#1 Die Ruine

504 15 2
                                    

"Du kannst diese Welt nicht ändern, nicht anhalten. Sie wird sich immer weiter drehen. Mit oder ohne dich. Entweder du läufst mit, oder du bleibst stehen." ~ NeySceatcher

"Ich bin wieder da-ha!", schreie ich durch das Haus. Eher durch die Ruine. Keine Antwort. Ich muss ihn wohl gerade verpasst haben.
Die Holztreppen knarzen unter meinen Füßen. Alles in diesem Haus ist alt und heruntergekommen.
Selbst die Fenster sind undicht...vorausgesetzt man findet eines. Was sich als ziemlich schwierig erweisen wird, denn dieses Haus besitzt nur noch Löcher in der Wand.
Aber ich liebe dieses Haus. Es ist mein Zuhause.

Im oberen Stockwerk angekommen, gehe ich noch einmal nach rechts und schon stehe ich in unserem Wohn-Schlaf-Zimmer. Die Decken haben wir heute Morgen sorgfältig in unserem selbstgebastelten Schrank verstaut. Ich gehe zu unserer Essenskiste. Darin liegen Konservendosen, Brot, ein bisschen Obst und noch ein paar Reste von Süßigkeiten. Ich schnappe mir einen Schokoriegel und setze mich auf unsere "Couch". Naja, wenn man ein paar Holzpaletten und Stofffetzen als Couch bezeichnen kann.

Als ich den Riegel verputz habe, lege ich mich ganz auf die Couch und schließe meine Augen. Ich lausche dem Wind und dem leisen Gezwitscher der Vögel. Auf einmal streift etwas weiches meine Wange. Ich schieße nach oben und lache sofort über mich selbst. Ich habe mich schon wieder vor T erschreckt.

T ist meine Kater. Er ist auf einem Augen blind und hasst alle Menschen ausser Zombie und mich. T spaziert den ganzen Tag in der Weltgeschichte herum und am Abend kommt er nach Hause um Essen und Streicheleinheiten zu kassieren. Typisch Katzen eben. Ich habe ihm den Namen gegeben, weil seine Narbe am Auge wie ein T aussieht. Er muss sie sich in einem Kampf zugezogen haben, denn eines Tages als er heim kam, hatte er diese Verletzung. Zombie und ich haben alles zusammengekratzt was wir an Geld hatten und brachten ihm zum Tierarzt.

"Na? Wie geht's dir? Du einäugiger Bandit.", sage ich lachend und wuschle ihm durchs Fell. Er ist kein besonders schöner Kater, aber für mich ist er der Beste. Als ich ihm unter dem Kinn kraule, fängt er an zu schnurren.

Schnell werfe ich einen Blick auf die Uhr. Noch etwa zwei Stunden bis Zombie wieder kommt. Langsam neigt sich der Tag dem Ende zu. Ich springe auf und öffne eine Thunfischdose. Sofort kommt mir eine Wolke von Gestank entgegen, die es mir sauer aufstoßen lässt. Nein, ich mag keinen Thunfisch. Einfach nur nein!
T hat wohl bemerkt, dass es essen gibt und saust nun zu mir. Wie kann man sowas ekelhaftes essen? Angewidert drehe ich mich um und schaue zu unseren Wasserflaschen. Es sind insgesamt fünf. Für jeden zwei und für T eine.
Doch drei sind leer. Normalerweise holen wir erst wieder Wasser, wenn alle leer sind, aber ich habe heute einfach nichts besseres zu tun. Also nehme ich die Flaschen und gehe hinter das Haus. Dort steht ein alter Grundwasserbrunnen. Ich stelle eine Flasche unter den Hahn und pumpe anschließend. Zu schön wäre mal es fließendes Wasser zu haben. Oder ein echtes Bett. Ja...zu schön wäre das.

Wieder oben angekommen, stelle ich die Flaschen an ihren Platz und mache mich daran im Nebenraum Essen zu machen. Ich hab echt Hunger! Doch bevor ich ins Nebenzimmer gehe nehme ich noch eine Dose Chili mit.

Ein ebenfalls heruntergekommener Raum, mit einer Feuerstelle in der Mitte, dient als Küche. Ich schiebe das schwere Metallteil über die "Tür". Sie dient als Abdeckung, damit nicht noch mehr Gestank vom Feuer zu uns hinüber kommt. Es ist ohnehin schon genug. Ich platziere unseren einzigen Topf auf unserem improvisierten Herd und leere den gesamten Doseninhalt hinein. Mit einem Holzlöffel rühre ich ein bisschen herum. T sitzt neben mir und zusammen betrachten wir die Flammen.

"Guten Abend, die Dame."
"Guten Abend, der Herr."
Zombie grinst und setzt sich mir gegenüber.
"Schon fertig?"
"Gleich."
"Wie war dein Tag?", frage ich lächelnd. Obwohl ich genau weiß was er täglich macht.
Ich fülle zwei Schüsseln mit dem Chili und reiche eine Zombie.

Er räuspert sich.
"Also, ich bin heute, wiedermal, unsanft aus dem Schlaf gerissen worden. Meine Mitbewohnerin hat einfach keinen Respekt vor schlafenden Menschen!"
Ich lache auf.
"Ich weiß gar nicht wen du meinst."
"Gerade du solltest das wissen!", er zeigt mit der Gabel auf mich.
"Jedenfalls, nachdem ich nun wach war, ging ich zu Rita und verteilte die Zeitungen. Später lief ich im Park herum und sammelte unauffällig ein paar Flaschen ein."
Und wieder muss ich lachen. Zombie und Unauffällig? Da liegen Welten dazwischen!
"Ja und dann habe ich sie bei Rita abgegeben und ein bisschen Schotter bekommen." Das letzte sagt er so, als hätte er einen Oskar gewonnen.
"Und was hast du gemacht?"
"Ich war auch bei Rita und habe Zeitungen verteilt. Dann hab ich ein paar Dosen und altes Zeug zum Müllplatz gebracht. Dort habe ich auch Schotter bekommen. Danach bin ich zu Karl und rat mal was ich bekommen hab!"
Mir fällt es erst jetzt wieder ein.
"Ein eigenes Fahrrad!"
Ich klatsche in die Hände, wie ein Affe mit Klapper-Dingen an den Händen. Wie heißen die noch gleich?
"Was echt?"
Zombie's Augen werden groß.
"Das ist ja toll!"
Ich nicke heftig.
"Jetzt musst du nicht mehr laufen, oder eines ausborgen."
"Stimmt!"

Nach dem Essen machen wir das Feuer aus und gehen hinüber ins "Schlafzimmer". Ich reiche Zombie ein paar Decken und sein Kissen. Ich gehe zu meinem Schlafplatz direkt neben einem großen Loch in der Wand. Gekonnt mache ich mein Bett und lege mich hin.
"Morgen steigt bei Rita ne riesen Party.", flüstert Zombie vom anderen Ende des Raumes.
"Ach."

"Ich wette wir müssen wieder arbeiten."
"Nein! Eben nicht!"
"Nicht?"
"Nein!"
Ich lächle. Das wird ein Spaß

T kuschelt sich neben mich. Ich streichle ihm sanft über sein graubraunes Fell, während ich zu den Sternen hinauf schaue. Sie sehen wie Lichterketten aus.

Let me Love you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt