Kapitel 3 - Das Mädchen

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Zuerst geschah nichts.

Ich atmete tief ein und aus und genoss die frische Luft, die meine Kopfhaut nun endlich erreichen konnte.

Dann machten sich leises Geflüster und verstohlene Blicke von den benachbarten Bänken bemerkbar.

Sie musterten meine Haare, mein Gesicht, meinen Körper, meine Körperhaltung. Was letzteres betraf hatte ich in den Jahren gelernt mich wie einer von ihnen zu bewegen und auch in ihrer 'Sprache' (besser gesagt: ihre Art zu sprechen) zu gegrauchen.

Sie wurden unsicher, nervös, wollten keinen Fehler begehen. Und einen Krieger zu fragen, ob er eine Frau war, war ein riesiger Fehler. Vielleicht konnte es auch tödlich enden, auf jeden Fall aber schmerzhaft!

Nach gewisser Zeit, in der ich nichts untypisches gemacht hatte (kratzten, ungeduldig mit dem Fuß auf und ab wippen (ihrer Meinung nach, weil ich auf mein Bier wartete, eigentlich weil ich nervös war und nicht wusste, was ich machen sollte), ab und zu über einen der unzähligen unschicklichen Witze lachen), verloren sie größtenteils das Interesse an mir.

'Puh, geschafft', dachte ich mir und konnte mich endlich etwas entspannen.

Wie lange brauchte Jason denn noch?! Mal ehrlich, die Schlange (eher der Haufen) vor der Bar war lange, aber wenn man sich richtig durch drängelte war man schneller an der Reihe als manch andere, die sich nur herum schubsen und jeden vorließen, der auch nur entfernt gleich stark aussah.

Hätte er denn nich wenigstens auch mal fragen können, was ICH trinken wollte?!?

Dummerweise ging mein Wunsch genau in diesem Moment in Erfüllung. Jason, dieser schwachmatische Affensprössling rief durch das ganze Zelt, so laut, dass es auch ja jeder mitbekam: ,,Hey Storm! Sto-orm!?! Bier oder Wein?"

Wie nicht anders zu erwarten wurde es mucksmäuschenstill. Suchende Blicke wanderten durch den Raum, musterten jedes Gesicht, jeden Körper, jeden Blick.

Natürlich waren die Augen der benachbarten Männer zielgerichtet sofort zu mir geschnellt, und ich war nicht klug genug gewesen. Ich war so dumm, dumm, dumm! Anstatt selber nach dieser 'geheimnisvollen Person' *hust*hust* Ausschau zu halten und mich damit als unwissender erkennen zu geben, lief ich meinen Verfolgern direkt in die Arme. Blicke. Was auch immer.

Es war mein erster Reflex und nicht wieder gut zu machen. Damit bedeutete ich ihnen, dass ich anfangs ihre Blicke und ihr Geflüster wahrgenommen hatte. Dass ich hingehört hatte. Dass ich so ewas erwartet hatte. Dass ich schuldig war!

Jason guckte nur verdattert, ganz überrascht von der angespannten Stille, während jeder sein Opfer suchte und fand. Kein Wunder, denn wer mich bis jetzt noch nicht entdeckt hatte, brauchte nur noch den Blicken der Anderen zu folgen.

Obwohl ich ziemlich am Rand saß, dass tat ich immer, da ich mich in der Mitte unwohl und ausgeliefert fühlte, war es nun so, als ob ich der Mittelpunkt des Zeltes sei. Alle Augenpaare, ohne Ausnahme alle, waren auf mich gerichtet.

Wie auf Kommando fing das Geflüster in den hintersten Ecken an, am weitesten von meinem Platz entfernt, breitete sich aus wie kleine Wellen. Immer mehr Männer trauten sich, informierten ihre Nachbarn über dieses Mysterium, diesen Mythos, der vor ihnen saß. Dabei klebten ihre Blicke immer nich auf meinem Körper, achteten auf jede kleinste Bewegung von mir, immer bereit zu schweigen oder zu flüchten.

,,Angeblich kam sie schon mit acht in die Armee!" ,,Ich habe gehört, sie wäre erst sechs gewesen und sei seitdem hier geblieben."

,,Sie ist Kane's Liebling. Er verhätschelt sie, ich glaube sie muss nicht einmal in eine Schlacht ziehen um sich voll fressen zu können!" ,,So einen Unsinn habe ich ja schon lange nicht mehr gehört! Sie ist die Beste! Sie ist der Grund, wieso wir immer gewinnen. Oder was glaubst du, wer zweihundert Männer ausschälten kann?!" ,,Sicher nicht so ein schwächliches Mädchen!" und so weiter...

Ich könnte Jason umbringen!!!

Die Stadt des HassesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt