1. Perfekt

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18 Jahre später…

Jona

       „Jona!“, rief Mom vom Fuße der Treppe hinauf. Ich hörte sie nicht, denn die Musik in meinem Zimmer dröhnte bis auf die Straße. Aber so hatte ich es eben am liebsten.

        Wie soll man sonst Hard Rock, Heavy Metal oder Punk hören?

        Lailah, meine altdeutsche Tiger Hündin, die auf meinem Bett döste, war die Lautstärke, die die Wände erzittern ließ, bereits gewöhnt.

        Mom rief erneut und stieg dieses Mal schon die Treppe hinauf. Auch das bekam ich nicht mit. Ich war in meinem Zimmer abgeschottet von der Welt, wie immer.

        Ich hatte viele verschiedene Bilder von Maggie und mir auf dem Schreibtisch verteilt. Bilder, auf denen wir uns küssten, Bilder, auf denen wir Grimassen schnitten, Bilder, auf denen wir einfach nur Arm-in-Arm gingen und heimlich von einem unserer Freunde fotografiert wurden. Aber keins kam als Erinnerungsstück, für das herzförmige Medaillon in Frage, das ich für sie besorgt hatte.

        Meine Mutter klopfte an die Tür.

        Die Red Hot Chili Peppers übertönten sie.

        Die Art wie ich Musik hörte, hatte mir in der Vergangenheit schon so manchen Ärger eingebrockt. Ein paar Nachbarn fühlten sich durch die Musik grundlegend gestört. Glücklicherweise hatten sie jedoch noch nie die Polizei gerufen. Und die Beschwerden wurden auch immer seltener. Anscheinend fanden sie sich so langsam damit ab.

        Momentan interessierte mich jedoch nur eins: Ich wollte – musste – das perfekte Bild für das Medaillon finden, denn es sollte Megan den Abschied erleichtern. Es war zwar kein Abschied für die Ewigkeit, aber wenn ich daran dachte morgen aufs Internat gehen zu müssen, schmerzte es so, als wäre es einer.

        Und der Schmerz wurde noch stärker, als ich mich daran erinnerte, dass ich es Maggie noch an diesem Tag irgendwie sagen musste. Ich wollte sie nicht verletzten.

        Das könnte ich nie!

        Es war schon schlimm genug, dass ich nicht schon vorher den Mut gehabt hatte, damit raus zu rücken. Jetzt hatte sie einen Tag, um damit fertig zu werden.

        Was würde ich machen, wenn sie weint? Mann, ich würde vermutlich durchdrehen!

        Ich denke mal, keiner mag es, seine Freundin weinen zu sehen.

        Schon gar nicht, wenn sie so verdammt wundervoll ist, wie meine.

        Aber irgendwie hatte ich auch selber Schuld. Ich hätte mich einfach mal auf meinen Hosenboden setzten und lernen müssen.

        Jetzt öffnete Mom die Tür. Ich erschrak, denn sie hatte noch nie die Angewohnheit gehabt, eine Tür leise und vorsichtig zu öffnen. Lailah, sprang vom Bett und kratzte schwanzwedelnd an ihren Stiefeln.

        „Mom!“, rief ich und lief zu meiner Docking-Station, mit der mein iPod verbunden war. Ich stellte die Musik leiser. „Du kannst hier nicht einfach so rein kommen! Das…das geht nicht, okay?“

        „Ich habe geklopft! Wenn du nichts hörst, was soll  ich dann machen?“ Mom warf einen flüchtigen Blick auf meinen Schreibtisch. „Ich fahre gleich nach Danton in die Mall, soll ich dir was mitbringen?“

        „Ne“, brummte ich und setzte mich wieder. Lailah trottete träge zu mir und legte ihren Kopf auf meine Knie. Ich kraulte erst lächelnd ihren Kopf und spielte dann mit ihren Schlappohren. Mit ihren traurig blickenden Augen, schaute sie zu mir auf.

Lunar - Augen, wie EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt