#17 Etwas Besonderes

124 3 0
                                    


Was du hast können viele haben, doch das was du bist, kann keiner sein

Auf diese Frage war ich jetzt nicht vorbereitet. Das Wackeln seiner Augenbrauen bringt mich noch mehr aus der Fassung.
Er startet den Motor.
"Also?"
Nach den Vorkommnissen gestern möchte ich nicht wirklich nach Hause.
"Zu dir?", ich lasse es wie eine Frage klingen.
"Ich habe gehofft, dass du das sagst!", er grinst mich an und gibt Gas.
Man sieht ihm an, dass er dieses Auto jetzt schon liebt. Seine Augen glitzern, wie bei einem kleinen Kind.

Bei einer roten Ampel bleiben wir gezwungenermaßen stehen. Er streicht über das Lenkrad und die Armatur. Sein verliebter Blick sieht einfach nur süß aus. Er erinnert mich irgendwie an einen Welpen.
Er dreht seinen Kopf in meine Richtung und lächelt mich an. Ich lächle zurück.

Ich kann nicht anders und streiche auch einmal über die Armlehne. Das Leder fühlt sich wirklich gut an. Ich lege meinen Arm darauf. Ich habe allerdings nicht bemerkt, dass Lewin's Arm so nah ist. Unsere Hände streifen sich. Schnell schaue ich zu ihm. Er zeigt keine Reaktion. Ich beschließe es ihm gleich zu tun und schaue aus dem Fenster.
Die Ampel schaltet auf Grün und schon düsen wir wieder los.

Ein paar Minuten später fahren wir auch schon die Auffahrt zu seinem Haus hinauf. Wir steigen aus und gehen hinein.
"Hallo!", ruft er durch das Haus.
Eine kleine schwarzhaarige Frau kommt um die Ecke.
"Oh! Du hast mir gar nicht gesagt, dass wir heute Besuch bekommen. Mein Name ist Tara.", sie streckt mir eine kleine Hand entgegen. Ich ergreife sie und stelle mich ebenfalls vor.

"Willst du da stehen bleiben, oder mit rauf kommen?"
Ich habe gar nicht bemerkt, dass er bereits seine Sachen ausgezogen hat und jetzt auf der Treppe steht. Schnell streife auch ich meine Jacke ab, hänge sie auf und folge ihm.

Er öffnet die Tür zu seinem Zimmer und sofort fühle ich mich irgendwie komisch. So schmutzig. Alles hier drinnen sieht neu und edel aus. Ich hingegen sehe in meinen Sachen wie eine Vogelscheuche aus.
Das Zimmer passt zu ihm. Alles passt, bis auf mich. Ich fühle mich fehl am Platz. Habe ich auch schon in der Eingangshalle, aber hier ist das Gefühl deutlicher.
Lewin schließt die Tür. Ich schaue mich unsicher um. Warum bin ich auf einmal so? Ich war noch nie sonderlich schüchtern, nur in seiner Nähe habe ich Angst etwas falsch zu machen. Er setzt sich auf sein Bett.
"Und was wollen wir jetzt machen?"
Ich zucke mit den Schultern.
"Sag du es mir."
Ich gehe im Raum herum, betrachte seine Trophäen vom Basketball und seine Fotos.
Ich komme an einem Kinderfoto vorbei und muss augenblicklich lächeln. Schon als Kleinkind hatte er diese wunderschönen blauen Augen.

"Wir könnten einen Film schauen."
"Welchen?"
"Das darfst du dir aussuchen."
"Welche gibt es zur Auswahl?"
Ich gehe zu ihm und komme vor ihm zum stehen. Er legt seinen Kopf in den Nacken und sieht mich an. In seinen Augen sehe ich etwas aufblitzen.
"Einen Horrorfilm oder einen lustigen?", sage ich, wohl wissend, dass es ihm egal ist.
Er steht auf. Nun steht er ganz dicht bei mir. Kein Blatt würde zwischen uns passen.
"Wie wäre es mit einem Liebesfilm?"
Ich lache und schupse ihn zurück. Er fällt lachend ins Bett.
"Also kein Liebesfilm."
"Nein, Sherlock."
Ich setze mich neben ihn.

Schlussendlich entscheiden wir uns für irgendeinen Actionfilm. Ich bekomme aber nicht viel mit, denn seine Anwesenheit lenkt mich dermaßen ab! Ich muss immer zu zu ihm hinüber schauen. Ich lege meine verschränkten Arme auf meine Knie und darauf meinen Kopf. Ich versuche mich voll und ganz auf den Film zu konzentrieren. Nach einiger Zeit gelingt mir dies auch.

Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffne ist es dunkel im Zimmer. Ich versuche aufzustehen, werde aber von etwas daran gehindert. Ich schaue an mir hinunter und stelle fest dass das Etwas Lewin's Arm ist. Mein Blick folgt seinem Arm und landet auf seinen geschlossenen Lidern. Schläft er? Vorsichtig schäle ich mich aus der Bettdecke und seinem Griff. Auf den Zehenspitzen gehend verlasse ich das Zimmer. Im Gang ist das Licht ebenfalls aus. Wie spät ist es?

Ich schleiche die Treppen hinunter in die Küche. Dort schalte ich das Licht an und muss erstmal die Augen zukneifen. Langsam gewöhnen sich meine Augen an das Licht und ich begebe mich auf die Suche nach einem Glas. Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe gerade den Drang ein Glas Wasser zu trinken. Die Suche dauert nicht lange. Ich nehme eines aus dem Schrank und fülle Wasser hinein. Gierig trinke ich es aus.
"Du musst etwas besonderes sein."
Vor Schreck hätte ich fast das Glas fallen gelassen. Ich drehe mich um. Ein etwa sechzehnjähriges Mädchen steht vor mir.
"Was?", frage ich während mein Herz sich allmählich beruhigt.
"Naja, du bist die erste die er über Nacht hier behält."
Sie öffnet den Kühlschrank und nimmt einen Schluck von der Milch.
"Nimmt er denn so viele mit nach Hause?"
Sie stellt die Milch zurück.
Sie lächelt in sich hinein.
"Nein."
"Warum bin ich dann etwas besonderes?"
"Weil deine Schuhe im Gang stehen. Nur wenige Leute dürfen die Schuhe dort stehen lassen."
Jetzt komme ich gar nicht mehr mit.
Sie kommt näher und legt eine Hand auf meine Schulter.
"Glaub mir, du bist was besonderes. Im positiven."
Nach diesen Worten verschwindet sie nach oben.
Bin ich wirklich so etwas besonderes?

Ich schaue auf die Uhr. Es ist fast vier. Jetzt brauche ich auch nicht mehr nach Hause gehen.
Also schalte ich das Licht aus und gehe zurück in Lewin's Zimmer. Dieser liegt, genau so wie ich ihn zurückgelassen habe, in seinem Bett. Ich ziehe meine Weste aus. Ich überlege ob ich meine Hose ausziehen soll, verwerfe den Gedanken aber schnell wieder und schlüpfe unter die Decke. Ich betrachte sein Gesicht. Präge mir jeden Millimeter ein.

Ich weiß nicht wie lange ich da gelegen bin und ihn angeschaut habe, aber es hat sich angefühlt wie zwei Minuten. Als ich mich umdrehe um wieder einzuschlafen, geht bereits die Sonne auf. Ich beschließe trotzdem meine Augen zu schließen.

Wie erwartet kann ich nicht mehr einschlafen. Seit drei Stunden liege ich wach im Bett und genieße Lewin's Nähe. Sein Bett duftet nach ihm. Die Decke habe ich bis zum Kinn gezogen. Mir ist nicht kalt, ganz und gar nicht. Ich schaue aus dem Fenster. Betrachte die Bäume, die fallenden Blätter, die vorbeiziehenden Wolken.

Schlagartig wird mir aber kalt. Ich weiß auch warum. Sein Arm ist weg. Sein ganzer Körper ist weg. Langsam drehe ich meinen Kopf in seine Richtung. Er sitzt mit dem Rücken zu mir an der Bettkante. Sein Gesicht hat er in seinen Händen vergraben.
Ich mustere seinen Rücken, als er sich unerwartet umdreht. Schnell schließe ich meine Augen. Er scheint nicht bemerkt zu haben, dass ich wach bin. Er steht auf. Mit kaum hörbaren Schritten kommt er zu mir hinüber.
"Was machst du bloß mit mir?",flüstert er, als er mir über die Wange streicht. Ich stelle mich noch immer schlafend. Unfähig irgendetwas anderes zu tun. Erst als ich die Tür ins Schloss fallen höre, traue ich mich wieder richtig zu atmen.
'Was machst du bloß mit mir?', hallen seine Worte in meinem Kopf wieder. Genau die selbe Frage stelle ich mir genau in diesem Moment.

Let me Love you Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt