FIVE / Champagne & Sweatpants

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5. Kapitel - Lysa

  i feel like pluto when it stopped being a planet  

Das Essen verlief katastrophal. Ben hatte gepetzt, dass ich jetzt einen Freund habe. Was zur Folge hatte, dass meine Eltern ihn jetzt kennen lernen wollen. Das bedeutet, Neal muss die Tage mal vorbei kommen und wir müssen ein auf glücklich frisch verliebtes Pärchen machen.

Außerdem ist er, als ich gerade mit Jason telefonierte, in mein Zimmer gestürmt und hatte Jason zum Auflegen gezwungen. Nur um mir zu sagen, dass Neal auf mich aufpassen wird, während er nicht da ist.

Ben und Dad sind vor ungefähr einer Stunde zum Flughafen gefahren, da Dad mal wieder einen Vortrag bei irgendeiner Messe halten muss und Ben ihn begleitete. Daher waren Mum und ich allein und hatten das ganze Haus für uns.

"Mum", rief ich lautstark durchs Haus, sie musste mir noch einen Test unterschreiben, da morgen wieder Schule ist. Doch sie antwortete mir nicht. Also lief ich die Treppe runter und suchte sie. Ich fand sie im Wohnzimmer auf der Couch sitzend. Sie starrte auf ein Gemälde, welches neben dem Fernseher hing.

Das Bild musste neu sei, denn ich sah es zum ersten Mal oder es kam mir zumindest so vor. Es war mit Ölfarben gemalt und ziemlich dunkel gehalten. Hauptsächlich hatte der/die Künstler/in Blutrot, Schwarz, Weiß und verschiedene Grautöne verwendet. In der Mitte des Bildes befand sich ein menschliches Herz, welches stark blutete. Das ganze Bild sah danach aus, als hätte der/die Maler/in seelische Schmerzen.

Als ich mich zu meiner Mum auf die Couch setzt, erschrak sie ein wenig.
Doch dann hob sie ihr Sektglas und fragte mich, ob ich auch etwas möchte. Ich nickte und sie stand auf und kam wenig später mit einer bereits geöffneten und angefangenen Champagnerflasche sowie einem weiteren Sektglas wieder. Meine Mum ließ sich auf die Couch sinken, goß mir und sich selbst ein. Dann gab sie mir das Glas und lächelte. Ich nippte am Glas, jedoch unterbrach mich meine Mum und meinte, dass wir zuerst anstoßen müssen.

"Auf was denn?", fragte ich skeptisch. Ich war nicht so der große Anstoß Freund.

Sie überlegte kurz und schlug dann vor: "Wie wär's, wenn wir auf deinen neuen Freund anstoßen?"

"Mhm", gab ich von mir und verzog mein Gesicht. Genau das hatte ich jetzt gebraucht. Jemand, der mich an meinen ach so tollen Freund erinnerte. Daraufhin sah mich meine Mum komisch an. Sie hatte beide Augenbrauen nach oben gezogen und das muss schon etwas heißen.

"Okay, lass uns auf ihn anstoßen", gab ich nach und hob das Glas. Eigentlich tat ich das nur, damit sie nicht nachfragt, was los ist.

"Nein, Stop! Zuerst erzählst du mir was los ist", beansprucht sie. Ich seufzte. Warum kann mein Plan nicht einmal aufgehen?

"Mhm", murrte ich. Ich wollte ihr nichts erzählen bzw. ich könnte ihr es auch gar nicht erzählen. "Egal, ist nicht so wichtig", sagte ich schließlich und hoffte zutiefst, sie würde endlich das Thema wechseln.

"Bist du nicht glücklich mit ihm?", fragte sie und sah mich mit großen Augen an. Seit wann interessiert sie mein Privatleben?

"Doch eigentlich schon", antwortete ich zögernd, aber es war gelogen. Ich hasste es, sie anzulügen. Ich möchte es allgemein nicht zu lügen, aber noch mehr hasste ich es, angelogen zu werden.

"Aber irgendwas stimmt nicht?" Mum gab (noch) nicht auf.

Auch wenn ich glaubte, dass Neal eigentlich ein ganz netter Typ war, würde ich wahrscheinlich nie freiwillig mit ihm zusammen sein. Ich bin einfach kein Beziehungstyp und das wird sich wahrscheinlich auch nie ändern.

"Lass uns einfach anstoßen", meinte ich und hielt mein Glas erneut in die Luft, "und das Thema wechseln."

"Klar, Schätzchen", flötete meine Mutter lächelnd und stieß mit mir an.

Ich schaltete den Fernseher an und wir tranken noch ein paar mehr Gläser Champagner. Im Fernsehn lief die wahnsinnig niveauvolle Castingshow DSDS. (Ich weiß, dass das eigentlich nur Samstags im Fernsehn' läuft, aber es kommt dort einfach auch Sonntags, okay? xD) Eigentlich schaue ich so etwas ja nicht, weil ich es absolut Niveaulos finde, aber es lief nicht wirklich was besseres außer irgendeine Talkshow über Flüchtlingspolitik. Ein ziemlich wichtiges Thema, jedoch sah ich mich derzeit nicht in der Lage dazu, mich mit diesem Thema zu so später Stunde zu befassen.

Als die Flasche immer leerer wurde, ich mich immer mehr eins mit der Couch wurde, sowie unsere Kommentare zu den Kandidaten immer beleidigender wurde und die Flasche dann tatsächlich leer war, bat mich meine Mum, noch eine Flasche Wein aus dem Keller zu holen. Ich brachte es nicht übers Herz Nein zu sagen, so stand ich auf und lief in den Keller. Obwohl ein paar Gläser Champagner nicht viel waren, schaffte ich es dennoch nicht, gerade zu laufen. Ich brauchte zwar etwas länger bis ich wieder im Wohnzimmer war, weil ich mich zuerst noch bei der Tür geirrt hatte, aber ich schaffte es und das war doch das wichtigste. Ich holte sogar noch Weingläser aus der Küche und goß mir und meiner Mum ein. Wir stoßen an und genossen den Rotwein.

Ich sah meine Mum seit langem wieder Lachen. Es war schön, wieder etwas Zeit mit ihr alleine zu verbringen. Irgendwann war auch DSDS vorbei, jedoch schaltete niemand den Fernseher aus. Also blieb er an und wir schauten einfach weiter und tranken immer mehr Wein. 


Ich musste gestern irgendwann eingeschlafen sein, denn ich wachte nicht wie üblich in meinem Bett auf, sondern befand mich auf unserer Couch im Wohnzimmer. Ich trug auch immer noch meine Jogging Hose und meinen YOLLO-Hoodie. Am liebsten hätte ich mich einfach zurück in die Kissen fallen gelassen und nochmal eine Runde geschlafen, doch meine Blase machte Stress. Daher zwang ich mich aufzustehen und erstmal das WC aufzusuchen. Es war gar nicht so einfach, denn mein Kopf tat wahnsinnig weh und meine Füße fühlten sich so an, als wären sie seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden.

"Lysa, musst du nicht zur Schule", fragte mich meine Mutter, die mindestens genauso schlimm wie ich aussah, verschlafen.

"Welcher Tag ist heute?", wollte ich wissen. Bitte lass es Samstag sein.

Sie schaute auf ihre Uhr und sagte: "Montag."

Mein Gehirn begann, verdammt langsam zu arbeiten. "Fuck. Fuck", fluchte ich, "Ich hab heute Französischschularbeit."

"Zieh dich schnell um, dann fahr' ich dich hin", schlug Mama vor. Sie war meine Rettung.

Ich nickte zustimmend, lief in meine Zimmer, zog mich schnell um, schnappte mir meinen Freitag Rucksack sowie etwas zum Anziehen und lief gleich wieder runter. Unten wartete bereits meine Mum. Sie hatte schon ihren schwarzen Mantel an und ihre Autoschlüssel griffbereit, als ich die Treppe runter kam. Ich schlüpfte schnell in meine rosaroten Vans, nahm mir meinen grauen Mantel und lief zu Mum's Auto.

Sie raste wie eine Wilde durch die Stadt, fuhr über Ampeln, die eigentlich schon längst rot waren, hielt sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung und und und ...

Trotzdem kamen wir zu spät. Aber nur fünf Minuten, was noch ganz akzeptable ist. Vielleicht wartete die Lehrerin ja auf mich. Okay, der war gut. Sie würde niemals auf mich warten. Für meine französisch Lehrerin, war ich die Wiedergeburt des Teufels.

Daher verabschiedet ich mich schnell noch von meiner Mum und bedankte mich, dass so mich gefahren hat und wollte eigentlich schon aussteigen, als sie mir zehn Euro in die Hand drückte, damit ich mir etwas zu Essen kaufen konnte. Dann sagte sie noch: "War schön mit dir gestern", und schaute mich liebevoll an. Okay, seit wann hatte sie so viel Liebe zu verschenken? "Jetzt aber los mit dir, sonst kommst du noch zu spät!"

"Bin ich schon weg", lachte ich und stieg aus. Doch bevor ich endgültig im Schulgebäude verschwand, drehte ich mich nochmal um, um meiner Mum zum Abschied nochmal zu winken. Sie lächelte nur noch herzlicher und winkte mir sogar zurück. Dann startete sie den Motor ihres Mercedes und fuhr lächelnd davon. Da müsste ich auch lächeln. Doch mein Lächeln verschwand ziemlich schnell wieder.

Es verschwand als mir der Direktor entgegen kam, und sich wunderte, was ich hier im Gang noch machte. Ich stotterte, das ich noch ein Termin hatte. Er nahm meine Ausrede mit einem "Achso" hin und verschwand. Nun sollte ich mich aber wirklich beeilen, wenn ich noch ein Chance auf eine positive Note haben wollte.

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