1.Kapitel

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Lilly rannte über die Straße und lief den Bürgersteig entlang. Immer wieder drehte sie sich um, um sicher zu gehen, dass ihr niemand gefolgt war. Obwohl dass gar nicht sein konnte, denn sie lief seit gestern Abend und war mit vielen Straßenbahnen gefahren, um möglichst viel Abstand zwischen sich und ihre Verfolger zu bringen.
Jetzt ging die Sonne schon wieder langsam wieder unter und sie hatte Hunger und war müde. Das mit dem Hunger hätte sie schon in den Griff bekommen, hätte einfach irgendwo an einem der Obststände in der City etwas mitgehen lassen, aber zum Schlafen wollte sie sich ungerne in den Park oder neben eine Straße legen. Dafür war sie zu Stolz!

Die Stadt in der sie sich befand müsste South Shields sein, das hatte sie auf einem Verkehrsschild gelesen, an dem sie vorbei gekommen war. Fieberhaft überlegte sie, an wen sie sich wenden könnte und wo sie schlafen sollte. Lilly kannte sich in der Stadt nicht aus, sie war noch nie hier gewesen und hatte weder Freunde, noch Verwandte hier. Da sie auch kein Geld dabei hatte, schieden sowohl ein Hotel, als auch ein Hostel aus.
Als ihr wirklich nichts besseres einfiel, beschloss sie, einfach an irgendeiner Tür zu klingeln und zu fragen, ob jemand sie auf seiner Couch schlafen lassen ließ. Das hatte Brady, ihr bester Freund, ihr auch mal erlaubt, wenn sie mal wieder ausgerissen ist war. Auf den Mund gefallen war sie noch nie.
Langsam ging sie die Straße des Viertels hinunter, indem sie sich gerade befand. Große, alte Villen erstreckten sich über beide Straßenseiten. Noch nie hatte sie so schöne Häuser gesehen. Lilly ließ den Blick über die Reihen und Klingelschilder gleiten, doch keiner der Namen sprach sie besonders an.

Das große weiße Haus, eine Reihe weiter, stach ihr direkt ins Auge. Riesige Fenster zierten die, zur Straße zeigende Hauswand. Diese waren jedoch alle mit hellblauen Vorhängen zugezogen. Der Garten war geschmückt mit einer vielzahl an Blumen. Jedenfalls soweit man durch die hohe Hecke erkennen konnte. Auf dem Klingelschild des Holztores standen vier Namem: Edwards, Nelson, Pinnock und Thirlwall. Alles deutete auf eine WG hin. Das einzige komische an dem Schild war der fünfte Name, der etwas kleiner unter den anderen Namen stand: Little Mix?
Lilly wunderte sich nicht weiter darüber, wahrscheinlich hatten die vier ihrem Haus einen Namen gegeben. Verrückt und eine WG also. Da standen die Chancen, dass sie dort übernachten könnte, viel höher, denn bei einer WG machte einer mehr oder weniger auch keinen Unterschied, oder? Und fragen kostete ja nichts.

Vorsichtig öffnete sie das Gartentor und lief über den Kiesweg entlang bis zum Haus. Vor dem Haus ergriff sie die Angst. Würden sie sie abweisen und sie würde doch auf der Straße schlafen müssen? Das sie nicht auf den Mund gefallen war, bedeutete in ihrem Fall eigentlich doch nur, dass ihr Mund unglaublich schnell Dinge aus ihrem Kopf aussprach,ohne sich mit ihrem Gehirn abzusprechen. Eigentlich war sie sogar etwas schüchtern. Würden sie sie für verrückt halten, weil sie jemand Fremden um einen Schlafplatz bat?
Einige Minuten stand sie einfach nur vor der großen weißen Tür und wartete, bis sie ihre Angst in den Griff bekommen hatte. Sie schaute an sich runter. Ihre dünnen Beine steckten in einer hellen, blauen Jeans, darüber trug sie ein lockeres weißes Top, mit der Aufschrift: Never give up. Wie passend. Die Größte war sie nicht, aber mit ihren 1,67 zählte sie auch nicht mehr zu den ganz Kleinen. Ihre langen, braunen Haare trug sie zu einem hohen Zopf gebunden. Hoffentlich sah sie nicht allzu unordentlich aus.

Lilly nahm allen Mut zusammen und drückte einmal schnell auf die Klingel. Sie wartete viel zu kurz, bevor sie sich schnell umdrehte und loszulaufen begann. Dabei ärgerte sie sich in Gedanken über ihre wahnsinnig dumme Idee. Sie war schon ein paar Schritte von der Tür entfernt, als eine helle Stimme vom Haus aus rief: "Hey wolltest du zu uns?" Und als sie sich umdrehte blickte sie in zwei strahlend blaue Augen, die zu einem blonden Mädchen gehörten.

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