Als ich meine Augen öffne, begrüßt mich das helle Tageslicht. Zu meiner Rechten schläft meine Katze Shadow, deren schwarzes Fell ich streichle und sie daraufhin ein gedämpftes "miau" von sich gibt. Ich krieche aus dem knarrenden Bett und bewege mich in Richtung meines alten Kleiderschrankes, aus dem ich ein schwarzes Kleid plündere und es über meinen blassen Körper streife.
»Liv?« Eine schrille Stimme ertönt, die keiner anderen Person als Bella gehört. Ich höre leises Trampeln auf der alten Holztreppe, welches immer lauter wird. Die Tür wird aufgerissen und Bella steht fertig angezogen und mit ihren gemachten Haaren in meinem Zimmer. Ihren süßlichen Duft rieche ich bis hier hin.
Ich ziehe fragend meine Augenbrauen hoch, woraufhin sie mit einem "Taddl und Ardy sind da" antwortet. Ich renne hektisch zum Rollstuhl und spüre mein Herz gegen meine Brust hämmern. Sie steigt die Treppen ein paar Stufen wieder hinunter und ruft: »Kommt nach oben«
Ich nehme laute Schritte wahr und im nächsten Moment betreten Taddl und Ardy mein Zimmer, deren Augen mich neugierig anstarren. Ich klammere mich vor Aufregung fester an die Armlehnen des Rollstuhls.
»Dich habe ich doch schon mal gesehen. Du heißt Liv, oder?«, brummt Taddl mit seiner dunklen Stimme, woraufhin ich nervös nicke.
Er erinnert sich an mich.
Thaddeus Tjarks erinnert sich an mich.
Er ist da.
Er ist so real.
»Hey«, begrüßt mich Ardy, dessen Stimme deutlich höher klingt als Taddl's. Mir fällt seine schwarze Cap auf, die er verkehrt herum trägt, und ein paar braune Strähnen, die heraus hängen.
»Hey«, gebe ich mit klopfendem Herzen zurück.
»Okay, dann wünsche ich euch beiden noch viel Spaß!«, ruft Bella plötzlich, während sie Ardys Arm packt und ihn hinter sich her zieht. Sie verabschiedet sich mit einem aufgesetztem Lächeln und knallt die Zimmertür zu. Taddl betrachtet kurz überrascht die zugefallene Tür und lenkt dann seinen Blick in meine Richtung.
»Ist sie immer so?«, fragt er verwirrt und zeigt mir seine weißen Zähne, indem er zu Lächeln beginnt.
»Weiss ich nicht«, nuschele ich schüchtern.
»Wieso weisst du nicht?«, fragt er, und ich antworte mit: »Wir reden eigentlich nie miteinander«, woraufhin er sich auf den leeren Stuhl zu meiner Linken setzt und meine Gestalt aufmerksam betrachtet.
»Wieso redet ihr nicht miteinander?«, fragt er.
»Um das zu verstehen, musst du meine Geschichte kennen«, antworte ich.»Dann erzähle mir deine Geschichte, Liv Johnson.«, sagt seine tiefe Stimme, woraufhin ich mich frage, ob er sich tatsächlich meinen Nachnamen gemerkt hat, und warum ich ihn interessiere. Das reiben seiner Hände ertönt.
»Wieso interessiert's dich?«, zische ich ungewollt genervt. Eigentlich mag ich Thaddeus Tjarks, aber wenn man mich auf meine Vergangenheit anspricht, reagiere ich nicht besonders freundlich. Und das soll er lernen zu aktzeptieren.
Ich sehe zu Taddl, der mich verwundert betrachtet. Ich kann seine Verwirrung verstehen. Sich um ein Mädchen kümmern zu müssen, welches zuerst total schüchtern wirkt und sich dann als freches Mädchen entpuppt, muss eigenartig sein. Ich frage mich ob er überhaupt noch Lust hat sich mit mir zu unterhalten, denn ich hätte an seiner Stelle keine Lust mehr auf diese Konversation.
»Du interessierst mich eben irgendwie. Also, erzähl mir: Was ist das Problem?« Taddl setzt sich so um, dass seine Augen nun ein besseres Blickfeld auf meine Gestalt haben.
»Taddl..«, beginne ich und atme tief durch meine beiden Lungen, »Niemand kann mich retten. Nicht du, nicht Bella, nicht irgendein' Psychiater. Niemand kann das. Ich bin Teil des Problems.«
Ich habe keine Lust mehr mich mit Thaddeus über dieses Thema zu unterhalten. Wenn er mich richtig kennen würde, würde er mich nur noch komischer finden als er mich jetzt schon findet. Verstehen würde er mich nicht. Niemand tut das. Bis auf Felix und Shadow, wobei ich Shadow nicht wirklich dazu zählen kann, da sie meine Sprache sowieso nicht versteht.
'Oh gott, wieso mache ich das alles hier überhaupt?' frage ich mich immer wieder, doch dann leuchtet mir die Kette meiner Mutter ein, die Bella mir für immer nehmen würde, wenn ich nicht das mache, was sie mir befiehlt. Und auch wenn ich mich dabei unglaublich schlecht fühle, habe ich keine andere Wahl. Ich würde alles für diese Kette tun.
Er guckt mich einfühlsam an, und ich merke, wie ernst es ihm ist. Ich schaue von ihm weg, da seine blauen Augen anfangen mich nervös zu machen.
Eine warme Hand legt sich auf meine, woraufhin ich kurz zusammen zucke. Ich blicke zurück in sein niedliches Gesicht. Er umfasst meine kleine Hand mit seinen großen Händen und hält sie hoch. »Ich verstehe dich, Liv. Besser als du denkst. Ich-«
»Nein, hör auf damit«, zische ich und ziehe meine Hand aus seinen, »lass uns bitte das Thema wechseln. Bitte.«, flehe ich. Er nickt verständlich und sieht die ganze Zeit zu mir, sein Blick weicht nicht ab.
Mein Herz klopft unregelmäßig. Ich habe Angst mit Personen zu sprechen, in der Furcht, sie werden mir zu wichtig. Alles, was mir wichtig ist, geht. So war es schon immer, so wird es immer bleiben. Und ich fürchte mich davor, mich in Taddl zu verlieben. Ich möchte das nicht. Denn die Warheit ist: Ich bin Liv Johnson. Ein Mädchen, das sich nie akzeptieren wird und nie den Tod ihrer Eltern akzeptieren wird. Und ich glaube, wenn man als Kind beide Elternteile verliert, verliert man das Vertrauen in die Welt.
»Sind das deine Eltern?«, Taddl blickt in Richtung meiner kahlen Wand, welche mit meinen Polaroid-Fotos beklebt ist. Für einen Moment bin ich wie gelähmt. Ich kann nicht verstehen, was ich eben gehört habe, ich möchte es nicht verstehen. Langsam breitet sich in meinem Inneren eine riesige Leere aus, ich fühle mich, als hätte jemand sämtliche Kraft aus mir gezogen. Taddl dreht seinen Kopf zu mir. Er blickt mich sorgsam an, als ungewollt eine einzelne Träne meine Wange hinunterläuft.
Und dann breche ich vollkommen in Tränen aus.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen bückt er sich zu mir herunter und umschlingt meinen Körper mit seinen langen Armen, während ich schluchze und immer wieder nach Luft schnappe. Er drückt mich fest an seine Brust, wodruch mir sein angenehmer Körperduft in die Nase steigt, und ich spüre etwas, was ich schon lange nicht mehr gespürt habe:
Geborgenheit.
Es ist dieses Gefühl, welches mir bisher nur meine Eltern geben konnten, die mich aber schon lange verlassen haben.
Ob sein Herz so rast wie meines?
»Es tut mir Leid«, flüstert er mit seiner dunklen Stimme gegen mein Ohr, woraufhin sich meine Nackenhaare aufstellen. Sein warmer Atem kitzelt an meinem Hals, doch es ist angenehm. Er nimmt meinen Kopf in seine großen Hände und wischt meine kalten Tränen mit seinen Daumen weg. Und da waren sie wieder. Seine blauen Augen.
»Es ist okay« Ich lächle. Er lächelt. Wir lächeln uns an.
»Ich mag dich, Liv Johnson.«, haucht er gegen mein Gesicht. Sein Atem riecht nach Minze.
Möchte ich überhaupt von ihm gemocht werden?
Ja, das möchte ich.Ich fühle mich nicht mehr alleine.
Ich fühle mich gemocht.»Ich mag dich auch, glaube ich«
Und seit diesem Augenblick weiß ich, dass Liebe schneller sein kann als unser Bewusstsein. Liebe ist etwas, auf das man keinen Einfluss hat, sondern etwas, das einen findet - ohne Grund, ohne Kommentar und ohne, dass man sich dagegen wehren kann. Liebe kann man nicht erklären, sie trifft einen wortlos - mitten in's Herz.
Jeder Mensch braucht jemanden, bei dem man sich fallen lassen kann.
Und ich glaube, bei mir ist dieser jemand Thaddeus Tjarks.
~~~
Könnt ihr vielleicht irgendwas kommentieren? Ist egal was, hauptsache ich sehe, das sich jemand das Kapitel komplett durchgelesen hat💕 :)
DU LIEST GERADE
Faking It ☆ Taddl
Fanfiction'Seine Augen sind wie ein Portal in eine andere Welt, ohne Garantie, jemals wieder aus dieser Welt herauszukommen.' [Inspiriert von John Green] 2016-2017 || Janiiix3