Kapitel 8

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Als Jess an diesem Tag nach Hause kam, war sie überrascht, dass ihr Haus nicht bereits in Flammen stand. Stattdessen fand sie Alex auf ihrem Sofa vor der Glotze hängend vor.

Die Augen des entflohenen Experiments hingen wie gebannt vor dem Bildschirm, während eine billige Lovestory-Seifenoper darauf herum flackerte.

Der schneeweiße Hengst wirkte müde, doch er schien nicht im Traum daran zu denken, seine Aufmerksamkeit auch für nur einen Augenblick vom Bildschirm abzuwenden.

»Wie lange schaust du den Mist schon?«, rief Jess, die gerade eine Tüte voller frischer Einkäufe in die Küche brachte, ihm über die Schulter zu.

»Ach, nur etwa acht Stunden. Jess! Schau doch! Das ist wahnsinnig faszinierend! Diese Pferde hier verhalten sich so irrational und dennoch finden sie immer wieder neue Lösungen für ihre tausende Probleme!«

Jess konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als sie den schneeweißen Hengst beobachtete, der nun nur noch wenige Zentimeter vor dem Bildschirm stand und seine Nase an die Scheibe des Fernsehers presste.

»Aber das ist doch nicht real!«, lachte sie. Alex blickte sie an und hob skeptisch eine Augenbraue.

»Natürlich ist es nicht real. Aber wenn es nicht zumindest einen Funken Wahrheit in sich hätte, würde doch kein Pferd auf die Idee kommen, so etwas zu produzieren! Das wäre doch dämlich.«

Jess rollte amüsiert die Augen und ging in die Küche. Sie machte sich und Alex etwas zu Essen, brachte es ins Wohnzimmer und gesellte sich dann zu Alex auf ihr Sofa.

Sofort begann ihr Alex die Story der Serie bis ins kleinste Detail zu erklären. Ob Jess wollte oder nicht, sie wurde einfach eingeweiht.

»John Clark ist mit Lynn Devonshire verlobt und hat eine minderjährige geschwängert, die ihn nun damit erpresst, alles am Tag seiner Hochzeit auffliegen zu lassen, wenn er ihr nicht genug Geld für den Unterhalt zahlt. Aber John weigert sich. Jetzt will er einen Vaterschaftstest machen, um zu beweisen, dass er nicht der Vater des Fohlens sein kann.«

Jess verkniff es sich, Alex zu sagen, dass das die Hauptstory so ziemlich jeder dramatischen Liebesserie war, die zurzeit im Fernsehen lief. Aber sie wollte ihm nicht die Begeisterung vermiesen.

»Und du stehst auf sowas? Ich meine. Solltest du nicht eher auf Horror- oder Actionfilme stehen, in denen gemetzelt wird, was das Zeug hält? Schließlich zögerst du ja auch nicht davor, zwei Pferde auf einmal abzumurksen.«

»Ach, die zwei hatten es nicht besser verdient. Waren in meiner Verbrecherdatenbank abgespeichert, müssen wohl was verbrochen haben. Habe sie ja sogar in flagranti erwischt.«

»Verbrecherdatenbank?«, schnaubte Jess verwirrt. Alex blickte sie an, als verstünde er nicht, wie sich davon nichts wissen konnte.

»In meinem Kopf. Wurde mir installiert, um mir zu sagen, wer auf meiner Abschussliste steht und wer nicht. Ich dachte, das wäre ziemlich offensichtlich.«

Offensichtlich war etwas anderes. Jess schluckte hart den letzten Bissen ihres Abendessens hinunter-

»Aber du warst doch nie im Einsatz? Wozu dann eine Abschussliste, wenn du nicht einmal-«

Da fiel es Jess wie Schuppen von den Augen. Und ein ganz mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit.

Sie hatten ihm Testdaten auf die Datenbank geladen. Keine Daten von wahren Verbrechern. Meistens waren es Daten und Bilder von zufällig vorbeigekommenen Personen auf offener Straße, die benutzt wurden, um die Gesichtserkennung oder die Reaktion eines Experimentes zu testen. Nach dem Scheitern von A3360 mussten die Wissenschaftler vergessen haben, diese Daten wieder von Alex Datenbank zu löschen.

A3360 - Opfer der Wissenschaft (8 Kapitel Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt