"Neeeeein!" Ein gellender Schrei lässt mich hochschrecken. Wer zur Hölle schreit hier so rum? Ich blicke mich um. Wo bin ich? Nur langsam sickert Erkenntnis in mein Bewusstsein. Meine Couch, mein Tisch, mein Fernseher...vier Katzen die umher laufen. Ich bin eindeutig in meiner Wohnung. Und das laute "Nein!" muss wohl auch aus meinem Mund gekommen sein. So weit so gut. Aber wovon bin ich denn hochgeschreckt? War ich wieder betrunken. Ratlos sehe ich mich um. Keine leeren Flaschen. Trotzdem fühle ich mich, als hätte ich den schlimmsten Kater meines Lebens. Wieso? Ich denke nach. Was ist nur in letzter Zeit mit mir los? Ich komme mir selbst immer unglaublich verwirrt vor. Verliere ich womöglich den Verstand? Schmerz hämmert bohrend in meinem Kopf.
Ich atme ein paar mal konzentriert ein und aus, fokussiere mich vollkommen darauf: "Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen...!" und dann trifft mich der Schlag. Ich habe Alina gesehen! Ja wirklich...das heißt wohl ich werde wirklich wahnsinnig. Denn Alina ist tot. Ich kann sie doch gar nicht gesehen haben. Aber das habe ich! Und mich selbst! Und ich war in so einer Art...ja was war das überhaupt? Ein schwarzes Loch? Ein Wurmloch? Eine andere Dimension? Oder ein böser Traum? Verdammt...! Ich bin so durcheinander und mein Kopf bringt mich um. Mein Blick schweift duch meine Wohnung und da erblicke ich etwas. Das kann doch nicht..., es ist...ein Stiefel. Alinas Stiefel. Der Stiefel, den ich vorhin oder wann immer das war, in der Hand gehalten habe. Besser gesagt: Wo immer das war! Jetzt liegt er, wie achtlos dahingeworfen, in einer Ecke meines Wohnzimmers. Mimm schnuppert interessiert daran und in meinem Kopf kreisen tausend Gedanken. Was zur Hölle? Nein, ich kann diesen Stiefel jetzt nicht sehen. Ich muss hier erst einmal raus. Ich streife meine Sneaker über, schnappe mir den Autoschlüssel und stürme aus meiner Wohnung.
Unten angekommen renne ich fast zu meinem Auto und steige ein. Ich starte es und fahre Richtung Supermarkt. Mir kommt der ängstliche Gedanke, ich könne womöglich doch getrunken haben und so nun Auto fahren. Ich hoffe wirklich ich bin nüchtern. Ein wenig zu schnell bringt mich mein Auto fast von selbst zum nächsten gelegenen Supermarkt. Ich parke so nah es geht am Eingang. Kein Wunder, dass ich etwas zu viel wiege, so faul wie ich bin. Mit einem Einkaufswagen vor mich herschiebend, betrete ich geistesabwesend den Supermarkt. Wie automatisiert packe ich Toast, Cola, Wurst, Käse, Schokolade und ganz wichtig: einige Flaschen Wein in den Einkaufswagen. Nachdem ich bezahlt habe und zurück nach Hause gefahren bin, lasse ich mich erschöpft auf meine Couch sinken. Wer hätte gedacht, dass so ein kleiner Einkauf einen so stressen kann? Ich weiß echt nicht, was mit mir nicht stimmt. Ich versuche meine Gedanken zu ordnen, aber in meinem Kopf herrscht nur ein tosender Sturm aus Fragezeichen. Ich war doch kurz vor Bayern. Und dann habe ich kehrt gemacht, um die Stelle des Unfalls zu besuchen. Dort fand ich diesen Schuh und plötzlich war ich wieder zuhause und habe Alina gesehen, aber irgendwie war ich auch doch nicht zuhause.Wie ich es drehe und wende, es macht keinen Sinn. Eine Sache ist mir aber noch sehr präsent. Das befreiende Gefühl, dass ich hatte, als ich Alina meinen Namen sagen hörte. Dieses Gefühl war wunderschön. Ich lasse mich in dieses Gefühl hineinfallen und versinke darin völlig, wie ein Mensch der in Treibsand geraten ist. Es verschlingt mich immer mehr. Aber es ist kein schlechtes Gefühl. Es ist wunderschön. Wie schweben. So stelle ich mir den Himmel vor. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Vielleicht kann ich für immer in diesem Zusatnd bleiben.
Rrrrrrring...rrrrring. Ein lautes Klingeln reißt mich unsanft aus diesem hypnothischen Zustand. Rrrring...rrrrrring. Was ist das denn jetzt schon wieder? Ich werde richtig wütend. Dann stelle ich fest, dass es mein Festnetz Telefon ist. Ich greife danach und hebe ab: "Ja!", frage ich aggresiv in den Hörer. "Sam? Gott sei dank!", höre ich Harald besorgt sagen. Aus völlig irrationalen Gründen bin ich sauer auf ihn, dass er mich aus diesen Gedanken gerissen hat: "Was willst du von mir?". Harald stockt einen Moment. Er scheint überrascht über meinen harschen Ton. "Sam...ich weiß ja nicht was du unter Freundschaft verstehst, aber ich habe mich um dich gesorgt. Du wolltest doch heute früh hier eintreffen. Warum bist du zuhause? Ich habe dich auch ungefähr hundertmal auf deinem Handy angerufen." ich greife müde nach meinem Handy, um nach zusehen. Sieben Anrufe in Abwesenheit und Fünf ungelesene Nachrichten. Ich bin endlos genervt und möchte wieder mit mir und meiner Alina Fanatasie alleine sein. Meine Gedanken driften schon wieder ab, als ich Harald fragen höre: "Sam?", nun klingt auch er ein wenig gereizt. "Sieben!", antworte ich nur. "Wie bitte!?!"
"Ich sagte SIEBEN. Du hast siebenmal angerufen. Nicht hundert. Und um deine Frage zu beantworten, ich habe keine Lust gehabt zu kommen!" Ich vernehme nur ein verständnisloses Schnaufen von Harald. "Sonst noch was?", grummle ich in den Telefonhörer, während ich mich eher unbewusst auf den Stiefel zu bewege. Ich knie mich nieder und betrachte ihn. Nur hintergründig nehme ich war, dass Harald mich anspricht. Aber ich kann nicht verstehen was er sagt. Zu sehr hat mich die Energie des Stiefels in Beschlag genommen. "Du Harald...", nuschle ich vor mich hin und fasse nach dem Stiefel: "...ich!", in diesem Moment berührt der Stiefel meine Hand und ich greife zu. Ich fühle nur noch ein starkes Rucken, dann ist alles schwarz!
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In deinen Schuhen-Für immer du!
RomanceAlina liebt Sam...aber eigentlich sollte es heißen Alina liebte Sam. Alina ist TOT. Und sie wird niemals zurück kehren und Sam wird sie nie wieder in den Armen halten, oder...?