Kapitel 6: 22. Juni 2014 Sonntag

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Ganz vorsichtig, um Jeremy nicht zu wecken, krabbelt Jez aus dessen Bett und leuchtet sich mit seinem Handy den Weg zu seiner Tasche. Es hat fast eine Stunde gedauert, bis Jeremy endlich so tief eingeschlafen ist, dass er nicht mehr merken würde, ob sein Bruder noch neben ihm liegt oder nicht. Während Jez den nächstbesten Pulli aus seiner Tasche zieht, schreibt er Emelina. Dann zieht er den Pulli über den Kopf, nimmt sich Jeremys Schlüssel von dessen Schreibtisch und verlässt leise das Zimmer.

Kühle Luft schlägt Jez entgegen, als er das Haus verlässt und der Straße folgt, bis er vor Emelinas Elternhaus steht. Während er durch das kleine Gartentor geht und das Licht durch den Bewegungsmelder angeht, schreibt er Emelina noch einmal. Keine zwei Sekunden, nachdem Jez die Haustür erreicht hat, öffnet Emelina sie. Sie trägt eine kurze Shorts und ein eigentlich viel zu großes T-Shirt. Die Haare hat sie zu einer Mischung aus einem Pferdeschwanz und einem Dutt zusammengebunden. Müde blinzelt sie und legt den Kopf schief.

„Sei froh, dass ich überhaupt nach wach bin..." Sie lässt Jez herein und sieht ihm dabei zu, wie er aus seinen Schuhen schlüpft, bevor sie ihm mit dem Kopf ein Zeichen gibt, ihr zu folgen. So leise es geht, um Noé und Emelinas Eltern nicht zu wecken, folgt Jez Emelina die Treppe hinauf in ihr Zimmer.

Ihr Laptop steht aufgeklappt auf ihrem zerwühlten Bett. Skype ist geöffnet, was Jez darauf schließen lässt, das Emelina noch wach ist, weil sie mit Marlon skypen möchte. Mit einer Handbewegung klappt Emelina den Laptop zu, während sie sich auf ihr Bett fallen lässt und die Decke über die Beine zieht. Erst setzt Jez sich auf die Bettkante, dann lehnt er sich gegen die Wand am Fußende des Bettes und stopft sich Emelinas Kopfkissen in den Rücken, bevor er sich mit beiden Händen durchs Gesicht fährt und leise seufzt. Einzig das Licht der Straßenlaterne, das durch das Zimmerfenster fällt, erhellt den Raum ein wenig. Jez lehnt den Kopf gegen die Wand hinter sich und sieht Emelina in die Augen. Diese sieht ihn mit einer Mischung aus Neugier und Verwirrung an. Jez hat ihr nur geschrieben, dass er jetzt sofort mit ihr reden muss. Noch einmal seufzt Jez, bevor er leise Luft holt.

„Ich habe vorhin nochmal mit Jeremy geredet. Er hat mir gesagt, dass er es hier nicht mehr aushält..." Einen Moment stockt Jez. Natürlich hat Emelina viel von dem ganzen Stress, der die Trennung seiner und Jeremys Eltern betroffen hat, mitbekommen, aber trotzdem nicht so intensiv, dass er hundert prozentig weiß, dass Emelina ihn und Jeremy wirklich versucht zu verstehen, obwohl sie natürlich nicht verstehen kann, wie sie sich fühlen, da ihre Eltern zusammenleben und auch nicht vorhaben, sich zu trennen. „...Ich habe ihm versprochen, dass ich ihn am Anfang von den Sommerferien mit zu Mama und mir hole, egal was Papa sagt..." Jez wartet auf eine Reaktion von Emelina, doch diese sieht ihn einfach nur an und wartet darauf, dass er weiterspricht. „Es sind nur noch drei Wochen, aber trotzdem habe ich irgendwie Angst, dass Jeremy die drei Wochen trotzdem nicht durchhält." Jez unterbricht sich selbst wieder. Schweigend, ohne irgendein Geräusch von sich zu geben, rutscht Emelina neben Jez und kuschelt sich dann einfach an ihn. Früher, als beide dreizehn oder vierzehn Jahre alt waren, ist es oft vorgekommen, dass Jez bei Emelina oder Emelina bei Jez geschlafen hat und sie, wie manche Menschen es sich nicht vorstellen können, einfach rein freundschaftlich nebeneinander, sie in seine Arme gekuschelt, in einem Bett geschlafen haben. Als Jez und Manda dann ein Paar wurden, sind diese Nächte deutlich weniger geworden, aber in den letzten paar Monaten, bevor Jez nach Fautenbach gezogen ist, lagen beide wieder öfter zusammen einfach in einem Bett und haben sich freundschaftlich geneckt oder einfach nur gekuschelt. Jetzt, wo Jez weiß, dass Kimmy in Fautenbach auf ihn wartet, braucht er einen Moment, um sich zu überwinden und einen Arm um Emelina zu legen. Einfach, weil er nicht weiß, wie Kimmy reagieren würde, wenn sie davon mitbekäme. Marlon hat nichts dagegen, dass weiß Jez. Er vertraut seiner Freundin und ihm. Auch wenn sie sich eigentlich nur durch Emelina kennen, weiß Marlon, dass weder Emelina, noch Jez jemals auf die Idee kommen würden, etwas mit dem jeweils anderen anzufangen. Dafür wäre die Angst, den jeweils anderen als besten Freund zu verlieren, viel zu groß. Leise seufzt Jez. „Ich habe echt nicht gedacht, dass Jeremy Papa so einen Dreck interessiert." Jez seufzt leise. Emelina tut es ihm gleich und legt den Kopf dann auf seinen Schoß. Nachdenklich sieht sie ihn von unten herauf an.

Feelings allowed - also for boys!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt