Am nächsten Tag ging ich ohne große Hoffnungen zur Schule. Doch sobald ich das Schulgebäude betrat sah ich ihn. Er hielt ein Buch in der Hand und bemerkte mich nicht. Doch auch als er seinen Blick kurz hebte und mich ansah, ignorierte er mich nur. Vom ersten Augenblick an war ich fasziniert von ihm. Ich musste herausfinden, wer er war, welchen Stand er hatte, wo er wohnte und wie er hieß. Ich wollte wissen, wie man so wenig Notiz von etwas machen konnte, sogar, wenn man so in ein Buch vertieft war. Ich schaute ihn mir genau an, analysierte seine Bewegungen, seine Antworten auf Fragen, die im Unterricht gestellt wurden und sein Verhalten, wenn jemand an seinen Tisch stieß, oder sein Stift hinunterfiel. Er bewegte sich so graziös und elegant. Er war sehr schlau und sah gut aus. Doch das, was mich am meisten faszinierte waren seine Augen, seine Blicke, die Bewegung seiner Augen, während er schrieb und während er las. Während des Unterrichts begann ich zu vermuten, dass er zu den Beliebten gehörte, aufgrund seiner Bewegungen. Doch in der Pause wurde ich enttäuscht. Er war es, das schwarze Schaf der Klasse, der der länger bleiben musste, um dem Lehrer zu helfen, der, dessen Hausaufgaben abgeschrieben wurden, weil man vergessen hatte, sie zu machen, der, dem man gegenüber am meisten Vorurteile hatte, da man Gerüchte über ihn gehört hatte. Vielleicht hatte man diese Vorurteile auch einfach, weil man fand, dass er anders war. Ja, er war anders. Noch nie hätte ich auch nur daran gedacht, die Bewegungen meiner Klassenkameraden elegant, geschweige denn graziös zu nennen. Noch nie faszinierte irgendjemand mich so sehr. Nicht die Beliebten und auch nicht die "Opfer". Sie waren für mich alle immer nur graue Strichmännchen gewesen. Er aber hatte Farbe und Form. Es war, als wären all die anderen aufgemalte Dreiecke, die man wegradieren könnte und als wäre er eine Pyramide, die man anfassen kann. Einen kurzen Moment, der durch meine Faszination überdeckt war, dachte ich darüber nach, wie es wäre, mit ihm zu reden. Bis es mir wieder einfiel. Wie konnte ich etwas vergessen, mit dem ich mein gesamtes Leben teilte. Ich durfte mich nicht mit ihm anfreunden oder reden. Ich durfte mich nicht freuen, wenn ich durch Zufall mit ihm in die selbe Arbeitsgruppe kam. Ich durfte ihn nicht mit strahlenden Augen ansehen. Sie verboten mir es. Mein Leben lang lebte ich glücklich mit ihnen. Mein Leben lang benutzte ich sie. Mein Leben lang, bestimmte ich mit ihnen, mit wem ich befreundet sein wollte. Mein Leben lang waren sie das wichtigste Lebensmittel für mich. Wie man ohne Wasser nicht überleben kann, so konnte ich ohne sie nicht überleben. Die Vorurteile. Doch mit einem Schlag war ich kurz davor, sie wegzuschmeißen. Das kostbare Wasser in der Wüste einfach in den Sand zu schütten und zu warten, bis es versickert war. Doch ich klammerte mich an sie, ich konnte nicht einfach das wegwerfen, was mein Leben lang dafür sorgte, dass ich lebe.
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Prejudices And Love
Teen FictionWas wäre, wenn du dich in jemanden verliebst, in den du nicht verliebt sein darfst? Aimi hat alles, was man sich wünschen kann. Sie ist beliebt, hübsch und die Tochter einer berühmten Schauspielerin sprich reich. Sie vertraut auf Vorurteile und Gerü...