Kapitel 13 - Das Warten

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Immer. Noch. Keine. Nachricht. Von. Kazuko. Ich seufzte. Meine Atem schwebte kurz als weiße Wolke in der kalten Morgenluft. Wieder war ich zu früh erwacht. Nur die ranghöhsten Nonnen waren schon wach und meditierten. Ich könnte mich ihnen anschließen, aber Keade hatte für heute Nachmittag schon eine ausgiebige Meditation angeordnet. Das reichte mir für einen Tag. Ich saß auf einem Pfahl des Segelparcours und starrte in den nebligen Himmel. Jedes Mal wenn die Wolken sich wandelten, schnappte ich aufgeregt nach Luft. In der Hoffnung, dass endlich ein Botenfalke den Nebel durchbrechen würde. Mit einer Nachricht von Kazuko. Noch einmal richtete sich mein Blick frustriert auf den Boden und ich seufzte. Was wenn ihn die Nachricht nicht erreicht hatte? Er war der Einzige, der mir jetzt helfen konnte. Meine ganze Ausbildung würde sich verzögern. Dann hefteten sich meine Augen wieder an den Himmel. Gelegentlich atmete ich tief und bewusst ein und aus und ließ Wärme durch meinen Körper strömen. Dann konnte ich nicht länger auf dem schmalen Pfahl verharren auf dem ich hockte. Ich sprang auf und hüpfte über die Pfähle. Ab und zu nahm ich einen Luftstoß aus Hand oder Fuß zu Hilfe. Die Übung war noch leichter, wenn die Segel, die Unten angebracht waren sich nicht drehten. Nachdem ich das ganze Feld zweimal überquert hatte, hatte das Herumspringen seinen Reiz verloren. Ich kletterte hinunter auf den Erdboden und brachte die Segel mit einem großen Luftstoß zum Drehen. Schnell sprang ich hinauf zu den Pfählen und begann über die Pfosten zu hechten. Doch schon auf halbe Strecke reichte der Schwung nicht mehr. Die Pfähle blieben knarrend stehen. Erneut sprang ich auf den erdigen Boden und betrachtete missgünstig die stillstehenden Segel. Da kam mir ein Einfall in den Sinn. Die Pfähle sind nur eine unnötige Verlängerung des Gerätes. Ich machte einen kurzen Sprung und ließ eine Böe durch die Segel wirbeln. Schon begann mein Experiment. Ich trat leichtfüßig zwischen die sich drehenden Segel. Das war um vieles komplizierter als das Überschreiten der Pfahlspitzen. Ich mussten mich drehen und wenden um mir einen Weg durch die rotierenden Segel zu bahnen. Aber die Luftzirkulationen waren eine mir eine große Hilfe. Ich spürte wie der Wind wanderte und wanderte mit ihm. Ich fühlte wie die Luft meinen Körper entlang strömte. Ich spürte jeden noch so winzigen Teil. Jeder von ihnen bewegte sich frei und unabhängig. Egal welcher Weg ihnen von den rotierenden Segeln gewiesen wurde, sie schafften es überschwänglich an den Flächen entlang zu gleiten. Der Wind durchzog mein Haar und sein Rauschen klang in meinen Ohren. Immer wenn ein Weg sich direkt vor mir von den bemalten Stoffbahnen verschloss, hatte ich die Freiheit an der Seite auszubrechen, indem der Wind mir und sich einen neuen Weg bahnte. Nur noch zwei Segelbahnen standen schließlich noch zwischen mir und dem Ausgang. Ich spürte wie das Gefühl der Luftzirkulationen auf meiner Haut von der klaren, ruhigen Luft verunreinigt wurde. Ich durchschritt diese letzte Hürde schnell. Ich spürte wie diese winzige Lücke durch die ich nach draußen gelangt war sich hinter mir verschloss und Luft hinaus trieb.

In freudiger Ekstase stand ich mit dem Rücken zu dem Trainingsgerät gewandt. Knarrend verlangsamten sich die Segel bis zum Stillstand. Das Einzige was zu hören war, war mein Atem. Stetig hob und senkte sich meine Brust. Ich hatte die Luft inmitten der Segel angehalten wie ich es immer tat, wenn ich voll und ganz von einer Tätigkeit erfüllt war und alles um mich herum vergaß. Doch plötzlich vernahm ich noch etwas. Das rauschende Strömen eines Luftstoßes. Keade sprang neben mich und kam wehenden Gewändern neben mir auf. "Ich habe dich gesehen. Ich wollte dir noch etwas Zeit für dich lassen nach dieser Entdeckung" sagte sie schließlich. "Ich bin stolz auf dich. Es bedarf immenser Freiheit des Geistes um eine neue Möglichkeit in Alt-Bewährtem zu finden. Den Drang zur Seite auszubrechen. Nun hilf mir die Bisons zu füttern. Nach dem Frühstück können sich die Anderen sich an deiner Übung versuchen. Und wir trainieren mit Luftbändiger-Schriftrollen aus der Bibliothek"

Abends fiel ich kraftlos in mein Bett. Der ganze Tag war mit Training oder andere Pflichten gefüllt gewesen, aber es beruhigte mich zu spüren wie ich langsam und stetig mithilfe von strenger Routine besser wurde. Mein Körper schmerzte dumpf, aber es gab mir das Gefühl endlich etwas getan zu haben. Besonders seit Kazuko immer noch nicht geantwortet hatte. Weich spürte wie meine Decke mich umhüllte und behaglich wärmte. Draußen peitschten Windböen die Türme des Tempels während wir in unserem Zimmer im flackernden Kerzenlicht saßen. Ayaka, Makani, Rou und ich lehnten an der Wand hinter unseren Betten und redeten. "Mein Rücken tut weh vom Meditieren" "Ich mochte die Figur mit den hohen Sprüngen heute morgen" "Ich kann jetzt einen Trick mit Ikku. Einen Überschlag beim Flug" Bewundernde Laute "Ich helfe dir morgen Abend ihren Sattel zu bauen" "Wenn wir auf ihr zum Nordpol fliegen wollen brauchen wir ihn wirklich" "Wir sollten schlafen. Keade hat morgen viel vor" "Ja, ich fange endlich mit meinem Politikunterricht an" "Dann gute Nacht" "Gute Nacht" "Schlaft gut" Ihr auch" Rou richtete ihre Hand auf die zitternden Flammen, die sich an die Dochte der Kerzen klammerten und schloss ihre Hand zu einer Faust. Die Flammen erlöschten, der graue Rausch schimmerte im Mondlicht, dass durch einen Spalt in den Fensterläden fiel. Ich legte mich zurecht und wickelte meine Decke enger um mich. Dann schlief ich ein.

Jing's Reise - Buch Eins: LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt