hoffnungslosigkeit, die sie verspürte, sobald dieses Thema aufkam.

Asya wusste einfach nicht, wen sie zum mütterlichen Ratschlag ziehen sollte. Sie hatte keine Mutter, und mit Jamila verstand sie sich noch nicht so gut, um sie nach ihrer Erfahrung ausfragen zu können. Sie hatte keinen Schimmer, was in einer Ehe üblich ist; oder wie sie sich verhalten sollte, sobald sie alleine mit Davut war.

Ihre Wangen erröteten sich schon bei dem Gedanken, dass sie sich mit Davut ein Bett teilen muss, doch er hatte vorher diese Ehe für vorscheinhaft erklärt und ihr gesagt, dass sie keine Bedeutung hätte. Also würden sie wahrscheinlich in getrennten Zimmern schlafen, genauso wie jetzt.

Vielleicht war es besser so, dachte sie sich und der harte Knoten in ihrem Magen löste sich wieder. Ich habe also nichts zu befürchten.

Und doch konnte sie die Tatsache nicht abstreiten, dass sie sich wünschte, es wäre echt gewesen; dass sie wirklich jemanden hätte, der ihr abends Wärme schenken würde und sie in die Arme nimmt, wenn sie sich einsam fühlte. Doch das von Davut zu verlangen, allein die Vorstellung daran, wie er solche Zärtlichkeiten austauschte – schien zu absurd und bizarre.

Wie sollte jemand aus Eissplittern und eisernem Herzen, sie jemals wärmen können? Wie konnte jemand, dessen Bestandteile Hass und Verachtung waren, jemals fähig dazu sein etwas wie Zuneigung und Respekt zu zeigen?

Asya hatte nicht vorgehabt ihn so schnell zu verurteilen, doch sie konnte einfach nicht anders. Er hat keine Ausrede für sein Verhalten. Ihre letzte Konversation schien ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen zu wollen; er hat ihr deutlich klargemacht, dass hinter seinen Handlungen kein rechtfertigendes Motiv liegt, er handelte aus seiner Laune heraus.

Nicht, dass sie dachte, sie wäre besser als ihn. Bisher hatte sie sich nicht unschuldiger herausgestellt als Davut. Denn soweit sie sich erinnern konnte, endeten alle Gespräche zwischen ihnen meistens damit, dass einer von den beiden aus dem Raum stürmte oder den anderen einfach auf dem Gang hängenließ. Doch Asya hatte bis jetzt keinen einzigen Annäherungsversuch gemacht. Sie hatte ihn nie nach seinem Wohlbefinden gefragt, oder einen guten Morgen gewünscht.

In diesem Spiel sind beide unvernünftig gewesen – niemand von ihnen war ein Unschuldslamm, doch Asya wollte die Schuld nicht einfach auf sich nehmen. Sie hat bis jetzt bloß versucht unabhängig von ihm zu sein. Sie handelte aus purer Angst und Verzweiflung, währenddessen er sie verhehlte und sich einen Heidenspaß daraus machte, sie in die Enge zu treiben.

DavutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt