Kapitel 8 - Die Reise

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Nachdenklich stand ich an der metallenen Reling und betrachtete die salzigen Wogen des Ozeans. Ich ließ den Tag bis jetzt Revue passieren. Unseren Abschied. Erst von unseren Familien, dann von Meister Kaguya und dem Feuerlord. Und dann von Kazuko. Ich würde sie fast alle vermissen. Der Feuerlord würde wahrscheinlich auch ohne meine Melancholie auskommen, aber sogar Kaguya würde ich vermissen. Er war weise und hatte immer einen Rat. Aber besonders Kazuko hatte ich trotz der kurzen Zeit vor der wir ihn kennengelernt hatten ins Herz geschlossen. Ich erinnerte mich wie er im Unterholz verschwunden war, nachdem er sich von uns verabschiedet hatte. Kurz danach  waren wir von General Masahiro auf ein Schiff geleitet worden. Es war ein Kriegsschiff mit Kanonen bestückt. "Wir hätten euch genauso gut auf einem Handels- oder Frachtschiff transportieren können, Piraten, der Wasserstamm oder das Erdkönigreich hätten es überfallen. So könnt ihr euch wenigstens verteidigen" hatte Masahiro erklärt und hatte seinen Blick wachsam und starr auf das Meer gerichtet.

Ich richtete meinen Blick auf die grün-blauen Wellen die unbeeindruckt um das Schiff herum schwappten. Sie glitzerten im Glanz der vergehenden Sonne. Beeindruckend färbte sich meine ganze Umgebung in spektakulären Rot-Nuancen. Die Wärme durchströmte meinen Körper und schenkte ihm etwas Temperatur, die er durch die langen Stunden verloren hatte, die ich unter Deck verbracht hatte. Mein Blick streifte den Horizont entlang in der Befürchtung ein feindliches Schiff zu entdecken. Ich schien auch plötzlich ein Schiff zu entdecken, aber schon nachdem geblinzelt hatte, waren nur noch die endlosen Farben des Horizonts zu sehen. Beruhigt atmete ich aus. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich angespannt den Atem angehalten hatte. Weiterhin ruhten nun meine Augen auf den Wellen, die gemächlich und von keinem Lufthauch aufgewühlt das Schiff umflossen. Ich war beeindruckt. Das Wasser strahlte so eine Macht und Ruhe aus. Ich konnte kaum erwarten nach dem Luftbändigen endlich Einblick in die Geheimnisse des Wassers zu erhalten.

"Alles ok?" fragte nun eine Stimme in die Geräuschlosigkeit, die nur vom leichten Rauschen des Meeres unterbrochen wurde. Ich drehte mich um. Es war Rou. "Ja" hörte ich mich antworten. Ich drehte mich wieder dem Ozean zu. Ich hörte wie ihre metallbeschlagenen Sohlen auf dem ebenfalls metallenen Boden klangen als sie näher kam. Langsam und behutsam legte sie ihren Arm um mich. Wir standen lange da in der leichten, salzigen Gischt bevor Rou das Schweigen erneut brach. "Wollen wir mit dem Feuerbändigungstraining beginnen, dass Kaguya für uns vorbereitet hat?" fragte sie aufmunternd. "Nein" "Soll ich dir zeigen wie man einen Blitz erzeugt?" Das klang überraschenderweise schon eher nach meinem Geschmack. Ich löste ihren Arm von mir und strahlte sie an "Gut!"

Wir standen am Bug des Schiffes. Ich hatte rechts eine seitliche Aufstellung eingenommen und Rou links. "Kazuko hat es schon erklärt. Du musst die Energie nutzen, die überall um dich herum strömt. Spalte sie und lasse sie wieder kollidieren. Ehrlich gesagt hat es mich gewundert warum du es nicht schon bei der ersten Möglichkeit versucht hast" Konzentriert begann sie nun mit Mittel- und Zeigefinger eine Spur aus Blitzen um ihren Oberkörper zu ziehen. Sie schloss ihre Augen kurz, atmete ruhig aus, öffnete sie wieder und schickte den Blitz in die Weiten des Ozeans. Ich hatte ihr begeistert zugesehen. Sobald der krachende Schall des Einschlags verklungen war, machte ich mich daran ihr nach zu tun. Ich besann mich auf die Energien in meiner Umgebung so gut ich konnte. Ich zog einen unsichtbaren Kreis mit meinen beiden Fingern. Große Blitze mit vielen kleinen Nebenadern durchzuckten meine Umgebung. Anders als bei Rou nicht nur als Spur die ihre Hand verfolgt, sondern durchbahnten meinen ganzen Körper. Ich spürte wie sich eine große Spannung überall um mich herum aufbaute. Ich beschloss den Blitz nun abzuschicken. Ich richtete meine Fingerkuppen auf den Horizont, doch statt sich ihren Weg durch die Luft dorthin zu bahnen, brach die Verbindung plötzlich ab, die zuvor schon schwach und unkontrolliert war. Doch statt sich einfach in der Luft aufzulösen, suchte sie das naheliegenste Ziel um ein zuschlagen. Hundert von Blitzen die mich kurz zuvor umringt hatten, fuhren nun auf mich nieder. Ich schrie auf als die Spannung ihren Weg durch mich hindurch in den Boden bahnte. Als der Schwall geendet hatte, fiel ich ungehindert die Metallplatten, die den Boden bildeten. Ich konnte gerade noch das dumpfe Geräusch des Aufpralls hören, bevor ich mein Bewusstsein verlor. 

Jing's Reise - Buch Eins: LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt