Kapitel 2

216 11 4
                                    

»Liv!« Es ertönt eine schrille Stimme, die mich nervtötend aus dem Schlaf reißt.

Meine Augen öffnen sich sofort und ich mustere panisch mein Zimmer. Ich setze mich kerzengerade hin und starre erst übermüdet auf die Wand gegenüber von mir, während ich aus dem Augenwinkel meine Schwester auf mich zurennen sehe.

»Was ist los?«, krächze ich müde.

Bella bleibt vor mir stehen und setzt sich auf mein Bett, in dem ich drin liege.

»Ich brauche kurz deinen Laptop. Bekomme ich ihn?« Sie streicht sich eine Strähne aus ihrem Gesicht und legt ihre Hand auf meinen Laptop, der seit gestern dort auf meiner dunklenfarbigen Decke liegt, da ich beim Youtube gucken wahrscheinlich eingeschlafen bin. Zum Glück ist er nicht runter gefallen, denke ich mir.

»Wieso musstest du dann so laut schreien? Ich dachte schon, es brennt oder so.« Leicht verärgert lege ich meinen Kopf wieder auf mein graues Kissen.

»Ist doch jetzt egal, du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagt sie mit einem genervtem Unterton.

»Benutze ihn halt kurz, aber bleib hier.« Ich stöhne leicht genervt und drehe mich auf die Seite.

Sie nimmt meinen Laptop, legt ihn auf ihrem Schoß ab und klappt ihn auf. Ich höre das Geräusch, welches mein Laptop immer macht wenn es entsperrt wird.

»Wer ist das?«, fragt Bella nach kurzer Zeit und dreht den Bildschirm zu mir.

Ich setze mich auf und starre auf den Bildschirm. Die Website von Ardys Youtubekanal ist noch geöffnet.

»Das ist Taddl«, ich deute auf den Bildschirm, »Und das ist Ardy.«

»Und wieso guckst du ihre Videos an?«, fragt sie und guckt verwirrt.

»Weil ich sie lustig finde.«

»Gehen die nicht arbeiten oderso?« Sie lacht und wirft ihr blondes Haar zurück.

»Sie verdienen ihr Geld mit Youtube.«

Nach diesem Satz beginnt sie lautstark loszulachen, während ich versuche, sie zu unterbrechen.

»Wieso lachst du? Sie verdienen sehr viel damit und können gut davon Leben. Sie können sich zum Beispiel einen spontanen Urlaub nach Amerika leisten.«

»Echt?«, Sie hört auf zu lachen.

»Ja.«

»Wo wohnen die beiden?«, fragt sie und wirft einen weiteren Blick auf Ardys Youtubekanal.

»In Rosewood.«

»Echt? Liv, das ist ja gleich neben Crystals!«, sagt sie begeistert.

Ich drehe mich gelangweilt weg und versuche wieder zu schlafen, doch die Tastenschläge auf dem Laptop hindern mich daran.

»Oh mein Gott, Liv!«, quietscht Bella plötzlich.

»Was?«, zische ich mit einem genervten Stöhnen.

»Die beiden organisieren morgen ein Fantreffen!«, jubelt sie begeistert.

»Naund?« Ich schließe meine Augen wieder und hoffe, das sie gleich aus meinem Zimmer verschwinden würde.

»Wir könnten sie ja treffen oder so.«

Ich lache kurz auf und sage dann: »Das kannst du vergessen. Wir würden in der Menschenmasse nur untergehen.«, woraufhin sie mit einem "Hmmm" antwortet.

Sie steht plötzlich auf, legt den Laptop auf mein Bett und geht aus meinem Zimmer. Erleichtert stöhne ich auf, als ich die Tür zufallen höre.

Ich lege den Laptop auf meinen Bauch und betrachte liegend die Websiten, die noch geöffnet sind. Bella hat gegoogelt, wie viel Geld die beiden verdienen. Ich habe das Gefühl ihr geht es nur um das Geld, denn bevor ich gesagt habe das sie viel verdienen, hat sie sich über die beiden lustig gemacht.

Ich klappe den Laptop zusammen und stehe auf, um mein Handyladekabel aus der Steckdose zu ziehen. Ich schalte mein Handy ein und merke, dass es nach 13 Uhr ist. Für mich ist das relativ normal so spät aufzustehen, denn ich gehe immer sehr spät ins Bett.

Ich laufe in die Küche und mache mir mein typisches Müsli, wie jeden Morgen, und schenke ein wenig Orangensaft in ein Glas ein. Ich bringe das Müsli und das Orangensaftglas in mein Zimmer und lege es auf meinem Schreibtisch ab. Ich esse, während ich Youtube gucke. So läuft eigentlich fast jeder meiner Tage seit meinem Schulabschluss ab. Langwelig, ich weiss, aber was soll ich denn auch schon besonderes tun? Ich habe keine Freunde außer Felix, und er hat nicht immer Zeit für mich.

Den restlichen Tag tat ich fast garnichts. Zuerst zockte ich ein wenig, und dann hatte ich wieder mit Felix geskypt. Er hat mir erzählt, dass er auch gerne Vegetarier wie ich sein würde und sich nun vornimmt, auf Fleisch und Fisch zu verzichten. Ich hatte mit ihm gewettet, dass er es nicht mal einen Monat lang aushalten könne. Der Verlierer schuldet dem Gewinner eine Pizza. Natürlich vegetarische Pizza bei mir.

Nun liege ich wieder auf meinem Bett, sauge an meinem Caprisonne-Strohalm und schaue Youtubevideos, während ich meiner Katze ihren Kopf kraule, und sie dabei schnurrende Geräusche von sich gibt. "Shadow", so heißt dieses kleine Wesen, da mich ihr dunkles Fell an einen Schatten erinnert. Sie lebt schon mindestens 5 Jahre bei uns. Meine Eltern haben sie mir damals gekauft, da sie bemerkt hatten, das ich nicht viele Freunde hatte. Sie wollten, das ich mich nicht alleine fühle. Tieren ist es egal, wie man aussieht. Sie akzeptieren einen so wie man ist.

Doch das sie mir eine Katze gekauft hatten änderte nicht wirklich viel daran, das ich mich einsam gefühlt habe. Ich war trotzdem das Mobbing-Opfer in der Klasse und daran hätten sie nie etwas ändern können. Aber damals war es okay, ich hatte zu der Zeit meine Mama und meinen Papa, bei denen ich mich ausheulen konnte. Und heute? Heute habe ich Felix und Shadow, die meine Eltern aber nicht ansatzweise ersetzen können. Niemand könnte das.

Wie wäre es eigentlich, Youtuberin zu sein und mit den ganzen anderen Youtubern Kontakt zu haben?
Wie wäre es eigentlich, mit Taddl und Ardy eine Folge "Hide n' Seek" aufzunehmen?
Wie wäre es eigentlich, Taddl in echt zu sehen?
Wie wäre es eigentlich, Taddl zu berühren?
Wie wäre es eigentlich, ihn zu umarmen?

Tausend Fragen schwirrten durch meinen Kopf, bis ich auf einmal bemerke, dass meine Schwester Bella in meinem Zimmer steht.

»Ich weiss, wie wir morgen die Aufmerksamkeit auf uns ziehen werden.«, sagt sie und lehnt sich an die zugeschlossene Tür.

»Wie?«, frage ich und lege meinen Laptop auf die Seite.

»Mit diesem Teil hier.« Sie schiebt einen Rollstuhl in mein Zimmer.

»Von wo hast du das?«, frage ich und versuche zu erraten was sie vor hat, doch ich habe keine Ahnung.

»Von 'nem Kumpel, der vor einigen Monaten einen Unfall hatte. Ist ja auch jetzt egal, ich möchte, dass du morgen auf diesem Teil rumfährst. Ich werde dich auch schieben.«

Ich lache kurz auf. Das soll doch wohl ein Scherz sein, oder?

Faking It ☆ TaddlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt