Eine Entscheidung

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Kyla war hin und hergerissen. Sollte sie ihre Gabe zum Wohle der Rebellen einsetzten und diese im Kampf gegen den Herzog unterstützen. Dies erhöhte jedoch auch das Risiko für Rebellen. Oder war es nicht besser die Rebellen zu verlassen und alleine auf eigenes Risiko den Herzog zu bekämpfen. Dann wären die Rebellen nicht mehr so in dessen Fokus. Ihr Verstand sagte ihr dass es besser wäre zu gehen, doch ihr Herz wollte unbedingt bleiben. Sie hatte hier in der kurzen Zeit eine neue Familie gefunden, bei der sie sich sicher und geborgen fühlte. Erik und Simon waren wie große Brüder zu ihr. Mona genauso wie alle anderen in der Burg hatte sie wie ein Familienmitglied aufgenommen und sie mit mütterlicher Fürsorge umgeben. Es es würde ihr sehr schwerfallen dies alles wieder aufzugeben. Doch ihr war klar, dass der Herzog vor nichts zurückschrecken würde um sie in seinen Besitz zu bringen. Sie hatte bereits eine Familie durch ihn verloren. Ihr Herz war ihr schwer seit diesem Gespräch mit Erik und Simon.

Sie hatte um besser nachdenken zu können die Burg verlassen und folgte einem kleinen Fluss aufwärts. Nach einer Weile hörte sie ein Rauschen welches mit jedem Meter lauter wurde. Durch die Bäume konnte sie erkennen dass sich an dieser Stelle das Wasser in einem Wasserfall in einem kleinen See herunterstürzte. Als sie im Schutz der Bäume an den Rand des Sees getreten war, sah sie, dass oberhalb des Wasserfalls an der Kante Erik stand. Mit dem Kopf voraus sprang er den Wasserfall hinunter in den See. Kurz danach sah sie ihn auf einen Felsen direkt unter dem Wasserfall klettern. Während sie so das Spiel seiner Muskeln beobachtete, begann ihr Herz zu klopfen und ein seltsames Kribbeln durchzog ihren Körper. Irritiert von diesen Gefühlen zog sie sich in den Wald zurück.

Sie saß an einen Baum gelehnt und lauschte den Geräuschen des Waldes. Lange hatte sie mit sich gekämpft und überlegt was sie tun sollte. Tränen hatte sie vergossen, denn es fiel ihr schwer und sie wollte nicht noch mehr geliebte Menschen auf ihrem Weg verlieren. Sie schloss die Augen um sich ein wenig auszuruhen. Plötzlich sah sie Bilder, Szenen und Menschen. Die meisten Menschen kannte sie nicht, aber auch Erik spielte in ihrer Vision eine Rolle. Sie hörte die Menschen sprechen und versuchte dem Zusammenhang zu verstehen. Sie selbst kam ihrer Vision nicht direkt vor, aber es ging in den meisten Szenen mehr oder weniger um sie - um sie und ihre Gabe. Die Vision dauerte nur wenige Minuten, doch sie war danach sehr erschöpft als wenn sie schwere Arbeit verrichtet hätte. Sie kannte das noch von ihrer Mutter. Schließlich fiel sie einen traumlosen Schlaf 

Als sie erwachte, stand die Sonne kaum noch über den Baumwipfeln. Eilig machte sie sich auf den Weg zurück zur Burg. Kurz bevor sie den Eingang erreicht hatte kam ihr Erik mit ernstem Gesicht entgegen. "Zum Henker mit dir, wo warst du den ganzen Tag?" "Im Wald, ich musste nachdenken.", antwortete Kyla. "Wie sollen wir dich beschützen, wenn du einfach die Burg verlässt und es nicht einmal für nötig befindest, uns mitzuteilen, wohin du gehst.", herrschte er sie an. Kyla schwieg ob dieser Vorwürfe. Im Grunde hatte er recht, es war etwas leichtsinnig von ihr gewesen, doch ganz hilflos fühlte sie sich trotz der Gefahren nicht. Trotzdem wunderte sie sich über die Heftigkeit seines Ausbruchs. Etwas trotzig erwidert sie schließlich: "Du setzt dich ja auch leichtfertig der Gefahr aus und nimmst am helllichten Tag alleine im Wald ein Bad."  Sie lächelte vor sich hin als sie sich daran erinnerte was sie am Wasserfall beobachtet hatte. Erstaunt und leicht irritiert starrte er sie an: "Du hast mich gesehen?" Sie nickt lächelnd. "Was hast du genau gesehen?" Er sah sie forschend an. Sie hielt seinem forschendem Blick stand, dennoch huschte eine leichte Röte über ihr Gesicht. "Nicht viel und dennoch genug.", antwortete sie vielsagend und setze lächelnd ihren Weg fort. Da war wieder dieses Kribbeln in der Magengegend, welches sie nicht genau zu deuten vermochte.

Am nächsten Tag packte sie heimlich ein paar Sachen zusammen. Ihre Vision bestärkte sie darin, dass sie das richtige tat. Sie hatte sich entschieden, sie würde gehen und auf sich gestellt den Herzog bekämpfen. Es war besser für alle. Doch ganz unbemerkt blieben ihre Aktivitäten doch nicht. Als sie die Burg durch einen Nebeneingang verlassen hatte, stand plötzlich Simon vor ihr. "Wo willst du hin?", fragte er sie ruhig und interessiert. Sie errötete leicht. "Ich muss gehen. Es ist besser für uns alle, glaube mir." Er sah sie nachdenklich an: "Auch wenn ich dich nur sehr ungerne gehen lasse, glaube ich dir. Ich kenne allerdings jemanden, der damit ganz und garnicht einverstanden sein wird. Er wird nicht ruhen bis er dich gefunden hat, denn er hat geschworen dich zu beschützen. Erik nimmt so etwas sehr ernst." Kyla sah ihn flehend an: "Bitte, du musst ihn unbedingt daran hindern, mir zu folgen oder mich zu suchen." Er nickte nachdenklich. "Ich werde es versuchen. " Dann nahm er Kyla in die Arme. "Pass auf dich auf kleine Schwester. Und wenn du in Schwierigkeiten geraten solltest, werden wir zur Stelle sein." "Danke!" Sie löste sich aus seiner Umarmung. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sah sie besorgt an. "Ich verspreche dir, dass wir uns Wiedersehen wenn alles vorbei ist.", versuchte sie ihn zu beruhigen. Er nickte lächelnd: "Und dann feiern wir auf meiner Burg ein großes Fest." Sie lächelte und nickte ebenfalls. "Bringen wir es zu Ende!", erwiderte Kyla, dreht sich entschlossen um und ging ihrer Wege. Simon seufze und sah ihr nach.

Wohin dein Herz dich führtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt