Und ein Sturm zieht auf [Sie]

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Jahrelang habe ich mit mir machen lassen, was sie wollten. Ich bin vor ihnen geflohen, ich habe mich vor ihnen versteckt. Ich habe meine Schwester von einem Schneemann großziehen lassen, weil sie dafür gesorgt haben, dass unsere Eltern sterben. Nur weil wir fliehen mussten, kamen wir von der Straße ab. Nur weil wir nicht schnell genug aus dem Haus kamen und ich in Panik ausbrach, gefroren die Scheiben im Wagen. Nur aus diesem Grund starben meine Eltern.

Mag sein dass diese Jäger zu jung sind, um diese Jäger zu sein, aber was sie wollen, ist offensichtlich. Mich jagen. Mich töten, wenn man den Pfeil ansieht, der nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt hängt.

Ich bin es leid, mich von ihnen so behandeln zu lassen. Ich bin es leid, dass ich deren Spielball bin. Ich bin nicht mehr die verängstigte Zehnjährige, die eifrig einer Hexe zuhört, die ihr von kommenden Untergängen erzählt. Durch Jack habe ich gelernt, zu was ich fähig bin. Und wenn ich sie nur lange genug ablenken kann, wird Anna schon aus der Stadt verschwunden sein, bevor sie auf die Idee kommen, nach ihr zu suchen.

»Wohin des Weges, Magierin?«, fragt die Bogenschützin mit dem Namen Ivy und kommt großspurig über die Straße auf mich zu spaziert. Als würde es nicht ein normaler Wochentag sein, mitten am Tag. Als wären Leute mit Waffen und Pfeilen nichts außergewöhnliches. Als wäre ein Mädchen mit Zauberkräften alltäglich.

Jack will mich weiterziehen, aber das wird nicht passieren. Nicht jetzt. Nicht heute. Ich fliehe nicht mehr. Ich lasse dieses Leben endgültig hinter mir. Anna zuliebe.

»Ich komme mit euch«, erkläre ich und kämpfe die Magie nieder, die sich in mir aufbaut. »Ich komme mit euch, wenn ihr mir versprecht, meine Schwester in Ruhe zu lassen.«

»Wir werden sie untersuchen müssen. Das ist Protokoll. Sie lebt seit Jahren mit dir, wer weiß ...«

»Ivy, sie ist nur ein Mädchen«, wirft das wunderschöne Mädchen auf, das neben dem anderen Jäger steht. So viele Menschen, so viele Jäger. Jeweils zwei von jeder Sorte.

»Ein Mädchen auf Level Neun!«

Viel weiß ich von den Jägern nicht. Ich konnte mich nie richtig informieren, aber ich weiß von ihren Kategorien. Von den Gefahrenzahlen, die sie magischen Wesen geben, um sie in ihre Schubladen zu pressen.

»Elsa, lass uns gehen«, bittet Jack. Aber er hält sich zurück. Was gut so ist, denn das hier ist nicht sein Kampf. Ich kann nicht noch mehr Unschuldige mit reinziehen. Erst meine Eltern, dann Anna und Olaf und jetzt Jack. Menschen in meiner Umgebung werden verletzt. Immer. Weil ich mich nicht lange unter Kontrolle halten kann. Vermutlich ist es besser, wenn ich mit ihnen gehe. Ich will niemandem mehr wehtun.

»Haben wir eine Abmachung?«, frage ich in die Runde und spreche niemand bestimmten an. Adam ist ein Jäger, genau wie Ivy. Die anderen beiden sind nur ihre Begleitungen und zudem menschlicher von ihrem Verhalten her. Ich merke es ihnen an.

Ich weiß nicht, wieso Jack sich auf einmal doch einmischt. Ich weiß nicht, wieso er einen Schneesturm beschwört. Es wird nicht helfen. Tatsächlich bringt es Ivys wütende Seite zum Vorschein und sie zielt mit dem Bogen auf Jack. Ich weiß das zu verhindern und lasse einen Eisberg unter ihren Füßen erscheinen, der sie blitzschnell einschließt.

»Ich will keinen Ärger!«, erkläre ich noch einmal und bewege mich auf sie zu. Jack schwebt über mir in der Luft und wartet. Auf was weiß ich nicht. »Beschütze Anna«, rate ich ihm, doch er fliegt nicht weg. Wir sind so abhängig voneinander, dass wir das nicht können. Uns zu trennen.

»Ihr Magier wollt immer keinen Ärger.« Adam spuckt auf den Boden und nähert sich mir. Er ist wirklich wunderschön. Mit kurzen blonden Haaren, einem lieblichen Gesicht und genau der richtigen Größe. Kein Wunder, dass die ebenfalls umwerfende Belle sich in ihn verliebt hat.

»Deswegen hat einer deiner Sorte Belle auch in ein Biest verwandelt und sie 21 Jahre lang verrotten lassen.« Er dreht sich zu Ivy um. Und zu dem kurzhaarigen Mädchen, das um Ivy herumrennt, um sie zu befreien. Schuldgefühle überfluten mich. »Derselbe Magier, der im Übrigen unsere Rapunzel heiraten wollte und ihrer Mutter riet, sie in einem Turm gefangen zu halten. Wir waren eigentlich ihm auf der Spur, als du auf der Karte aufgeleuchtet hast. Zufällig ganz in seiner Nähe.«

»Elsa hat nichts mit ihm zu tun!«

»Halt du dich da raus!«, brüllt das ehemalige Biest und ... knurrt.

Ich will etwas sagen. Will mich verteidigen. Will erklären, dass ich diesen anderen Magier nicht kenne und niemandem etwas Böses will. Ich will erklären, dass ich auf ihrer Seite stehe und dass ich diese Kräfte nicht will. Ich will irgendetwas sagen, aber ich kann nicht. Mir bleibt die Luft weg und die Schuld übermannt mich. Nimmt Besitz von mir.

Sie bevormunden mich erneut. Bestimmen und urteilen über mich. Wollen mir sagen, wer ich bin. Wollen mich zu einem Monster machen. Das werde ich nicht zulassen. Nicht mehr. Nie wieder.

The past is so behind meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt