Duschen oder Baden - das ist hier die Frage!

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Rick PoV:
"Warum zur Hölle sollte man baden, wenn man auch duschen kann?" fragte Rick empört. Steven verdrehte die Augen. "Warum nicht?", antwortete er, zuckte die Schultern und ging ins Bad. Rick verstand den Sinn dahinter einfach nicht. Duschen war wesentlich angenehmer und schneller. Außerdem war baden langweilig. Aber wenn Steven unbedingt wollte, sollte er eben baden gehen. So viel hatten sie heute ja sowieso nicht mehr vor.
Er setzte sich auf sein Bett und sah sich im Raum um. Ein schönes, großes Hotelzimmer hatten sie bekommen. Und es war alles da: Zwei einzelne Betten, ein Fernseher, eine Couch, die Minibar, ein großes Bad mit Badewanne und Dusche - was wollte man mehr? Nur dass es hier so unglaublich hoch war, störte Rick ein bisschen.

Jetzt hatte auch er Zeit, sich die Aufnahmen von vorhin noch einmal anzusehen. Sie waren okay geworden, er sah ganz schön müde aus. So fühlte er sich auch. Sobald Steve aus dem Bad kam, wollte er duschen und schlafen. Okay, und vielleicht etwas essen. Das Frühstück war schon wieder echt lange her. Sein bester Freund sah in den Aufnahmen nicht ganz so kacke aus wie er selbst. Obwohl sie echt lange unterwegs gewesen waren, wirkte er leicht aufgedreht und eigentlich fast wie immer. Nur ganz leicht konnte man die Müdigkeit unter der Fassade sehen. Rick musste grinsen. Anderen würde es wahrscheinlich gar nicht auffallen, aber er kannte Steve so gut, er konnte jede Regung seines Gesichts deuten und verstand meistens auch ohne Worte, was der andere Frosch dachte oder meinte. Er dachte sich selbst, dass das ja kein Wunder sei. Immerhin waren sie jetzt schon seit sechs Jahren Freunde und hatten einige Zeit auch zusammengewohnt.
Bei diesem Gedanken musste Rick unwillkürlich schlucken. Er hatte damals nicht auseinanderziehen wollen. Gern wäre er in seiner vertrauten WG mit Steven geblieben, hätte seinen besten Kumpel weiterhin jeden Tag gesehen. Aber Steven hatte befunden, dass er endlich mal eine ganz eigene Wohnung nur für sich allein haben wollte, also hatte er sich mit Marti und Dominik neue WG-Partner gesucht. Die beiden waren auch super Mitbewohner, lustig, immer für einen Spaß zu haben, aber eben doch anders als Steven...

Steve PoV:
Im warmen Wasser hatte Steven endlich Zeit nachzudenken. Deshalb hatte er baden wollen, um endlich ein bisschen Zeit für sich zu haben. Normalerweise neigte er dazu, Probleme oder unangenehme Gedanken zu verdrängen, um sich bloß nicht damit beschäftigen zu müssen. Aber wenn er die nächste Woche mit Rick überstehen wollte, musste er sich wohl oder übel damit auseinander setzen, was im Moment mit ihm los war.

Rick... Sein bester Freund, seit so vielen Jahren. Ihre Freundschaft war immer unkompliziert gewesen. Sie hatten die gleichen Interessen, den gleichen Freundeskreis, sogar den gleichen Beruf. Sie konnten über dieselben Dinge lachen und verstanden einander beinahe blind. Deswegen bezeichneten sie viele Leute in ihrem Freundeskreis als 'altes Ehepaar'. Okay, vielleicht kam das auch daher, dass sie manchmal wie ein solches stritten. Aber selbst dann! Nach fünf Minuten war alles vergessen und sie waren wieder ein Herz und eine Seele. Es war die perfekte Freundschaft.
Doch seit einiger Zeit, genauer gesagt seit einigen Monaten, fielen Steven immer wieder komische Dinge an sich selbst auf. Er sah seinen besten Freund komisch an, dachte komische Gedanken und tat komische Dinge. Wann das angefangen hatte, konnte er selbst nicht so genau sagen. Er wusste auch nicht, woher es kam oder was es sollte. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie nicht mehr zusammen wohnten. Oder damit, dass sie, seit sie in das Büro gezogen waren, nicht mehr so oft zusammen in Ricks Wohnung abhingen. Früher hatten sie dort schließlich immer gedreht. Woher es auch kam, es musste aufhören. Hinterher erwischte Rick ihn noch bei einem seiner merkwürdigen Blicke und dachte sonstwas! Und wie sollte er sich dann erklären? Er wusste es nicht. Er konnte es sich ja noch nicht einmal selbst erklären.
Vor allem, wenn er Videos schnitt, fiel ihm immer öfter auf, dass er für die Sequenzen mit Rick unfassbar lange brauchte. Und dass, obwohl er eigentlich derjenige der beiden war, der schneller schneiden konnte. Meistens saß er einfach fünf Minuten da und ließ die Szene wieder und wieder laufen, sah sich Rick ganz genau an, seine Gestik, Mimik oder einfach nur seine Augen oder Haare. Und das mit völlig leerem Gehirn. Er dachte über nichts nach und hatte auch keine sonderlichen Gefühle dabei. Dachte er zumindest.
'Was, wenn doch?' murmelte plötzlich eine leise Stimme in seinem Kopf.
'Ach, halt die Klappe!' dachte Steven.

Okay, so hatte das keinen Sinn. Selbstgespräche zu führen war nie gut, nicht mal wenn sie im eigenen Kopf stattfanden. Deshalb musste er schnellstmöglich wieder zu seiner alten Strategie zurückfinden und das Problem einfach ignorieren. Frei nach dem Motto 'Kommt von selbst, geht von selbst'. Also stand er auf, trocknete sich ab und kam, nur mit einem Handtuch um die Hüften, wieder in's Zimmer.

Dort fand er, schlafend auf seinem Bett, Rick vor, die eingeschaltete Kamera vor ihm liegend. Er schüttelte grinsend den Kopf. Erstmal schön Akkulaufzeit verballern, is klar.
"Hey, aufwachen, Schlafmütze! Du wolltest duschen? Das Bad ist frei!" rief er und schaltete die Kamera aus. Rick blinzelte. "W-was? Ach ja", murmelte er, stand auf und schob sich an Steven vorbei ins Badezimmer.

Rick PoV:
Rick hatte sich tierisch erschreckt, als Steve auf einmal halbnackt vor ihm stand. Was sollte das denn? Hätte er sich nicht direkt anziehen können?! Deswegen war er sofort ins Bad geflüchtet. Er zog sich aus, drehte das heiße Wasser der Dusche auf und stellte sich darunter. Tief durchatmen. 'Ja, Steven hat einen tollen Körper. Aber das sagt jeder, das heißt doch nichts. Mach' dich nicht verrückt!' dachte er sich, während es das heiße Wasser genoss. 'Du gehst da jetzt raus und benimmst dich wie immer. Ihr geht die Reiseplanung durch, esst vielleicht noch was und dann haust du dich hin. Und Morgen sieht schon wieder alles ganz anders aus.' Er atmete zwei Mal tief durch. Dann stellte er das Wasser ab, nahm sich ein Handtuch und trat vor den Spiegel. Er war ein wenig beschlagen, deshalb wischte er mit der Hand darüber.
Dann musterte Rick sich. Er gab es zwar nur selten zu, aber er hatte leichte Komplexe. Hängende Schultern, eine krumme Wirbelsäule und der kleine Bauch - das alles klang nicht besonders sexy. Was hätte er früher nicht alles für Stevens Figur gegeben! Meistens fanden die Mädels auch eher Steven cool und nicht ihn. Er war eher der Kumpel-Typ, nicht dass das etwas Schlimmes war. Aber manchmal wollte man eben nicht nur der Kumpel sein! Resigniert wandte Rick sich von seinem Spiegelbild ab und kam aus dem Bad.

"Hey Rick, wusstest du, dass man die Fenster hier komplett aufmachen kann?", fragte Steven, als er wieder ins Zimmer kam. "Was?! Ach du Scheiße!", antwortete er. Seine Höhenangst schlug wieder zu. Steven stand am Fenster und sah hinaus. Er hatte sich wieder angezogen, er trug ein graues T-Shirt und eins seiner karierten Flanellhemden zur Jeans. Auch Rick zog sich wieder an und setzte sich dann hin, um mit Steven den Plan der kommenden Tage durchzugehen.

Steve PoV:
Nachdem sie den Reiseplan durchgesprochen hatten, wollten sie noch ein bisschen filmen. Also zückte Steve wieder die Kamera und stellte sich ans Fenster, wo das beste Licht herrschte. Rick kam dazu, wagte es aber nicht, runter zu schauen.

"Wow!", sagte Steven und nahm die Hand von der Linse. "Und schon befinden wir uns im Hotel. Ich hab' grade richtig geil gebadet, was ich seit hundert Jahren nich' gemacht habe", erklärte er den Zuschauern lachend und sah dann zu Rick. "Und ich habe geduscht", erwiderte sein Freund. "Und jetzt befinden wir uns im - welchen Stock nochmal? 30.? 31.?" - "Nein, das ist der 29.", klärte Steven ihn auf. "29. Stock", wiederholte Rick und klang darüber nicht sonderlich begeistert. Steven nickte zustimmend. "Alter, das ist so fucking hoch!" Typisch Rick, mit seiner Höhenangst. Steven drehte sich zum Fenster und öffnete es mit den Worten: "Ach und übrigens, das ist einer der wenigen Hotels hier, bei denen man die Türen komplett auf machen kann, ja. Und, äh, sowas machen kann." Steven hielt die Kamera aus dem Fenster und filmte 29 Stockwerke nach unten. Aus dem Hintergrund tönte ein "Aaah" von Rick. "Mach das nich'!" Steven holte grinsend die Kamera wieder rein, während Rick zum Fenster ging und es zuschob. "Cool, ne?", lachte Steven. Rick erwiderte: "Vor allem nich' mit der Kamera!"
Steven musste grinsen. Ricks Höhenangst galt nicht nur ihm selbst, auch andere Leute waren nicht sicher. Egal ob sie selbst unter Höhenangst litten oder nicht. Er fand das irgendwie nett von ihm, weil es an einen gewissen Beschützerinstinkt erinnerte. Sie filmten noch ein bisschen weiter, Steven so aufgedreht wie immer, Rick ruhig am geschlossenen Fenster stehend, dann schalteten sie die Kamera aus. 

"Willst du's dir nochmal ansehen, oder gehen wir direkt was essen?", fragte Steven. Rick sah ihn nur an. "Oookay, erstmal was essen", beantwortete Steven sich diese Frage lachend selbst, packte die Kamera ein und ging seinem Freund voran aus dem Zimmer. 

2 Boys 1 Kap - zwei Frösche in SüdafrikaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt