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„Liebes, was hast du denn schon wieder an?", skeptisch fliegen braune Augen meinen Körper auf und ab. Genervt zucke ich nur mit den Schultern: „Du müsstest mich doch mittlerwile eigentlich lang genug kennen, Liam."

Er lacht belustigt auf, seine warme Hand berührt liebevoll meine Taille. „Ich möchte nur nicht, dass du deine tolle Figur hinter so etwas versteckst."

Augenverdrehend hüpfe ich auf den kleinen Mauervorsprung um mich neben meinem besten Freund zu setzen. „Weißt du eigentlich wie lange es dauert eine Latzhose zu nähen? Nein? Dann hör auf mir sinnlose Komplimente ins Ohr zu säuseln, während ich so stolz auf meine Hose bin. Außerdem hab ich keine schöne Figur."

Müde schnaubt es neben mir. Der braunäugige hat noch nie verstanden wieso ich erstens meine gesamte Kleidung selbst nähe und zweitens nicht ein einziges Mal stolz auf meine ach so tolle Figur bin.

„Hast du Lust zu Mittag zu „Mr. Ladys Imbiss" zu gehen? Hab gesehn heute sind Burger im Angebot."

Es klang wie ein Friedensangebot. Fies nur, dass er mich nur all zu gut kennt und weiß, wie sehr ich die zwei aufgeschnittenen Brothälften mit jeder Menge Salat und anderem Zeug dazwischen liebe. Also war es eher Bestechung. So schnell will ich mich noch nicht geschlagen geben: „Ich will noch ein paar bunte Aufnäher dazu nähen", meine Finger fahren den Jeansstoff meiner Hose nach und deuten auf die vorhergesehenen Stellen, „vielleicht gefällt es dir dann besser?"

Das ohrenbetäubende Scheppern der viel zu alten Schulglocke verhindet ihn mir zu antworten, er legt einzig und allein den Kopf schief um mich aus Welpenaugen zu betrachten.

„Hör bloß auf mich so anzusehen", geschlagen knuffe ich ihn in die Seite, „ich komm ja mit zu Mr. Lady."

Mehr als seinen triumphierenden Blick bekomme ich nicht mehr zu sehen. Er hat es wieder einmal viel zu eilig pünktlich ins Klassenzimmer zu kommen. Seufzend trotte ich ihm hinterher, lasse meine Hände in den großen Taschen meiner oversize Latzhose verschwinden. Schule war noch nie mein Ding gewesen.

Umso erleichterter bin ich, als wir uns einige viel zu langsam vergehende Stunden später auf gemütliche Ledercouches in der hintersten Ecke des Restaurants fallen lassen. Wie immer um diese Zeit ist es gerappelt voll, klapperndes Geschirr und sinnlose Gespräche vermischen sich zu einer perfekten Geräuschkulisse.

Der erste Handgriff meines Gegenübers gilt den karierten Gardienen des winzigen Fensters direkt über unserem Tisch. Er schiebt sie sachte zu Seite um Tageslicht in die dunkle Ecke zu bringen. Befreit atme ich aus, das hereingleitende Sonnenlicht lässt mich freier fühlen. Trotz der viel zu stickigen Luft, getragen von Pommesfett, Holzmöbeln und hundert verschiedene zu dick aufgetragenen Parfümsorten, kommt es mir vor als würde die Sonne etwas von der klaren Sommerluft hereintragen.

„Wie immer dein Avocado-Burger?" Gedankenverloren nicke ich, starre auf die in den Tisch geritzten Initialen. L und M.

„Maila!" Die Stimme meines Freundes klingt genervt. Ich schaue zu ihm hoch, erschrecke als ich neben uns einen Schatten wahrnehme.

„Was möchtest du zu trinken?", Liams Stimme klingt als hätte er die Frage schon öfter stellen müssen. Peinlich! Augenblicklich werde ich rot. Na toll, auch das noch. Meine Oma hat so viele tolle Eigenschaften von denen ich natürlich die unnötigste von allen abbekommen muss: dieses ständige rotwerden meiner Wangen.

„äh..." dunkelbraune Augen sehen wartend zu mir herab, mir wird augenblicklich heiß und kalt zugleich. Wer ist das und warum habe ich ihn noch nie zuvor gesehen? „Wird's bald, er hat nicht ewig Zeit." „öhm, ja... Wasser bitte."

Die dunklen Augen bewegen sich auf und ab, ehe sie sich umdrehen und zwischen den Tischen verschwinden. „Wurdest du heute aus dem Bett geschmissen oder warum benimmst du dich als wärst du auf den Kopf gefallen?"

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