Müde öffne ich meine Augen: „Geh mir aus der Sonne." In grüner Iris spiegelt sich der Himmel, eine tätowierte Hand umschließt eine andere. „Freundlich wie immer! Wir haben Alk mitgebracht ok. Das solltest du ehren!" Ich springe auf und lege dankbar meine Arme um den großen Körper des grünäugigen. Er lacht und zieht mich in eine innige Umarmung. „Hi, Harry", murmle ich an seine mit Muskeln bepackte Brust. „Babyyyyy, ich will auch umarmt werden", unterbricht eine nörgelnde Stimme unsre Zweisamkeit. Auch der Kleinere der beiden wird von mir Durchgeknuddelt. „Warst du schon im Wasser?" „Seh ich so aus? Ihr habt wirklich Alkohol dabei?" Louis nickt, während er sich breit lächelnd sein Shirt über den Kopf zieht. Ein tiefes Knurren kommt aus Harrys Kehle. Mit hochgezogenen Augenbrauen werfe ich ihm einen verwirrten Blick zu: „Was genau war das denn?"
„Ich hab dir ausdrücklich verboten dich selbst auszuziehen", antwortet er mir mehr oder weniger. Provozierende Blicke fliegen in Richtung des langhaarigen neben mir, zu allem Überfluss leckt Louis sich noch über seine pinken Lippen. Leider kenne ich die beiden lange genug um zu wissen, dass genau diese Geste den Jüngeren mehr als nur anmacht. „Du Dreckiger...", zischt es durch zusammengepresste Lippen, mehr ist danach nicht mehr zu hören. Die beiden fallen regelrecht übereinander her. „Ähm? Habt ihr eine Sexpause hinter euch oder was passiert hier gerade?" Natürlich bekomme ich keine Antwort, hätte ich anders aber auch nicht erwartet.
Angeekelt schaue ich weg, lasse meinen Blick über die um uns liegenden gleiten. Die beiden alten Frauen erheben sich gerade, um Hand in Hand hinunter zum Wasser zu laufen. Gibt es hier wirklich nichts Anderes als glückliche Pärchen? Stechender Schmerz lässt mich meinen Blick von den beiden nehmen, er gleitet hinab auf meine Hände. Mit Daumen und Zeigefinger drehe ich immer wieder das an meinem Linken Daumen sitzende kühle Metall. Nach rechts, nach links, nach rechts, dann wieder nach links.
Wie von selbst rufe ich mir die Worte meiner Lehrerin ins Gedächtnis: „Du bist also auf der Suche?" Dabei hatte sie auf meinen silberglänzenden Ring gezeigt. Irritiert hatte ich einfach nur genickt und war verschwunden, bevor sie mich mit weiterem Quatsch belehren konnte.
Bin ich wirklich auf der Suche? Auf der Suche nach der großen Liebe, dem Menschen welchen ich mein Leben anvertrauen würde? Hat sich dieser Wunsch vielleicht schon so tief in mein Gedächtnis gebrannt, dass ich ihn unterbewusst und unwissend mit der Welt teilen wollte?
Ich hatte damals sofort Liam gebeten den allwissenden Onkel Google zu fragen, was es mit meinem Ring wirklich auf sich hat. Und es stimmte, meine Lehrerin hatte Recht gehabt. Frauen, welche einen Ring am linken Zeigefinger tragen, seien eindeutig single und auf der Suche nach der perfekten besseren Hälfte. Na toll!
Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen, schnell schüttle ich den Kopf um die plötzlich aufkommende Erinnerung zu vertreiben. Doch sie bleibt, quält mich, lässt erneuten Schmerz in mir aufkeimen.
Nicola, Liams große Schwester und ihre damalige Freundin direkt hinter uns. Beide neugierig auf den leuchtenden Bildschirm starrend, plötzliches Auflachen.
Mein Bauch zieht sich zusammen.
Ein deutlicher Blick auf meine Hand hinab.
Die Innenseiten meiner Finger beginnen zu schwitzen.
Zurück auf den Artikel.
Erneutes Gekicher, dann ein Finger welcher hart auf meinem Schlüsselbein landet.
Unbewusst fahre ich über die berührte Stelle entlang.
Zu laute Stimmen einen einzigen Satz wiederholend.
Angstvoll kneife ich meine Augen zusammen. Kann das nicht aufhören?
„Ein Ring am linken Daumen bedeutet hetero."

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unlike
Fiction générale"Du kannst nicht." "Du sollst nicht." "Du musst nicht." "Du darfst nicht!" und trotzdem liebe ich ihn. #25 aktuelle literatur