Kapitel 9

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Cam's POV

„Es ist ein See." „Und du bist so geschockt weil?" „Lass mich einfach ausreden", fuhr er Z an und kniete sich auf den Boden. Konzentriert ließ er seinen Finger über den staubtrockenen Boden kreisen und bemühte sich, alles was er gesehen hatte so gut wie möglich dar zu stellen. Während er zeichnete, erklärte er. „Die Bergkette hier bildet einen riesigen Kreis. Von hier aus kann man das nicht sehen weil er einen enormen Durchmesser hat. Und in diesem Kreis aus Stein ist ein See. Das Wasser ist glasklar und man kann bis auf den Grund sehen. Aber das ist unwichtig. Wichtig ist die Insel in der Mitte. Sie ist oval und spiegelglatt und sie schwebt über dem Wasser."

„Sie schwebt über dem Wasser?" Ungläubig legte Cathán den Kopf schief. „Ja, aber das ist nicht mal das komischste. Aber das müsst ihr euch definitiv selbst anschauen. Steigt auf." Kurz konzentrierte er sich auf den Drache vom Abend des Kampfes. Kribbelnd verformte, streckte und verfärbte sich sein Körper. Kurz streckte er alle Glieder und breitete probeweise seine ledrigen Flügel aus. Einen ließ er vorsichtig und ausgestreckt zu Boden sinken, sodass alle an ihm hochklettern konnten. Er spürte ihre Schritte auf seinen Schwingen und schließlich wie sie sich einer nach dem anderen auf seinem breiten Rücken niederließen. Um sich zu vergewissern, dass sie alle bereit waren blickte er über seine Schulter nach hinten. Dank seinem langen Hals war das kein Problem. „Kann los gehen", versicherte Ally ihm und er schnaubte sie brummend an.

Konzentriert breitete er seine Flügel aus und schlug zuerst langsam, dann immer schneller mit ihnen. Schließlich hob sich sein massiver Körper in die Luft. Der Wind wehte immer stürmischer, je höher er sich in den Himmel schwang, doch die Kälte drang nicht durch seine dicke Haut. Wie es den anderen auf seinem Rücken erging, konnte er nur erahnen. Wahrscheinlich froren sie entsetzlich. Diese Vorstellung spornte ihn an, sodass er die Berge schnell hinter sich gelassen hatte und bald zur Landung ansetzte. Seine langen Krallen kratzten kreischend über die glatte Oberfläche der schwebenden Insel und fanden nur schwer Halt. Schlitternd kam er schließlich zum Stehen. Sie ließen sich an seinem Flügel runter rutschen. Als Mika dann als letzter hinunter sprang, verwandelte Cam sich mühelos wieder zurück.

„Was zum Teufel ist das?" Z strich mit beiden Händen über die eisglatte und makellos weiße Oberfläche der Insel. Die Stellen, die mit seinen Händen in Kontakt kamen, sandten Wellen in Form von blauen Ringen aus, wie bei einem Stein, den man in einen Teich schmeißt. Die Insel war größer, als es aus der Luft ausgesehen hatte. „Keine Ahnung, ich hab sowas auch noch nie gesehen. Aber es tut gut dich auch mal ratlos zu sehen." Den scharfen Blick von Z für diesen Kommentar ignorierte Cam geflissentlich. „Muss das sein?", fragte Ally genervt. „Ich glaube wir haben andere Probleme als eure ständigen Hahnenkämpfe." „Genau meine Meinung", stimmte ihr Naima zu. „Ist ja gut", brummte Cam und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Was machen wir jetzt? Wir frieren immer noch und mir ist das nicht geheuer", meldete sich Soraya zögerlich zu Wort. „Da bist du nicht die einzige. Das kann nichts Gutes Bedeuten", stimmte Mika ihr zu und schnüffelte vorsichtig an dem unbekannten Untergrund. Ash, der generell nicht sehr gesprächig war, brummte nur als Zeichen, dass er die Meinung der anderen Schattenhunde teilte. „Gut, hier ist ja ohnehin nichts. Ich frage mich nur, warum uns die Höhle hierher gebracht hat", überlegte Cam laut und lief einige Schritte auf den Rand zu. Hier fiel die Oberfläche stetig ab und endete in einer Rundung. Er blieb vorsichtshalber stehen, um nicht Gefahr zu laufen ins Wasser hinunter zu fallen, da er nicht wusste, wie tief das Wasser unter ihnen war. Es war so klar, dass man es nur anhand des gebrochenen Schattens der Insel auf dem Boden erahnen konnte.

Z's POV

Er spürte es zuerst. Er spürte, wie der Boden unter seinen Füßen anfing zu vibrieren. Er spürte, wie die Insel sich bewegte. „Kommt alle in die Mitte! Hier passiert was!" Erst sahen sie ihn alle nur verwirrt an, doch dann spürten sie es auch und rannten zu ihm. Die Vibration wurde immer stärker und jetzt konnte man sehen und spüren, wie die Plattform nach oben stieg. „Cam, bring uns hier weg!"

„Habt keine Furcht."

Eine Stimme ertönte. Sie klang alterslos und Z konnte nicht sagen ob sie weiblich oder männlich war. Noch nie hatte er solch eine Stimme gehört, oder etwas das sich damit vergleichen ließe.

„Bitte bildet einen Kreis und haltet Abstand zueinander."

„Wieso? Was passiert hier?"

„Das werdet ihr gleich erfahren. Tut nun was ich euch gesagt habe. Bitte"

Die Stimme wiederholte diese Worte einmal mehr eindrücklich und zögernd taten sie wie ihnen geheißen. Z ließ seinen Blick über alle schweifen. Er blieb einige Sekunden länger an Naima hängen. Ihre braunen Haare flatterten wild im Wind. Nervös zuckten ihre braunen Augen zwischen unbestimmbaren Punkten hin und her. Er musste sich beherrschen nicht zu ihr zu eilen und sie zu beruhigen. In diesem Moment traf ihr Blick seinen und ein unbeschreiblicher Schmerz hinter seinen Schläfen brachte ihn dazu, sich hin zu knien.

Naimas erstickter Schrei brachte ihn dazu, sich aufzurappeln und nach ihr zu sehen. Doch als er seine Augen öffnete, sah er nur weiß. „Bin ich tot?", murmelte er verwirrt und schirmte seine Augen mit einer Hand vor der Helligkeit ab. Der Schmerz war verschwunden und die anderen mit ihm. Er stand alleine auf der Plattform in gleißendem Licht. Er konnte den Boden nicht mehr sehen und lief prüfend den Rand des schwebenden Objekts ab.

„Nein, Zachary, du bist nicht tot." „Woher kennst du meinen Namen?" „Darüber solltest du dir keine Gedanken machen." „Mache ich aber! Was bist du? Wer bist du?" Die Stimme schwieg auf seine Frage hin. „Zachary ihr seid hier, du bist hier, weil ihr euch noch nicht gefunden habt. Es war euch bestimmt, hier her zu kommen und diese Prüfung zu bestehen." „Was für eine Prü-" „Lass mich ausreden Zachary. Du wirst gleich auf deine Seelensplitter treffen. Teile von dir, die du verdrängt und mit denen du noch nicht abgeschlossen hast. Setze dich mit ihnen auseinander, damit du am Ende hoffentlich zu dir selbst findest."

„Ich treffe was?" „Deine Seelensplitter. Teile deiner Selbst, die du verleugnest oder verdrängst. Sie müssen zu dir finden und du musst sie akzeptieren, damit deine Seele ein Ganzes wird." „Und was, wenn ich sie nicht treffen will?" Bei dem Gedanke daran, was auf ihn zukommen würde, wurde ihm schlecht. Er war stolz darauf, dass er all diese Dinge verdrängt hatte und das letzte, was er wollte, war genau diese Sachen wieder durch zu machen. „Bevor du es nicht schaffst, wirst du nicht zu den anderen zurück kommen." „Die anderen! Machen sie gerade dasselbe durch?" „Jeder von euch muss sich dieser Aufgabe stellen. Sienna haben wir zurückgelassen, sie und ihre Gefährtin Klara sind bereits vervollständigt." „Die Höhle hast du gesteuert! Du wusstest, dass wir sie wieder betreten würden! Was zum Teufel bist du?!"

„Ich bin alles und nichts. Jeder und niemand. Überall und nirgendwo. Mit Worten kann ich dir nicht beschreiben, was ich bin und was meine Aufgabe ist. Aber deine Aufgabe beginnt jetzt. Ich wünsche dir alles Gute, Zachary."



Seid ihr schon gespannt, wie seine Aufgabe aussieht? Auf welche verdrängten Dinge er trifft und die anderen erst...? Ich hoffe ihr habt Spaß an der Richtung, die die Geschichte einschlägt. Mittlerweile habe ich meine Prüfungszeit hinter mir und kann mich jetzt voll und ganz meinem Buch widmen :-) Außerdem wollte ich mich bei euch für mittlerweile über 600 Reads bedanken und für die geknackten 6k beim ersten Teil gleich mit. Ihr seid die besten! :-)



The eyes of the shadows - VerstoßenWhere stories live. Discover now