Süßliche Flüssigkeit schwappt von einer Ecke des Bechers in die andere. Volle Konzentration auf die Bewegung, die Umgebung völlig ausgeblendet. Ich versuche nicht zu blinzeln, keinen Moment zu verpassen, um nichts zu verschütten. Rechts, links, rechts, links. Unbewusst passen sich meine Bewegungen an den Bass an. Unbemerkt wippt mein Körper mit, das Getränk sicher in meiner Hand. Die Musik stoppt, reißt mich aus meiner Trance. Mit ungeheurer Plötzlichkeit erreichen mich Geräusche, Gerüche, Bilder.
Dröhnend presst sich Musik durch winzige Löcher riesiger Boxen, schwebt durch alle Räume. Jemand muss es besonders toll gefunden haben, nicht nur den Bass zu hören, sondern ihn auch spüren zu können. Der Boden zittert, veranlasst auch Couchpotatos zum wild umher tanzen.
Der Versuch sich über die Musik hinweg unterhalten zu können scheitert, bleibt jedoch nicht unversucht: „Gib mir mal den Wodka." „Tanz mit mir." „Lass uns abhauen." „Auf ex, auf ex!"
Flaschen klirren, Becher knacksen, Türen knallen, Füße tanzen. Der Geruch von Alkohol, vermischt mit Mischgetränken, Zigarettenrauch und Schweiß hängt in allen Ecken. Bunte Lichter schnellen hin und her, alles gleicht sich dem Rhythmus an. Tanzende Körper, wippende Füße, klatschende Hände, blinkende Lichter. Als würden Noten den Takt vorgeben, alles sich nach ihnen richten, als wären sie der neue Herzschlag. Es dröhnt in meinen Ohren, zitternd hebe ich den Becher in meiner Hand, nippe an ihm. Alkohol rinnt meinen Rachen hinab, warmes Gefühl breitet sich in mir aus. Kurz vernebelt er mir die Sicht, ich hatte wohl doch nicht 50/50 gemischt. Mein Körper sackt nach hinten, lehnt sich an die verflieste Wand.
Zwei verschlungene Gestalten betreten den Raum, eine der beiden lacht, stellt leere Flaschen auf eine Küchenzeile. Die andere dreht den Wasserhahn auf, hält ein leeres Glas unter fließendes Wasser. Laut verkündet die Stimme, Wasser trinken würde helfen am nächsten Morgen keinen Kater, sondern nur ein Kätzchen zu haben, trinkt in drei riesigen Schlucken die durchsichtige Flüssigkeit aus. Die Köpfe der beiden nähern sich, Geräusche eines intensiven Kusses erfüllen das Zimmer. Ich gehe. Setze einen Fuß vor den anderen, nach jedem Schritt ein erneuter Schluck, der Becher leert sich. Kaum betrete ich den eigentlichen Ort des Geschehens, wird die Musik lauter, die Menschen schriller, der Geruch intensiver. Eine einzige auf und abspringende Masse. Nie hätte ich weder solch einen Andrang erwartet, noch gewusst so viele gleichaltrige in der Umgebung zu haben.
Am falschen Platz fühlend wandern meine Augen die Wand entlang, suchen ein ruhiges Plätzchen. Ich war von Flo vor circa zehn Minuten in dieses Haus gezogen worden. Sofort hatte sie einen Freund nach dem anderen umarmt, war schließlich in der feiernden Menge einfach untergegangen. Ich war ihr hinterhergestolpert, hatte versucht sie nicht zu verlieren. Das war deutlich gescheitert, immerhin gelangte ich irgendwie in die Küche, Alkopops zu mischen konnte ich. Es war mir zu laut. Zu viele Menschen. Zu viel gute Laune. Der Alkohol hatte noch nicht seine volle Wirkung erreicht, nicht ein Stückchen der guten Stimmung war auf mich übergesprungen. Ich hätte nicht auf Flo hören sollen, die mich vor einer Stunde wie eine Irre überredet hatte die Party zu betreten.
Sie meinte es würde mir gut tun. Sie dachte ich würde Spaß haben. Sie war sich sicher, neue Kontakte wären eine perfekte Ablenkung für meine schlechte Laune. Sie sagte, Alkohol und ich wären doch immer schon wie Zwillinge gewesen. Der eine konnte nicht ohne den anderen.
Heute war das irgendwie anders.
Unsanft bohrt sich ein Ellenbogen in meine Seite, ein gefüllter Becher mit Bier wird mir unter die Nase gehalten. Ohne zu zögern greife ich ihn mir, steure geradezu auf meine Entdeckung zu. Am Ende des Zimmers befindet sich eine Couch, zu meinem Glück ist sie leer. Von hier aus hat man trotz der Sicht auf umherspringende Beine einen guten Überblick. Erstmal alles abchecken, verstehen wie alle hier so ticken. Mein Bier ist schnell ausgetrunken, nach jedem Schluck betrachte ich ein neues Gesicht. Viele habe ich noch nie gesehen. Hinter einem Mädchen und einem Jungen mit lilagefärbten Haaren entdecke ich schwarze Haare, Rauch steigt empor. Die Art und Weise in welche die Haare in eine bestimmte Richtung liegen kommt mir bekannt vor, erst als ich mich etwas nach links lehne, erkenne ich tätowierte Arme. Lange Finger umgreifen eine selbstgedrehte Zigarette, bedächtig wird sie zu vollen Lippen geführt. Der Brustkorb des Rauchers hebt sich, Rauch gelangt in seine Lungen. Dann atmet er aus, umhüllt sich selbst in eine Wolke aus silbrigem Nebel. Zayn ist also wirklich gekommen.

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unlike
General Fiction"Du kannst nicht." "Du sollst nicht." "Du musst nicht." "Du darfst nicht!" und trotzdem liebe ich ihn. #25 aktuelle literatur