Mia zuckte zusammen, als Tim ihr eine Hand auf die Schulter legte. Sie hatte gar nicht gehört, wie es zu ihr herüber gekommen war. „Kann's losgehen?", fragte er.
Vor lauter Aufregung begann ihr Herz merklich schneller zu schlagen. „Klar.", war alles, was sie hervorbrachte.
Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend folgte sie Tim. Nachdem sie einen langen Gang erfolgreich hinter sich gelassen und durch eine große Brandschutztür getreten waren, erstarrte Mia angesichts des Trubels, der hier herrschte.
„Oh, fast vergessen.", sagte Tim neben ihr und zog irgendetwas aus seiner Hosentasche hervor, was er um ihren Hals hängte. Verwirrt besah Mia sich ihr neues Accessoire. An einem schmalen schwarzen Schlüsselband befand sich ein laminiertes Kärtchen, auf dem groß „VIP" prangte. Nun verstand sich gar nichts mehr.
„Komm.", sagte er, griff nach ihrem Handgelenk und zog sie mit sich. Im Vorbeigehen sah Mia allerlei an Technik, viele Menschen die in Eile zu sein schienen und musste über unendlich viele Kabel steigen.
„Okay, hier ist unser Platz.", erklärte Tim, der plötzlich stehengeblieben war und auf eine Reihe von Klappstühlen zeigte. Linkerhand befand sich ein großer, schwarzer Vorhang. Als Mia sich zur anderen Seite umblickte, machte sich dort gerade ein in schwarz gekleideter Typ an den herumliegenden Kabeln zu Schaffen. Im Hintergrund hörte sie Stimmengewirr und auch vereinzelte Rufe, was von jenseits des Vorhangs zu kommen schien.
Seufzend ließ sie sich auf den Stuhl fallen und spielte erneut nervös mit dem Saum ihrer Strickjacke. Nach ein paar Sekunden blickte sie zu Tim auf, der noch immer vor ihr stand und sie nachdenklich beäugte.
„Alles klar?", wollte er wissen.
„Keine Ahnung.", gab sie zu.
Tim wurde von irgendjemandem gerufen, drehte sich um und war im nächsten Augenblick mit einem „Gleich wieder da.", verschwunden.
„Oh Mann.", murmelte Mia, zog die Beine an ihren Körper und stellte die Füße auf der Sitzfläche des Stuhls ab. Dann schlang sie ihre Arme um ihre Schienbeine und legte die Stirn auf ihre Knie. In diesem Moment wünschte sie, die Zeit zurückdrehen zu können. Zurück zu heute Morgen beispielsweise, als sie neben Lukas aufgewacht war. Ihn hatte sie in dem ganzen Trubel noch nirgends entdecken können.
Mia verstand einfach nicht, was all das sollte. Was zur Hölle wollte er mit dieser „Überraschung" bezwecken? Momentan war ihr einfach nur unwohl.
„Mia?", wurde sie von einer nur allzu vertrauten Stimme aus ihren Gedanken gerissen. Vorsichtig hob sie den Kopf und blickte direkt in Lukas blaugrüne Augen.
„Gott sei Dank, da bist du ja!", rief sie, sprang auf und fiel ihm um den Hals.
Er hielt sie fest im Arm und vergrub das Gesicht in ihrem Haar. „Du bist hier.", sagte er und es klang, als hätte er nicht damit gerechnet.
„Natürlich!", erwiderte Mia. Sie hatte die Augen geschlossen und hielt ihn so fest, als würde ihr Leben davon abhängen.
Die Rufe jenseits des Vorhangs schwollen allmählich an.
Vorsichtig befreite sich Lukas aus ihrer Umarmung, nahm aber gleich darauf ihr Gesicht zärtlich zwischen seine Hände und blickte ihr fest in die Augen. „Erinnerst du dich noch an dein Versprechen?", fragte er.
„Was meinst du?" Für einen Moment war sie irritiert.
„Dass sich nichts ändert. Zwischen uns."
Sie musste lächeln. „Es ändert sich nichts.", bestätigte sie.
Lukas grinste. „Das hab ich gebraucht.", sagte er nur, bevor er sie leidenschaftlich küsste.
Mia wurde heiß und kalt zugleich, doch nach wenigen Momenten löste er sich plötzlich von ihr. Zielstrebig ging er durch den schwarzen Vorhang. Verwirrt blickte sie ihm nach und fragte sich, was das für ein rotes Tuch war, das hinter ihm her wehte...
Reglos starrte Mia nach einigen Sekunden noch immer auf die Stelle, an der er verschwunden war. Jeden Moment rechnete sie damit, er würde gleich wieder hier auftauchen.
Doch das tat er nicht.
Stattdessen wurden die Stimmen jenseits des Vorhangs noch lauter – wenn das überhaupt möglich war. Gleich danach vernahm sie Lukas' Stimme; nur um ein Vielfaches verstärkt, sodass sie ein paar Sekunden brauchte, um zu realisieren, dass wirklich er da gerade sprach. Er begrüßte das Publikum.
Sein Publikum.
Dann begann er zu singen.
Und mit ihm die gesamte Halle.
Mia ließ sich auf den Stuhl hinter sich fallen, unfähig, irgendetwas zu denken. Die gesamte Situation überforderte sie heillos.
„Hey.", sagte plötzlich eine ihr vertraute Stimme und ließ sich auf den Stuhl neben ihr fallen.
Verwirrt blickte Mia auf und sah in Tims grinsendes Gesicht. Augenblicklich erstarb sein Lächeln.
„Alles klar?", fragte er und klang besorgt.
„Ich glaube schon."
„Große Überraschung, was?"
„Große Überraschung", bestätigte Mia.
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Narben (Alligatoah Fan Fiction)
FanfictionMia hat sich erst kürzlich von ihrem Freund getrennt und ist Hals über Kopf nach Berlin gezogen. Sie kennt niemanden in der Stadt und möchte einen Neuanfang wagen. Ohne Job und Perspektive gestaltet sich all das aber ganz besonders schwierig - sie i...