Kapitel 4: 20. Juni 2014 Freitag

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Nur schwer kann Jez den verweinten Anblick seines kleinen Bruders ertragen. Die letzten beiden Tage - der dritte und der vierte Tag, hier in Köln - haben sowohl Jez, als auch Jeremy nicht mehr darüber gesprochen, wie und ob Jeremy mit zu seinem großen Bruder und seiner Mutter kommen kann.

„Komm her..." Jez hebt beide Arme und wartet darauf, dass sein kleiner Bruder sich von seinem Patz auf seinem Bett erhebt und in seine Arme kommt. Während Jeremy aufsteht und sich auf Jez Schoß niederlässt, laufen erneute Tränen über seine Wangen. Schweigend schließt Jez die Arme um seinen kleinen Bruder und drückt die Wange gegen dessen Hinterkopf. Erst jetzt ist Jez wieder einmal bewusst geworden, dass Jeremy wirklich noch ein Kind ist. In den letzten Monaten musste er sich zwangsläufig so erwachsen und selbstständig verhalten, dass sich das gesamte Unverständnis aufgestaut hat und jetzt musste die geballte Ladung einfach heraus, wo Jez ihm versucht hat zu erklären, dass es auch noch ungewiss ist, wann er ihn und seine Mutter wiedersehen kann.

„Ich will nicht hier bleiben, Jez!" Deutlich kann man aus Jeremys Stimme den Frust und gleichzeitig das Flehen heraushören. Leise seufzt Jez, bevor er sich mit den Rücken wieder gegen die Wand lehnt und seinem Bruder einen Kuss aufs Haar gibt.

„Ich weiß..." Sachte fährt Jez Jeremys Wirbelsäule mit den Fingern entlang. „Ich kann dir zwar nicht versprechen, dass Papa damit einverstanden ist, aber spätestens an deinem zweiten Sommerferientag bis du in Fautenbach, okay?" Jeremy hebt den Kopf und sieht seinen Bruder aus roten, verweinten Augen an.

„Und wie willst du das machen, wenn Papa mir verbietet zu gehen?" Ein Lächeln huscht über Jez Lippen.

„Ich hab da so eine Idee." Er hebt den Zeigefinger und legt ihn sich auf die Lippen. „Aber die verrate ich dir erst, wenn Papa sich wirklich weiter quer stellt." Zwar verzieht Jeremy das Gesicht einen Moment und signalisiert Jez so, dass es ihm nicht gefällt, dass sein Bruder ihm von der 'Idee' erst dann erzählen will, wenn es nicht so klappt wie er hofft, aber dennoch überwiegt dann das Lächeln. Das Lächeln, das entsteht, weil ihm wieder einmal bewusst wird, was sein großer Bruder alles machen würde, nur, dass es ihm gut geht.

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Die Sonne strahlt noch immer durch die Milchglasfenster hell in die Sporthalle, als Jez die Halle zusammen mit Jeremy betritt. Es ist kurz vor sechs Uhr und in ein paar Minuten beginnt das Training der D-Jugend vom VfL Köln. Direkt nach diesem Training findet das Training der A-Jugend statt. Und natürlich will Jez das Angebot von der gesamten Mannschaft, mitzutrainieren, wenn er mal wieder in Köln ist, nutzen. Eigentlich ist es noch viel zu früh, da das A-Jugend Training schließlich erst in zwei Stunden beginnt, aber dennoch hat Jez seinen kleinen Bruder begleitet. Vielleich auch aus dem Grund, weil der Trainer, der jetzt die D-Jugend trainiert, seine eigene Mannschaft von der F-Jugend bis zu C-Jugend trainiert hat. Jeremy verschwindet gleich in der Umkleidekabine, während Jez seine Tasche am Rand der Halle auf den Boden sinken lässt. Cedric, der Trainer der D-Jugend, kommt gerade mit einem Ballnetz voller Handbälle aus dem Geräteraum. Seine Turnschuhe quietschen auf dem erst neu gemachten Boden, als er die Halle durchquert und das Ballnetz zwei Meter von Jez entfernt auf den Boden ablässt.

„Jez." Er wendet sich Jez zu und begrüßt seinen früheren Schützling mit einem Handschlag. „Schön, dass du dich wieder mal in Köln blicken lässt."

„Ganz los werdet ihr mich nie." Jez grinst und sieht seinen ehemaligen Trainer an. Auch wenn manch einer es nicht ganz verstehen kann, Cedric war auch irgendwie eine Stütze für ihn, als seine Eltern sich getrennt haben. Nicht, weil er lange, tiefsinne Gespräche mit ihm geführt hat, sondern weil er nicht wie andere Menschen ständig gefragt hat, ob es ihm gut geht, wenn er mal wieder in der Halle aufgetaucht ist, um sich abzureagieren.

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