„Diese ganzen Heteros sollte man vergasen. Selbst Gott hasst sie."
Wie ein Schlag ins Gesicht, eine Faust in den Magen trifft mich sekündliche Schwärze, lässt mich nach Luft schnappen. Mit erschreckender Plötzlichkeit beginnt es in meinem Inneren zu brodeln. Als würde sich mein Inneres zu Lava entwickeln, mein Körper ein kurz vor dem ausbrechender Vulkan sein. Gleichzeitig überfällt mich ein Gefühl von Leere und Gleichgültigkeit. Blut schießt in riesiger Geschwindigkeit in meinen Kopf, schnell pumpt mein Herz die rote Flüssigkeit in meine Glieder.
Gehässiges Lachen dröhnt in unglaublicher Lautstärke hinüber zu mir. Die Fratzen der Lachenden verschwimmen vor meinen Augen. Es wird zur Nebensache, wie sich ihre Augen vor Belustigung schließen, sie wild den Kopf in den Nacken schmeißen vor Hysterie. In meinem Kopf laufen Szenarien auf und ab. Möglichkeiten, Rektionen werde abgewogen, hin und hergeworfen. Worte legen sich auf meine Zunge, Sätze werden geformt um sofort wieder verworfen zu werden. Signale schießen hinab in meine Füße, drängen sie zum Aufstehen, bleiben jedoch wo sie sind.
Ich hasse Menschen, die andere grundlos beleidigen.
„Würden Sie bitte augenblicklich den Laden verlassen. Menschen mit solchen Ansichten dulden wir hier nicht."
Stille schlägt ein wie ein Blitzschlag. Das gesamte Restaurant scheint die Luft anzuhalten.
Durchbrochen wird sie durch raues Lachen, dem Geräusch von dicken Händen auf noch dickere Schenkel klopfend. Die laute Stimme lässt einige erschrocken zusammenzucken, auch die letzten ihre Köpfe in Richtung des Geschehens drehen: „Schon Mal was von Meinungsfreiheit gehört?"
Wer bis eben noch ruhig geatmet hatte, hört spätestens jetzt damit auf. Alle Augen sind auf den tätowierten Arm gerichtet welcher in Richtung Tür deutet. Es ist als hätten die Gäste nur auf solch einen Moment gewartet, die ganze Woche noch nichts Spannendes zusehen bekommen. Gebannt starrt jeder, reden tut keiner. Wie ein unausgesprochenes Gesetz wird gegafft, in Gedanken das Schauspiel schon schöner geredet um später Nachbarn und Verwandten die Geschichte zum Besten geben zu können.
„Ich bitte Sie nur einmal freundlich, zu gehen."
Es Raschelt, verfolgt von einem Meer aus Augen erhebt er sich schwer. Lautscheppernd landen Messer und Gabel auf halbgeleertem Teller, eine Nudel rutscht hinab auf den Tisch. Tief holt er Luft, scheint sich aufbauen zu wollen. Rote Flecken breiten sich auf seinem Gesicht aus, einer erreicht sogar die spiegelnde Glatze. „Gott hasst auch Sie."
Als hätte der Protagonist eines Horrorfilmes die schlimmste Szene überlebt, ein Schwimmender in tosendem Meer endlich das Land erreicht, wäre ein Kind kurz vor heranbrausendem Auto in rettenden Armen gelandet, atmet das Publikum aus. Luft strömt aus vollen Lungen, fegt umher wie ein Sturm. Entsetzen zeichnet sich auf Gesichtern ab, Neugier und Spannung kann deutlich abgelesen werden. Einige pressen aufgeregt ihre Nägel in weiche Haut, drehen sich voll Interesse zum Gegenüber, um einen Blick auf dessen Reaktion werfen zu können.
Die Unruhe der Stille löst sich im selben Moment, in welchem die Türe des Ladens zufällt. Einige folgen noch dem wehenden Mantel des Fremden, um auch ja kein Detail zu verpassen, andere sind unterdessen schon in hitzigen Debatten über den außergewöhnlichen Vorfall verwickelt.
Meine Lippen bleiben verschlossen, meine Augen liegen auf dem tätowieren Mann. Seine Miene verliert sich kurz, scheint irgendwo in der Luft hängen zu bleiben. Das Braun seiner Augen wirkt plötzlich müde, meine Vermutung wird mit einer schwachen Bewegung, seiner Hand in stumpfen Haaren, untermalt. Dann scheint er sich zu fangen, den Überblick wieder zu finden. Flink werden Teller gestapelt, der Tisch des eben verschwundenen aufgeräumt.
DU LIEST GERADE
unlike
Fiction générale"Du kannst nicht." "Du sollst nicht." "Du musst nicht." "Du darfst nicht!" und trotzdem liebe ich ihn. #25 aktuelle literatur