Kapitel 1

8.8K 251 69
                                    


Kapitel 1

„Ich glaube das nicht!" spie Ron ihr entgegen. „Du lügst!"

„Ron, du kennst mich. Du weißt genau, dass ich nicht lügen kann. Und wieso sollte ich gerade dich und Harry anlügen?"

Ohne ihren Blick von der Zeitung abzuwenden, die den gestrigen Sieg über Voldemort betitelte und schon die Ausmaße eines halben Buches innehatte, tat Hermine Granger den womöglich größten Fehler ihres Lebens. Oder nutzte die womöglich größte Chance ihres Lebens. Im Nachhinein ist man immer klüger, sagte man. Sie war gespannt.

„Nein, so war es nicht gemeint, Hermine! Trotzdem, das alles klingt so was von unglaublich!"

Der Knoten in ihrer Brust zog sich ruckartig enger zusammen. Sie war so ein Miststück. Sie belog ihre besten Freunde aus Eigennutz. Sie kämpfte die Tränen nieder und schaute zu Ron auf. Seine Wangen waren mit roten Flecken überzogen, die er immer bekam, wenn er wütend war. Er starrte mit zusammen gepressten Lippen auf die Schüssel, die auf dem Tisch stand und atmete schnaufend durch die Nase ein und aus.

„Es ist auch für mich noch schwer zu glauben, Ron", begann Hermine vorsichtig. „Aber du warst gestern nicht dabei. Er war auf einmal ein vollkommen anderer Mensch. Als sähe er mich zum ersten Mal in seinem Leben. Und dieser Blick von ihm... es war unheimlich."

Ron sagte immer noch nichts.

„Es schien als wüsste er gar nichts mehr. Draco Malfoy stand jahrelang unter dem Imperius seines Vaters. Und du weißt genau, ich als seine erklärte Feindin und so weiter, würde das nie behaupten, wenn ich mir nicht total sicher wäre!"

Vielleicht war sie doch nicht so schlecht im Lügen.

„Hermine, es ist nur... nach all den Jahren, wie soll ich ihn auf einmal mögen?"

Ron schaute sie fragend an und tausend Stiche jagten wie Dolche durch ihr Herz. Ihr Bauch drehte sich und schrie: Es ist falsch was du tust, es ist so was von falsch! Das wird Konsequenzen haben! Lügen kommen immer wieder ans Tageslicht, und dann bist auch du strafbar!

In ihrem Kopf rebellierte ihr Verstand aber dagegen an: Es ist notwendig, was ich tue! Um all das zu erreichen, wofür ich gekämpft habe, brauche ich Draco Malfoys Unterstützung! Und warum sollte der Schwindel auffliegen? Es weiß doch sonst niemand davon.

Endlich gaben beide Ruhe, doch trotzdem hing ihr der Kloß im Hals.

„Ja, glaubst du mir fällt es leichter? Die ganzen Jahre des Hasses und der Demütigung zu vergessen – das kann ich nicht. Aber zu wissen, dass er das nicht selber war. Und es eventuell zu einer freundlichen Bekanntschaft gereicht hätte..."

„Niemals. Er ist und bleibt ein Slytherin. Das wäre niemals auch nur zu einer freundlichen Bekanntschaft gekommen, selbst wenn er der größte Muggelfreund auf Erden gewesen wäre!" keifte Ron und schaute sie verbittert an.

„Du bist so was von festgefahren, Ronald Weasley!" rief Hermine wütend und stand energisch von ihrem Platz auf. „Du weißt ganz genau, was der Imperius anrichtet, und verdammt! Er tut mir einfach leid. Er sitzt da als fast Hauptschuldiger und weiß noch nicht einmal warum! Ich ertrage viel, aber keine Ungerechtigkeit!"

Bei ihren letzten Worten kämpfte Hermine die Übelkeit nieder, die in ihr aufstieg. Was war sie doch für ein schlechter Mensch. Sie steigerte sich so in diese Geschichte rein, dass sie sie mit so einer Überzeugung erzählte, als wäre sie wahr.

„Falls du mich jetzt entschuldigst. Ich hab noch was zu erledigen."

Sie griff nach ihrer Tasche und ihrem Umhang. Seufzend betrachtete Hermine ihren Freund, der die Welt nicht mehr verstand.

Der DealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt