Kapitel 10: 9. Juni 2014 Mittwoch

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Max dreht seinen Handball in einer Hand und sieht Jez dann einen Moment an, bevor er wieder auf den Ball sieht und ihn dann an die gegenüberliegende Wand wirft. Mit einer Hand fängt er den Ball wieder auf. Jez sitzt Max gegenüber, an die Hallenwand gelehnt und lässt seinen eigenen Handball langsam, in kleinen Kreisen, über den Boden rollen. Deutlich sind die dunklen Harzspuren auf dem hellen Ball zu erkennen.

„Ich meine, irgendwie kann ich Kimmy ja verstehen." Jez sieht Max einen Moment in die Augen, bevor er den Blick wieder auf den Ball senkt. In der vergangenen Nacht hat er noch lange darüber gegrübelt, ob er - Kimmy zu liebe - Jeremy anrufen und ihm sagen soll, dass er eine Woche länger in Köln bleiben muss als er eigentlich will. Einerseits will er natürlich nicht, dass Kimmy seinetwegen Angst hat, andererseits würde er Jeremy, nachdem er ihm gesagt hat, dass nicht seine Mutter, sondern er ihn alleine holen wird, mehr oder weniger einen Schlag ins Gesicht verpassen.

„Ich glaube, bei Kimmy ist es verständlich, dass sie Angst um dich hat." Jez sieht wieder auf und mustert Max einen Moment, bevor er leise seufzt.

„Ich weiß, aber deshalb kann ich doch nicht einfach meine Versprechen brechen..." Max legt den Kopf schief und sieht Jez in die Augen. Er kennt eigentlich keinen Jungen in seinem Alter, der sich so liebevoll um seine kleineren Geschwister kümmert und sorgt.

„Hmm...", macht Max deshalb nur leise. „Ich glaube, nicht jeder würde das für seine kleinen Geschwister machen..." Jez sieht ihm einen Moment in die Augen, bevor er den Blick wieder auf den Ball abwendet und leise seufzt. „Ich weiß ja nicht, wie es ist, wenn man so weit auseinander wohnt, aber irgendwie glaube ich, dass ich Alaïa nicht von so weit entfernt holen würde, nur, dass sie ein paar Tage früher bei mir ist. Natürlich ist sie meine Schwester und ich liebe sie auch, aber es ist irgendwie trotzdem..." Max hebt eine Hand und lässt sie wieder sinken. Er weiß nicht genau, wie er Jez erklären soll, dass er persönlich die eine Woche warten würde und nicht selbst fahren würde, um in seinem Fall seine 14-jährige Schwester Alaïa (die im Gegensatz zu ihm einen wirklich ausgefallenen Namen hat) zu sich zu holen. Leise seufzt Jez wieder, als er aufsieht.

„Ich glaub', ich weiß, was du meinst. Aber es ist trotzdem irgendwie... Ich denke mal du würdest sie, so sehr sie dich auch manchmal nerven mag, vermissen..." Max fängt seinen Ball wieder auf und lässt ihn dann auf den Boden sinken.

„Natürlich. Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass nicht jeder sich für seine Geschwister so aufopfern würde." Einen Moment schweigt Max, bevor er Jez wieder aufsieht. „Jeremy kann froh sein, dass er so einen Bruder wie dich hat." Ein Lächeln huscht über Jez Lippen. Das Kompliment, dass er ein richtig guter Bruder für Jeremy ist, hat er schon ein paarmal gehört, aber es von den Menschen zu hören, die ihn so ziemlich am besten kennen, ist eine noch größere Anerkennung.

„Ich muss ihn einfach herholen!", murmelt Jez, als das Lächeln wieder aus seinem Gesicht verschwunden ist. Max legt den Kopf schief und mustert seinen Freund lange.

„Wann willst du eigentlich fahren?" Jez hebt seinen Ball mit einer Hand vom Boden auf und lässt ihn auf seine Beine fallen.

„Am Freitag. Mama hat glaube ich sowieso Mittagschicht, wenn ich nach der Schule losfahre und sage, ich bin am Wochenende bei dir oder so bin, dann merkt sie nicht, wenn ich 'nen Rucksack mitnehm." Max sieht Jez noch immer an.

„Und du denkst, dass dein Vater keinen Aufstand macht, wenn du einfach auftauchst und Jeremy mitnimmst?" Ein belustigtes und gleichzeitig auch ein wenig trauriges Lächeln wandert auf Jez Lippen.

„Er ist nicht mal da. Und ganz ehrlich - er soll sich nicht beschweren. In der einen Woche, in der ich in Köln war, hat er sich kein Stück für Jeremy interessiert." Jez seufzt leise und sieht auf den Ball auf seinem Schoß. „Samstag fahr ich mir Jeremy dann wieder zurück. Papa wird sowieso frühestens Montag merken, dass er weg ist." Max mustert Jez immer noch besorgt. Aber diesmal nicht mehr, weil Jez Jeremy einfach von Köln mitnehmen möchte, sondern weil er gemerkt hat, dass Jez die Trennung seine Eltern doch mehr beschäftigt, als er eigentlich gedacht hat.

Feelings allowed - also for boys!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt