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Steve PoV:
Steven wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte, aneinander gelehnt, einander Halt gebend. Doch plötzlich meldete sich seine Blase. Widerstrebend löste er sich von seinem besten Freund, der ihn fragend ansah. "Muss mal pissen", erklärte er, stand auf und ging ins Bad. Hier konnte er seinen Herzschlag beruhigen. Dass Ricks Nähe in so nervös machte, hätte er auch nie für möglich gehalten.

Während er sich die Hände wusch, musste er unwillkürlich grinsen. Im Grunde hatte sich nichts geändert und doch war irgendwie alles anders. Diese durchzechte Mittwoch-Nacht und der trunkene Kuss auf die Wange hatten einiges ins Rollen gebracht. Aber es sah so aus, als würde sich alles zum Guten wenden.

Als Steven zurück ins Zimmer kam, hatte Rick sich in seinem Bett zusammengerollt und schlief. Im Schlaf lächelte er. Steven musste grinsen. Es war ein langer und anstrengender Tag gewesen, für sie beide. Leise ging er zum Fenster und zog die Vorhänge zu. Dann zog er sich im Halbdunkel aus und legte sich in sein Bett, mit dem Gesicht zu Rick. Eine ganze Weile sah er seinem Freund beim Schlafen zu. Dann meldete sich auch bei ihm die Müdigkeit. Er legte seine Brille auf den Nachttisch. Nachdenklich betrachtete er sie. Rick hatte sie nie schön gefunden. Insgeheim verfluchte Steven sich, dass er keine Kontaktlinsen mitgenommen hatte, das wäre sonst eine schöne Überraschung für Rick geworden. Aber daran konnte man nun nichts ändern. Schulterzuckend drehte er sich um und schlief kurze Zeit später ein.

Zeitsprung: Am nächsten Morgen.

Rick PoV:
Rick wurde von einem Kitzeln an seinem nackten Arm geweckt. Er blinzelte. Steve strich mit seinen Fingerspitzen über seine Haut. Rick sah zu ihm hinauf. "Guten Morgen, Schlafmütze",  lächelte Steven. "Guten Morgen", gähnte Rick. "Wie spät ist es?" Steve sah auf sein Handy. "Halb zwölf gleich. Das Frühstück hast du verpennt. Nach dem anstrengenden Tag hast du dir aber auch mal ein bisschen Schlaf verdient", lächelte sein bester Freund ihn an.

Plötzlich fiel Rick die Frage wieder ein, die er kurz vor dem Einschlafen gehabt hatte. Er hatte sich, müde wie er war, als Steven auf die Toilette gegangen war, in's Bett gelegt und war eingeschlafen, bevor er die Frage stellen konnte. "Sag mal, ich hab' noch 'ne Frage, wegen gestern", sagte er also und setzte sich auf. Die Decke rutschte herunter und gab seine nackte Brust frei. "Ja?", fragte Steven und sah ihn an. Er saß auf seiner Bettkante und war bereits vollständig angezogen. Wahrscheinlich war er sogar schon beim Frühstück gewesen. "Also, du meintest ja, ich mach' dich nervös. Meine Augen, meine Bewegungen, wenn ich nur in Boxershorts schlafe..." Rick sah an sich herunter und errötete leicht. "Warum? Findest du mich etwa schön?", fragte er ungläubig. Steven lächelte. Diese Unsicherheit fand er regelrecht süß. "Schönheit liegt im Auge des Betrachters, Rick, das weißt du doch", antwortete er und sah seinen Freund liebevoll an.

Rick dachte über diese Antwort nach. Irgendwo hatte er das doch schonmal von Steven gehört. Dann erinnerte er sich: "Das Newdoo-Interview von vor 2 Jahren! Da hast du gesagt, dass das stimmt, das Schönheit tatsächlich im Auge des Betrachters liegt. Warte mal... Hattest du damals etwa auch schon mich vor Augen?" Rick sah seinen Freund mit großen Augen an. "Schon, irgendwie", antwortete Steven. "Aber nicht so, wie du jetzt denkst. Du hast selbst immer eher auf deinem Äußeren rumgehackt und ich habe schon die eine oder andere Frau gesehen, die dich wegen irgendwas an deinem Aussehen hat abblitzen lassen. Ich dachte aber, dass es nicht an dir liegt, sondern an den Frauen. Sie finden dich vielleicht nicht schön, andere Frauen dafür umso mehr. Und ich eben auch, irgendwie. Also jetzt. Verstehst du?" Rick nickte langsam. "Ich glaube schon."

Steve PoV:
Steven war beeindruckt. Dass er sich an das Newdoo-Interview überhaupt noch erinnerte! Er selbst hatte es fast vergessen. Doch es stimmte, was er gesagt hatte. Nicht jeder fand jeden wunderschön. Steven Rick allerdings schon.

"Okay, ich hab' noch eine Frage", sagte Rick nach einer Weile. "Schieß los!", ermunterte Steven ihn und stand auf. Er ging zum Sofa und wollte sich setzen. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne. Rick fragte: "Das mit Lara. Ist da noch was?" Er wusste genau, worauf der Freund hinauswollte. Er wurde rot. Scheiße, warum wurde er rot? Es war doch nichts mehr. Er empfand nichts romantisches mehr für sie! Wenn er sich jetzt umdrehte, sah Rick sein rotes Tomatengesicht und zog sofort seine Schlüsse. Also blieb Steven wie angewurzelt stehen. "Wie kommst du darauf?", fragte er. Rick räusperte sich. "Na, wegen dem Telefonat gestern. Du hast so, so normal gewirkt." Steven musste grinsen. Langsam normalisierte sich seine Gesichtsfarbe wieder, also drehte er sich um. "Rick. Du weißt doch, dass ich nicht so mürrisch sein kann wie du." Rick fing an zu grinsen. "Stimmt, du warst schon immer eher der nette Schleimer-Streber-Typ", sagte er gehässig. Steven streckte ihm die Zunge 'raus. "Siehst du! Deshalb war ich am Telefon so freundlich zu ihr. Ich kann nicht anders! Aber nein, da ist nichts mehr. Die Alte ist verrückt, schon vergessen?" Rick nickte. "Okay. Dann ist gut." Mit diesen Worten erhob er sich und schlurfte ins Bad.

Steven setzte sich und dachte nach. Rick fand es gut, dass mit ihm und Lara nichts mehr war? Lag das nicht irgendwie auf der Hand? Dass es Rick überhaupt interessierte, wunderte Steven schon. Normalerweise hielt er nichts von Beziehungsdramen. Steve schüttelte den Kopf und begann, die Aufnahmen vom Vortag zu sichten.

Rick PoV:
Im Bad stieg Rick zunächst mal unter die Dusche. Hier konnte er in Ruhe nachdenken. Steven fand nichts mehr an Lara. Das beruhigte ihn. Auf eine merkwürdige Art und Weise machte es ihn sogar froh. Denn wenn Steven noch was für Lara empfinden würde, würde er ja nicht mehr als die altbekannte bloße Freundschaft für ihn fühlen. Und das wäre nicht das, was Rick sich wünschen würde. Denn dass da mehr war als bloße Freundschaft, darüber war er sich im Klaren. Nur was es war musste noch definiert werden.

Er trat aus der Dusche und besah sich im Spiegel. Dann war da noch die andere Sache. Steven fand ihn schön. Ihn, den kleinen, buckligen Jungen mit den hängenden Schultern und dem Bierbauch. Ihn, mit der hohen Stirn und den wirren Locken. Es stimmte, viele Mädchen hatten ihn abblitzen lassen, weil er ihnen nicht hübsch genug war. Sie wollten meist nur Stevens Nummer von ihm. Und er selbst war auch nicht besonders überzeugt von seinem Körper. Steven dagegen... er war wunderschön. Aber das war nunmal nicht zu ändern. Seufzend schlang Rick sich ein Handtuch um die Hüften und trat aus dem Bad. "Sorry, ich zieh' mich gleich an!", rief er, als Steve ihn mit großen Augen ansah. "Steve? Alles okay? Ich zieh' mich schon an", sagte er noch einmal, als sich Stevens Miene nicht im geringsten veränderte. "Das, das isses nich'", antwortete Steven. "Sondern?", fragte Rick argwöhnisch und bemerkte erst jetzt die Kamera in Steves Hand. "Ich hab' grad' die Aufnahmen von Gestern gesichtet. Du hast tatsächlich gedacht, ich hätte Angst im Heli?" Rick nickte betreten. Dann sah er zu Boden. "Sorry", murmelte er.

Plötzlich war Steve bei ihm. "Das ist echt lieb von dir", sagte er und hob Ricks Kinn mit einem Finger an. "Sieh mich doch mal an. Ich bin's Steve, erinnerst du dich?" Rick musste lachen. "Dunkel, aber ja", antwortete er grinsend. "Aber, um ehrlich zu sein, ich hatte keine Angst. Ich fühlte mich so beobachtet von dir. Ich dachte, du würdest mich anstarren und das hat mich nervös gemacht. Deshalb war ich so verkrampft." Rick atmete erschrocken ein. "Echt? Und ich dachte, es wäre nett gewesen, dich vorne sitzen zu lassen. Mist, dann hätte ich ja doch nach vorne gekonnt!" Steve verschränkte die Arme vor der Brust. "Na, schönen Dank auch! Und jetzt zieh' dir gefälligst was an, damit wir endlich aus diesem Zimmer rauskommen! Ich möchte noch ein bisschen die Stadt erkunden", sagte er gespielt ernst. Rick kannte ihn, er war nicht böse. Also lachte er und ging zum Schrank, um sich saubere Klamotten zu holen.

Den Rest des Samstags verbrachten sie damit, die Stadt zu erkunden, einige Souvenirs zu kaufen und in Cafés und Bars zu sitzen und das tolle Wetter zu genießen. Es war ein entspannter Tag, der letzte volle vor der Heimreise.

2 Boys 1 Kap - zwei Frösche in SüdafrikaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt