Kapitel 17 - Frühstück

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Ich wachte ausgeruht aus einem traumlosen Schlaf auf, oder zumindest konnte ich mich an keine weiteren Träume erinnern. Trotzdem fühlte ich mich so entspannt und erholt wie schon lange nicht mehr. Nun gut, ich hatte mir in der vorletzten Nacht wohl ein, zwei Zerrungen geholt, aber die würden wieder verschwinden. Ich war viel zu gut gelaunt um mich darüber zu ärgern, zu gut gelaunt um mich über irgendetwas ärgern zu können.

Nachdem ich mir meine normale Kleidung angezogen hatte, ein abgetragenes schwarzes Hemd und eine lederne, ebenfalls schwarze Hose, ging ich aus meinem Zelt um mir eine frische Mahlzeit zu besorgen. Nicht zu vergessen mein Brustband, dass ich normalerweise Tag und Nacht trug, damit mich keiner als Mädchen entlarven konnte.

Aber jetzt hatte ich Hunger. Riesigen Hunger, besser gesagt.

Ehrlich gesagt hatte ich Mühe mich nicht vor Bauchschmerz zusammen zu krümmen, ich hatte seit zwei Tagen fast nichts gegessen und mich auch sonst ziemlich vernachlässigt.

Aber diese Schwäche wollte ich mir nicht geben, nur wegen Nährstoffmangel, wie sieht das denn aus?!

Also ging ich wie so oft zu meinem manchmal, leider viel zu oft, dämlichen aber liebenswerten Freund Jason.

"Hey! Sie ist wieder zurück! Von den Toten auferstanden um sich zu rächen und uns alle ins Verderben zu stürzen!", rief mir dieser Dorftrottel zuallererst entgegen, als ich sein Zelt betrat.

Er war auch einer der wenigen Auserwählten, die ihr Zelt nicht teilen mussten, was zum größtem Teil daran lag, dass ich mit ihm befreundet war und so wenig Informationen über mich wie möglich bekannt werden durften.

"Wohl eher um dich zu köpfen und an die Krähen zu verfüttern, wenn du mir nichts zu Essen bringst", grummelte ich.

"Na da ist aber jemand schlecht gelaunt. Zu wenig geschlafen, eure Majestät?"

"Nein, hab nur Hubger. Geht schon." Ich erinnerte mich wieder an meinen Traum. "Alles bestens", fügte ich noch mit einem sanfteren, verträumten Lächeln hinzu.

Jason starrte mich nur irritiert an, wahrscheinlich weil ich sonst so gut wie nie lächelte. Selbst in seiner Nähe war so ein Lächeln die absolute Ausnahme denn es war... typisch Mädchen. Viel zu sanft für Männer, mit ihrer Grausamkeit, ihrem Unmut und ihren derben Sprüchen. Es entsprach viel zu sehr meinem 'wahren Ich', dass keiner wirklich kannte. Nicht einmal ich selbst.

Vor allem nicht ich selbst.

"Okaaaay, also ich geh dir dann man was zu Essen holen... ich glaube der Nährstoffmangel hat dir nicht so gut getan. Stell ja nichts doofes an!" "Als ob ich diejenige von uns beiden wär, die dumme Dinge tut", gab ich nur spöttisch von mir.

Nach einer anständigen Mahlzeit hatte ich den Zwischenfall mit Diego und Blondie, den beiden Verrätern wegen denen ich nichts zu essen bekommen konnte, so gut wie vergessen. Bis mal wieder Jason kam.

"Also, was ist gestern passiert? Ich dachte du wolltest mit ins Zelt und feiern, aber dann warst du nicht mehr da und ich dachte erst du hast wieder gekniffen, aber als du nicht in deinem Zelt warst... Keine Ahnung. Aber du glaubst nicht, was für 'nen Herzinfarkt ich fast bekommen habe als ich dich halb festgenommen und nur mit einem Kopf in der Hand bei diesen zwei Soldaten gesehen habe! ich meine hallo? Mit einem Kopf! Und dann auch noch von diesem Typen der dich im Zelt angrabschen wollte! Ich glaube das macht so schnell keiner mehr."

"Das war nicht deswegen", verteidigte mich. "Ich habe gesehen wie er und ein Freund sich aus dem Lager geschlichen haben! Da bin ich ihnen gefolgt. Sie wollten geheime Informationen an den Feind weitergeben. Okay, vielleicht wollte ich mich anfangs rächen, aber als ich dann bemerkt habe was die beiden vorhatten, hab ich auf den richtigen Moment gewartet und ihn genutzt."

"Und was ist mit seinem Freund passiert? Gevierteilt? Zerstückelt? Geköpft und an die Krähen verfüttert?", scherzte Jason weiter. So ein Idiot.

"Den hab ich nicht gekriegt", hab ich leise zu. "Dieses Arschloch hat sich einfach weggeschlichen als ich mit wichtigeren Dingen beschäftigt war!"

"Immer ruhig Blut, Kleine. Und was hat Oberst Kane gesagt? Du warst ja ganz schön nervös als ich dich zu seinem Zelt gebracht habe." "Hat sich geklärt", erwiderte ich nur knapp. "Und ausserdem, unser nächstes Ziel heißt Iskasa. In drei, nein zwei Tagen geht es los." Jason stöhnte genervt. "Schon wieder umziehen? Das halte ich nicht länger durch! Bitte bring mich um und sorge dafür, dass meine Sterblichen Überreste meiner Frau überreicht werden."

Ja, das war noch so ein Punkt, den man bei Jason nicht erwartet hätte. Er hatte eine Frau. Besser gesagt: er hatte eine Frau.

Das war nicht selbstverständlich, vor allem nicht in der Armee, und er liebte sie über alles. Noch ungewöhnlicher war jedoch, dass sie keine zwölf war (worüber ich sehr, seehr froh war, denn es gab viele solcher Pädophilen) un ihn genauso, wenn nicht noch mehr liebte. Die beiden hatten Glück, denn es war ihnen nicht vergönnt gewesen ihren Partner auszusuchen, eine Zwangsheirat war Pflicht. Jason hat mir erzählt, sie wären sich schon davor begegnet und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich persönlich bin da die totale Skeptikerin aber Jason, der zwei Meter große, meist brutale Jason, war in dieser Hinsicht stur wie ein Esel und glaubte an die wahre Liebe. Was für ein Schwachsinn! Das ist als hätte man in seinem Leben nur Brot gegessen und bekommt plötzlich einen Kuchen aufgetischt. Klar, im ersten Moment schmeckt er richtig lecker, verführerisch gut, aber dann schmeckt man diese Süße die einfach übertrieben ist und diese Berge von Sahne die einem den Appetit verderben, und irgendwann hat man die Nase voll davon!

Woher will Jason wissen, dass er seine Frau nicht in zehn, zwanzig Jahren satt hat?

Aber egal, ist ja schließlich sein Problem.

"Jason, an einem Umzug ist doch garnichts schlimmes! Wenn du mich fragtst, ich will endlich weg von diesem langweiligen Platz im Nirgendwo. Stell dir doch nur mal vor wie schön es in der Stadt wird! Häuser, mit Betten in denen wir schlafen können! Bottiche, in denen wir uns waschen können! Normale Leute, mit denen wir reden können!" Jason blickte mich mürrisch an. "Ja, klar ist die Stadt toll. Vor allem Iskasa." Ich musste schlucken. "Aber jetzt denk doch mal an den Ritt. Die lange Reise. Die Rationierungen. Der wenige Schlaf und die weiten Wege. Wir werden wieder hin und her gescheucht werden, dürfen kaum Pause machen, bekommen nur ein paar Stunden schlaf und müssen am nächsten Tag noch schneller vorankommen!"

"Jetzt sei doch nicht immer so ein Weichei, du Jammerlappen! Es wird bestimmt toll!"

Ich hatte damals noch keine Ahnung, dass wir niemals gemeinsam die Stadt erreichen sollten.

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Erst einmal ein Riesen großes Danke an alle, die auf dieses Kapitel gewartet haben. Eigentlich wollte ich schon viel früher updaten, aber meine doofe App hat gesponnen, sodass ich nicht schreiben konnte :/

Dazu kam auch noch Klassenfahrt und schlicht und ergreifend die Tatsache, dass ich mich mehrmals verrannt hatte.

Hoffe es gefällt euch trotzdem und ihr habt mich nicht einfach aufgegeben -_-

C u, AnnKathrinMller

Die Stadt des HassesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt