Kapitel 5 - Kuraiko Yang

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Aufgeregt stand ich in der Dämmerung, an die Lehmwand meines Hauses gelehnt und auf Rou wartend. Ich trug meine dunkelrote Uniform, die ich auch für die Agni-Kai anzog. Gedankenverloren spielte ich an dem kleinen, goldenen Anhänger mit den Lotosblüten. 

Nachdem unsere Eltern uns wieder herein gebeten haben, hatten sie uns eröffnet, dass wir an Meister Kaguyas Unterricht teilhaben durften. Wir versuchten freudig und dankbar zu wirken, was kompliziert war, da wir ihre Beratungen mithören konnten. Außerdem lastete immer noch die Last des Geheimnisses um Meister Katos Tod schwer auf uns. 

Als sie uns die Neuigkeit erzählten, verloren sie kein Wort über Meister Kato oder seine Schülerin Izanami. Alles war wie vorher. Die Idylle war perfekt, alle redeten lachen durcheinander und malten sich unser bevorstehendes Training aus. Nur Baatu war ungewöhnlich schweigsam. Still saß er da und nippte gelegentlich an seiner Tasse.

"Ob wir je herausfinden werden, was vor vier Jahren geschehen ist? Und ob Izanami noch lebt" fragte ich mich still. Ich starrte verträumt in die unendlichen Farben des Himmels.

Endlich öffnete sich der Eingang zu Rous Haus knarrend. Sie trat in das rote Abendlicht. Sie trug wieder Zulons Uniform. Rous Mutter musste sie etwas enger geschneidert haben, dachte ich und betrachtete Rou die mit ihrer perfekt passenden Uniform auf mich zu kam. Sogar die Brandflecken hatte ihre Mutter verschwinden lassen, erkannte ich bewundern.

"Komm, wir müssen los" sagte Rou als sie mich erreicht hatte "Die Sonne geht schon fast unter" Ich nickte und wir gingen eilig los.

 Wir durchquerten die schmalen, labyrinthartigen Gassen des Viertels bis wir endlich auf die breite Straße trafen, die das Orchideendrachenviertel begrenzte und sich den Hang des Vulkans hochschlängelte.

"Denkst du wir sind den anderen dort gewachsen?" fragte ich keuchend als wir uns die mit großen, mamornen Steinen gepflasterte Straße hochkämpften. Neidisch betrachtete ich die Kutschen der Oberschicht und die Holzkarren der Händler, die neben uns den Berg hinaufrollten. "Kaguya sagte wir hätten Potenzial" antwortete Rou "Was wahrscheinlich heißt, dass wir noch viel lernen müssen, bevor wir mit seinen anderen Schülern mithalten können" gab sie jedoch zu bedenken.

Kaum hatte Rou ausgesprochen, hatte wir die Kuppe erreicht und konnten in den Kessel des Vulkans sehen. Eine prächtige in rot- und goldtönen im vergehenden Sonnenlicht erstrahlende Stadt lag zu unseren Füßen. Atemlos standen wir auf der Anhöhe und bewunderten den Reichtum und Schönheit der Stadt. Wir waren bis jetzt kaum hier gewesen, wir hatten schließlich keinen Grund gehabt.

 Doch einmal als ich noch klein gewesen war, hatte der Feuerlord alle Bürger einberufen. Er hatte über die kritische Entwicklung des Weltgeschehenerzählt und hatte uns vor dem Ausbruch eines weltumfassenden Krieges gewarnt. Auch Baatu, sein Vater und Izanami hatten uns begleitet. Ich konnte mich nur noch schwach an Meister Katos Schülerin erinnern. 

Auf dem Nachhauseweg jedoch passierten wir Meister Kaguyas Institut des Feuerbändigens. Eine der mit dünnem Papier bespannten Türen offen war gestanden. Eine Reihe von Kindern hatte begonnen mit einer solchen Präzision und Leichtigkeit Flammen herauf zu beschwören. Wir hatten  noch eine ganze Weile betrachtet wie sie mit kräftigen, kompakten Bewegungen bändigten. Meister Kaguya war im Hintergrund zu sehen. Er erinnerte mich sofort an den kleinen Mann, der auf dem Fluss lebte im Märchen mit der Schmetterlingsgrille. Kritisch war sein Blick über seine Schüler gewandert. Sobald sie geendet hatten, hatte Meister Kaguya ohne einen Kommentar zu der Figur abzugeben gesagt"Kuraiko, bitte wiederhole die Übung noch einmal. Du wirst sie sicherlich noch benötigen" 

Baatus Vater hatte die Lippen geschürtzt und hatte kurz angebunden gemeint "Lasst uns weitergehen" So hatten wir uns zum Gehen gewandt. Ich hatte einen letzten Blick über die Schulter geworfen, voller glühendem Wunsch auch diese Figuren lernen zu dürfen. Ich hatte sie mit Rou auf der Straße vor unserem Haus versucht zu wiederholen, aber es gelang kaum.

Jing's Reise - Buch Eins: LuftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt