Seltsame Begegnung

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In der Nacht hatte es geschneit und den Wald in eine weiße Winterlandschaft verwandelt. So schön der Wald nun auch aussah, so tückisch war auch der Schnee für die Waldbewohner. Sie konnten sich nun nicht mehr unbemerkt im Wald bewegen, denn die im Schnee hinterlassenen Fußspuren waren zu verräterisch. Um die Schergen des Herzogs nicht geradewegs zum Lager zu führen, verließen die Bewohner das Lager nur noch zum Jagen und das auch nur auf verschlungenen Pfaden. Auch Kyla wurde das Verlassen des Lagers verwehrt. So saß sie nun erst einmal fest und hatte viel Zeit zum nachdenken.
Sie dachte auffallend oft an Erik. Immer wieder sah sie ihn in Gedanken vor sich. Die Gefühle für ihn verwirrten sie. Auch drängt sich immer wieder die Frage auf, was er wohl für sie empfand. Doch neben den Gedanken an Erik beschäftigte sie natürlich auch, wie sie den Herzog bezwingen könnte. Eine rechter Plan wollte ihr nicht einfallen. Sie entwickelte immer wieder Strategien und verwarf sie wieder. Mit jedem Tag, der verging, wurde sie unruhiger.
Nach einer Woche hielt sie es nicht mehr aus und verließ das Lager heimlich. Doch ganz unbemerkt war ihr Tun doch nicht geblieben. Ein Reiter verborgen im Dickicht des Waldes beobachtete, wie Kyla den Wald in Richtung Sassenau verließ.

Sie wollte endlich in die Stadt. Ganz in die Nähe des Mannes, der ihr altes Leben, ihre Familie und vertrautes Umfeld von einem auf den anderen Tag zerstört hatte und außerdem sie um jeden Preis in seinen Besitz bringen will. Jeder hätte ihr geraten, soweit weg wie möglich zu fliehen. Doch sie wollte und konnte nicht weglaufen. Zuviel Leid hatte dieser Mann schon über das Land und seine Menschen gebracht. Das musste endlich ein Ende haben. Sie wusste, dass sie dafür bestimmt war, doch sie hatte auch Angst. Ihre Visionen hatten ihr zwar den Weg nach Sassenau gezeigt und dass sie neue Freunde finden würde, die ihr möglicherweise helfen würden, doch ihr eigens Schicksal und was auf sie zukommen würde, blieb im Dunkeln. Sie ahnte nur, dass sie sehr stark sein musste, um gegen den Herzog zu bestehen und ihn letztlich zu besiegen.

Sie betrat die Stadt durch das große Stadttor, welches gut bewacht wurde. Doch eine junge Frau betrachtete man anscheinend nicht als Bedrohung. Mit offenem Mund ging sie nun durch die belebten Straßen, staunte über die vielen prachtvollen Häuser, die vielen gut gekleideten Leute und das rege Treiben in den Straßen bis sie vor dem Tor zum prunkvollen Schloss des Herzogs stand. Die Wachen verscheuchte sie schließlich. 'Ich muss da irgendwie reinkommen.', murmelte sie vor sich, 'Oder er halt raus, so dass ich ihn erwischen kann.' Als sie wieder hoch schaute, blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte durch die Menschenmassen auf einen Punkt. Ca. 20 m von ihr stand an der Ecke einer Gasse stand ein Mann mit einem Bart, schlicht gekleidet mit einem langen Umhang und einer Kapuze, die sein Gesicht größtenteils verdeckte. Sie spürte, dass er sie ebenfalls intensiv ansah. Doch bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, wurde sie angerempelt und weg gestossen. "Hey, Weib, steh' hier nicht so rum wie ein Pfahl." "Schuldigung.", antwortete sie verwirrt. Als sie wieder in Richtung des geheimnisvollen Mannes sah, war dieser verschwunden. Irgendwie erinnerte sie diese seltsame Begegnung an ihr erstes Zusammentreffen mit Erik. Sie schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Oder etwa doch? Plötzlich fühlte sie sich sehr unwohl, weil sie das Gefühl hatte, dass alle Leute sie anstarrten. Sie nahm ihre Beine in die Hand und eilte aus der Stadt wie ein gehetztes Tier. Erst als sie sich wieder im Schutz des Waldes befand, hielt sie inne und ließ sich erschöpft in den Schnee sinken.

"Wat machst du denn hier?", fragte eine Stimme. Sie sah auf und blickte in das Gesicht von Jo, der direkt vor ihr stand. "Is was passiert?", fragte er besorgt, als er ihr bleiches, verwirrtes Gesicht sah. So verstört kannte er Kyla gar nicht. Sie rappelte sich auf und blickte Richtung Sassenau. "Ich hatte vorhin eine seltsame Begegnung in der Stadt.", antwortete sie leise. "Du warst in der Stadt? Alleine? Bist du verrückt?", regte sich Jo sichtlich besorgt auf. "Mich kennt doch keiner dort.", erwiderte Kyla entschuldigend. "Und wem biste nu begegnet, der dir solch einen Schrecken einjagdt?", bohrte Jo nach. "Ich weiß es ja eben nicht. Ich weiß nur, dass dieser Mann für mich und mein Schicksal noch von großer Bedeutung sein wird.", antwortet Kyla nachdenklich. " "Und woher willste das so genau wissen, wenn du gar nicht weisst, wer das war?" "Ich habe es sofort gespürt als ich ihn sah." "Aha. Noch ein Grund mehr, nich mehr alleine hier rumzustromern. Hier laufen viele zwielichtige Gestalten rum." Kyla nickte und folgte wortlos und in sich gekehrt Jo auf ihrem weiteren Weg zurück ins Lager. Dort zog sie sich sofort zurück und erschien auch nicht zum Abendessen. Nachdem sie sich auch am nächsten Tag nicht blicken ließ, machte Jo's Mutter sich so langsam Sorgen. Was war mit Kyla geschehen?

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