Kapitel 12

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Ich wache auf. Es ist dunkel im Zimmer, aber durch einen kleinen Spalt im Vorhang dringt ein kleiner Lichtstrahl. Ich liege in Justins Bett und trage eine Jogginghose und ein Shirt von ihm.
Justin liegt nicht neben mir.
Das letzte an das ich mich erinnern kann ist, dass ich auf Toilette war.
Ich stehe auf und gehe runter in die Küche.
Niemand ist da.
Ich mache mir ein Brötchen, esse es und gehe ins Wohnzimmer.
Dort sitzt Maisie auf der Couch und guckt Fernsehen. Sie sieht mich kurz an, zeigt mir den Stinkefinger und widmet sich wieder dem Fernseher. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und gehe wieder zurück nach oben. Dort klopfe ich an Pauls Zimmer, vielleicht ist hier jemand. Es macht niemand auf, aber ich höre Claires Stimme.
Ich öffne die Tür und sehe Paul, wie er mit Claire schläft. Die beiden haben mich nicht bemerkt, also schließe ich schnell die Tür. Er hat sie rumgekriegt. Irgendwie ist es ein bisschen traurig. Sie wurde doch gewarnt. Sie ist kein One night stand Typ. Aber da sie schon fast 16 ist, kann ihr da niemand zwischen reden.
Na ja. Doch: Wo sind alle anderen Leute die in diesem Haus ein und ausgehen?
Ich gehe in Justins Zimmer und hole mein Zeug. Dann dusche ich mich und schaue auf mein Handy, nachdem ich ganz normal aussehe.
Was?!? Es ist schon 15:00 Uhr! Wie lange hab ich denn geschlafen? Ich gehe in Nate Zimmer. Dort liegt Nate im Bett und pennt. Der hat´s gut. Mein Freund ist jetzt irgendwo, wo ich es nicht weiß.
Wo ist Justin? Oh, ich kann ihn ja mal anrufen.
Es tutet und tutet.
»Hey Hell. Wie geht's?«
»He, Jus. Ja, mir geht es gut. Wo bist du? Maisie sitzt im Wohnzimmer und guckt fernsehen, Nate pennt noch, Paul und Claire, sind, äh, na ja du weißt schon. Ich laufe durch das Haus und suche dich wie so ein massives Opfer.«
»Ich schreibe doch Montag ´ne Klausur. Ich bin bei dir zuhause, es ist wichtig dass ich jetzt lerne. Ich habe auch das ganze letzte Wochenende gelernt und die davor auch oft. Ich hoffe, das es okay für dich ist.«
Nein. Das heißt er hat keine Zeit.
»Achso. Ich hab mich nur gewundert. Kommst du heute Abend wieder hierher?«
»Klar. Die Nacht muss ich mit dir verbringen!« er lacht.
»Hab dich lieb. Bis heute Abend.« grinse ich und lege auf.
Jetzt habe ich ungefähr fünf Stunden, in denen ich irgendwas machen muss. Ich habe gar nichts zu tun.
Zuerst gehe ich in das Wohnzimmer. Ich kann mich ja mal mit Maisie unterhalten. Sie ist mit Justin, dem heißesten, süßesten und einfach perfektesten unperfektesten Typen der Welt verwand, also muss doch irgendwas von ihm in ihr sein!
»Hi, Maisie, kann ich mich zu dir setzten?« ich frage so nett, wie man es von jemandem erwarten kann, der von ihr als Bitch bezeichnet wurde. Ich bemitleide sie aber auch ein bisschen. Ihre Mutter hat nicht mal angerufen oder sich irgendwie um ihr Verbleiben gekümmert. Meine Eltern sind ja auch nicht so anders.
»Mach doch.« sagt sie genervt.
Ich sehe auf den Fernseher. Ich sehe Paul Wesley.
»The Vampire Diaries?« frage ich und muss lächeln.
»Ja. Guckst du das auch?« fragt sie schon netter.
»Klar. Bin gerade am Anfang der 5. Staffel. Welche Staffel ist das? Die 3. Staffel, oder?«
»Jup. Ilijah ist so heiß, oder?«
»Mega. Er ist einfach voll geil. Und Claus auch! Bist du für Damon oder Steffen?«
»Ich mag Damon echt, aber Steffen ist auch mega hot. Tut mir leid, dass ich dich als Justins Bitch bezeichnet habe. Du bist echt voll okay. Es war nur einfach etwas scheiße...«
»Nicht schlimm. Du bist auch "okay".« Ich grinse.
»Willst du mir erzählen, wieso du her gekommen bist?«
»Meine Mutter ist nicht so die coolste. Sie zieht sich an wie eine Nutte und bringt alle paar Monate wen Anders mit nach Hause. Ihr letzter Freund, also ihre groß Liebe, laut ihr, wollte mich vom Balkon werfen, weil ich ihm kein Bier holen wollte.
Es ist nicht einfach bei ihr zu leben. Man muss sich immer um sich selbst und den Haushalt kümmern. Da hat man später was von, aber bevor Dad gestorben ist, hat sie im Büro gearbeitet, ist immer perfekt gestylt herumgelaufen und war eine Mutter wie sie in Bilderbüchern gezeigt werden. Aber seit er nicht mehr da ist geht alles den Bach runter.
Als Jussy gegangen ist, war es noch schlimmer für mich. Er hat das nicht mehr ausgehalten und wollte nicht die Schule so kurz vor dem Abi wechseln. Und-« Ihre Stimme bricht und sie fängt an zu weinen.
»Seitdem er nicht mehr da ist, wird alles schlecht! Und Jussy versteht nicht wie es mir da bei ihr geht.«
Ich nehme sie in den Arm und streichele ihren Rücken.
»Hey, alles ist okay.«
»Ich vermisse mein altes Leben.« sagt sie zu mir und schnieft. Ich lasse sie los und gebe ihr ein Taschentuch.
»Wollen wir weitergucken?« fragt sie.
»Okay.« Ich lächele sie an und mache den Fernseher wieder an.
Nach zwei Folgen gehe ich hoch, um zu gucken, ob Claire und Paul schon...fertig sind. Ich klopfe an die Tür.
»Ja.« sagt Claire. Ich gehe herein.
»Morgen Süße. Gut geschlafen? Du hattest ja gestern, na ja, einen ziemlichen Fressanfall.« Sie grinst mich an. Paul sitzt auf dem Bett und macht was am Handy. Er sieht kurz auf, zieht einen Mundwinkel nach oben und sieht wieder auf sein Handy.
»Was? Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Habe ich was peinliches gemacht?«
»Du wolltest Justin vorm Haus einen runterholen. Sonst warst du nicht so peinlich.«
Oh Gott! Das ist doch nicht ihr Ernst. Ich war doch nicht, okay es kann schon sein aber, das ist so verdammt peinlich. Vorhin am Telefon! Jus hat nichts davon erwähnt. Hoffentlich bleibt mir das erspart...
»Na dann. Wenn es weiter nichts war. Claire, kommst du mal kurz mit?«
Gut, dann denkt Paul wenigstens ich sehe mein peinliches Verhalten normal.
»Klar.«
Wir gehen in Justins Zimmer und setzten uns auf den Balkon. Es scheint die Sonne und es sind 20 Grad. Wie im Frühling.
»Also, was wolltest du?«
»Ich bin vorhin in Pauls Zimmer und habe euch dabei gesehen. Ich wollte dich nur warnen: Er steht nicht auf dich. Er ist nur auf Sex aus, und auf Spaß.«
»Okay, dann weißt du es ja schon. Ich wollte es dir ja noch sagen. Ich weiß, er hat keine Gefühle, bla bla bla. Aber: Er hat an Verhütung gedacht... Und es war mega geil! Er hat so einen großen und der war so hart und...« sie grinst und zwinkert mir zu.
»Das wollte ich ja auch wissen! Bäh, jetzt habe icj ein Kopfkino...« Ich lache und wir gehen wieder rein.
Sie sieht sich in Justins Zimmer um.
»Sein Zimmer ist cool.«
»Ich weiß. Ist ja auch sein Zimmer. Von meinem heißen Freund.« Ich lächele sie an.
»Es ist jetzt echt mal Zeit, rauszugehen. Wollen wir wie so Omis spazieren gehen? Ich muss an die frische Luft!«
»Ja. Es ist etwas langweilig hier drinnen.«
Wir gehen eine kleine Runde durchs Dorf und labern.
»Ich habe echt Hunger. Lass mal Döner bestellen!« sie sieht mich bittend an und leckt sich die Lippen.
»Ja, geil! Aber, wessen money?«
»Paul bezahlt!«
Wir lachen beide, obwohl es nicht so lustig ist. So sind wir halt. Behindert, aber mit ein bisschen Verstand. Ab und zu.
Im Haus gehe ich in die Küche, um mein Handy zu holen. Ich frage Claire, wer alles Döner möchte. Sie hat eben rumgefragt. Justin bestelle ich einfach einen mit. Dann gehe ich ins Wohnzimmer, wo der rest sitzt, und wo sich gestritten wird, ob wir heute Abend ins Kino gehen, um Star Wars 7 zu gucken. Da heute die Premiere ist, wollen wir zuhause bleiben und irgendeinen anderen Film gucken. Mitten in der Diskussion, welcher Film das sein soll, klingelt es. Döner!
»Ich mache auf!!!« sage ich schnell und sprinte zur Tür. Doch es ist viel besser als Döner.
»Jus.« Ich strahle ihn an und er setzt sein schiefes Grinsen auf. Ich lege meine Arme um seinen Hals und küsse ihn. Er drückt mich an sich und sagt zwischen den Küssen:
»Habt ihr was zu Essen?«
Ich fange an zu Lachen und ziehe ihn ins Haus.
»Müsste gleich da sein. Döner.«
»Nice.«
Er lächelt mich an und zieht schnell Jacke und Schuhe aus. Ich schiebe meine Hände unter sein Shirt und streiche über die warme Haut seines Rückens. Es klingelt mitten in diesem magischen Moment.
Na ja, wenn ich einen Döner kriege nehme ich das in Kauf...

Klischees- wie ich sie hasse!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt