Kapitel 10

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 Kapitel 10

"Er hat was gesagt?", fragte ich völlig fassungslos.

Avan schien von meiner Reaktion verwirrt zu sein. "Er meinte, ich sei gefährlich und ich solle mich von dir, seiner Freundin, fern halten", erklärte er noch einmal und betonte das Wort "seiner" besonders.

"Avan, das ist ja so was von absurd! Kyle ist ein Spinner. Kein Wunder, dass er sich damals auf dem Friedhof so seltsam verhalten hat", murmelte ich. Avans Miene verfinsterte sich Augenblicklich. Ich vergaß total, dass ich Avan das Treffen mit Kyle verheimlicht hatte. Und seiner übertrieben Reaktion zu urteilen, war das auch gut so gewesen...

"Du hast dich mit Kyle getroffen? Alleine - auf einem FRIEDHOF?!", fauchte er alles andere als fröhlich. Geschockt und völlig sauer trat er von einem Bein aufs andere und starrte mich nach dem Motto: "Ich verlange eine Erklärung, junge Dame. Aber sofort!" an. Dass es mitten in der Nacht gewesen war, behielt ich lieber für mich...

"Also... Ähm, ja schon... aber....", druckste ich herum. Ich versuchte seinem Blick solange wie nur möglich, auszuweichen. War ich ihm überhaupt eine Erklärung schuldig? Auf keinen Fall wollte ich streiten. Also nahm ich mir vor, ruhig an die Sache heran zu gehen.

"Ich ... Ich dachte der Zettel käme von jemand anderen",  antwortete ich knapp und schaute dann doch zu Avan auf. Seine Brauen hatte er hoch gezogen und seine Augen zu kleinen Schlitzen zusammen gedrückt, als müsste er sich besonders konzentrieren, mir zu zu hören.

Sein Blick verriet Enttäuschung und Wut. Hatte ich ihn hintergangen? Ich wollte doch bloß ein paar Antworten, verdammt! Aber warum musste er auch gleich so wütend werden und übertreiben? Immerhin durfte ich machen, was immer ich wollte. Dazu brauchte ich nicht erst seine Erlaubnis!

Trotzdem atmete ich tief ein und aus. Dia, gehe reif und vernünftig da ran, dann klappt das schon!

Meine innere Stimme hatte gut Reden! Ich wusste nicht, wie ich ihm das so einfach erzählen konnte, ohne dass er gleich ausflippte.

"Also der Zettel, auf dem stand, ich solle auf den Friedhof kommen", ergänzte ich, da er wohl keinen blassen Schimmer hatte, wovon ich vorhin geredet hatte und was ein Blatt Papier überhaupt mit unserem Problem zu tun hatte.

Nach und nach baute sich Wut in mir auf und verdrängte die Schuldgefühle. Die, die mich davon abhielten, ihn wie ein kleines Kind anzuschreien. Aber sobald das passierte, würde er die Oberhand haben und wir würden den ganzen Mist nie klären können. Also biss ich die Zähne zusammen und hörte mir an, was er zu erwidern hatte.

"Weißt du eigentlich, in welche Gefahren du dich hättest bringen können?", schimpfte er, als wäre ich ein Kind, was einen Keks geklaut oder ein Spielzeug eines anderen Kindes kaputt gemacht hatte. Ich hasste diesen Ton in seiner Stimme. Ich war alt genug! Ich hatte es nicht nötig, mich von ihm zurecht weisen zu lassen!

"Außerdem springst du ja auch nicht gleich von 'nem Hochhaus, bloß weil es auf einem dämlichen Zettel steht!" Ich stützte meine Arme in die Hüfte und blickte trotzig nach oben.

"Jetzt mal im Ernst: Was hätte schon passieren können? Du verhältst dich, wie ein eifersüchtiger und über-fürsorglicher Blödmann!", meinte ich stur, Er schien nun völlig die Fassung zu verlieren.

"Dia! Jetzt hör' auf! Gib doch einfach zu, dass du zu naiv und unvorsichtig warst! Und ich könnte dir dutzende Beispiele liefern, an Dingen, die dir hätten widerfahren können!" Avan räusperte sich und schaute mich intensiv an. Seine Gesichtszüge wurden weicher und er lächelte leicht.

Er wollte also auch nicht mehr streiten. Aber dickköpfig wie ich war, ging ich nicht darauf ein. "Nein! Ich habe Recht! Ich brauche keinen Babysitter!" Gerade als ich den Satz zu ende gesprochen hatte, erschien Kyle neben uns.

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