„Hey, Mum. Ich bin zu Hause." Der lila Lockenkopf meiner Mum erscheint, sie lächelt mich an ehe ich ihr einen dicken Kuss auf die Wange drücke. „Und, endlich Mathe raus?" Geknickt schaue ich sie an um dann zu nicken. „Mensch Maila..." „Was denn? Ich trage immer noch tiefe Trauer in mir." Sie tätschelt mitleidig meinen Kopf: „Die Fische, ich weiß, ich weiß." Viel zu ernst nicke ich, schmeiße meine Tasche in die Ecke und drücke mich an ihr vorbei um nacheinander die Deckel der dampfenden Töpfe zu heben. „Mhhh, Tofu mit Nudeln." Der Klaps meiner Mum lässt mich empört zur Seite springen, sie funkelt mich gespielt böse an: „Den Sarkasmus kannst du gleich wieder zurücknehmen. Du hast doch sowieso wieder zehn Burger verdrückt, wetten."
Ich grinse nur und lass mich auf einen der bunten Stühle fallen. „An deiner Stelle würde ich mein Geld für andere Sachen ausgeben." „Mum, du weißt, wie sehr ich meine Burger liebe!", die Empörung meiner Stimme ist nicht zu überhören, trotzdem tut sie, als hätte sie mich nicht verstanden. Extra laut rührt sie in ihren Töpfen umher, dreht sogar noch das Radio auf. Bei uns ist es immer schon so gewesen. Einer neckt den anderen bis das Spiel umgekehrt wird. Das Ganze geht dann so lange, bis irgendjemand so tut als wäre er beleidigt.
Ich beachte sie nicht weiter, sondern beginne damit die ordentlich sortierten Briefe durchzublättern. Enttäuscht brummle ich, als wieder nichts für mich dabei ist. Vor drei Wochen habe ich mit einem selbst entworfenen und genähtem T-Shirt bei einem Wettbewerb teilgenommen. Der Preis dafür sind 1.000 Euro und ein Kurs bei einem angeblich berühmten Designer. Dass ich ihn nicht kenne macht die Sache zwar trauriger aber ich bin froh über Lernchancen aller Art.
„Sind Peach und Delan schon da? Essen ist fertig." Ich verdreh die Augen: „Wirklich jetzt? Mum, du bist schon länger daheim als ich. Du müsstest das wissen..." Unwissend grinst sie nur, verteilt Geschirr auf dem Tisch. „Daisy kommt in zehn Minuten, mehr muss ich nicht wissen." „Die wird sich freuen, wenn sie sieht, dass es schon wieder Tofu gibt." „Im Gegensatz zu dir mag sie es." Ich nicke nur flüchtig um danach so schnell wie möglich die schmale Holztreppe hinauf zu laufen. Ohne anzuklopfen stoße ich mit dem Fuß die eine und mit der Hand die andere Zimmertür meiner Geschwister auf. Außer Unordnung empfängt mich nichts. „Sie sind noch nicht da," brülle ich nach unten in Richtung Küche, ehe ich in meinem eigenen Zimmer verschwinde.
Ich kämpfe mich durch Stoffreste und Entwürfe durch um an mein ladendes Handy zu kommen. Ich war schon immer die Einzige gewesen, die ihr Handy nicht mit in die Schule genommen hat. Wenn ich schon all die schrecklichen Stunden ertragen muss, dann hat wenigstens einer von uns das Recht weniger zu leiden. Es quietscht, als ich mich auf mein ungemachtes Bett fallen lasse. Ordnung wird in unserer Familie ganz klein geschrieben, es gibt wichtigeres im Leben als zu wissen wo Batterien oder Pflaster liegen. Finden, tun wir so oder so immer alles.
Genervt lege ich mein Handy wieder weg, als ich den endlos langen Text sehe welchen mir Liam geschickt haben muss, gleich nachdem wir uns verabschiedet haben. Wie ich ihn kenne geht es um die strahlend braunen Augen in denen man versinken könne und um den wundervoll wertvollen Charakter Zayns, welchen er noch nicht einmal kennt. Hoffnungsloser Romantiker!
„Maila, wenn schon niemand da ist, dann komm wenigstens du zum Essen. Alleine macht es keinen Spaß!" Ausnahmsweise bin ich froh über ihre Bitte, so habe ich wenigstens eine Handfeste Ausrede nicht gleich auf Liams Schwärmereien geantwortet zu haben. Gerade als ich die letzte Stufe unserer Treppe hinunterhüpfe, knallt die Eingangstür mit voller Wucht gegen die weinrot gestrichene Wand.
„Peach, wir haben schon genug Löcher!" Ich grinse und falle meiner Schwester um den Hals. Mum kommt ärgerlich um die Ecke um besorgt die beschädigte Wand zu streicheln. „Hab dich vermisst, Schwesterherz." Mehr als ein Schniefen ihrerseits bekomm ich nicht. Weint sie? „Du weinst?" Eine dicke fette Träne rollt langsam rotgeweinte Wangen hinab um auf ihren Brüsten einen weiteren Salzwasserfleck zu hinterlassen. „Süße, was ist los?" Als würde es um Leben oder Tot gehen schubst Mum mich zur Seite um ihre langen Arme um meine Schwester zu legen. Es klimpert, als ihre endlos vielen Armbänder gegeneinanderschlagen.
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unlike
General Fiction"Du kannst nicht." "Du sollst nicht." "Du musst nicht." "Du darfst nicht!" und trotzdem liebe ich ihn. #25 aktuelle literatur