Rachedämon Widerwillen

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Seit dem Erfolg von Percy Jackson ist die griechische Mythologie voll im Kommen – und das am besten lustig verpackt. Mit »Rachedämon Widerwillen« springt  Roiben auf diesen Zug auf, hat sich aber anscheinend ein ganz eigenes Abteil gemietet, denn wenn Klischees erfüllt werden, dann im Regelfall völlig auf den Kopf gestellt und überzogen. So sehr, dass ich mich sogar frage, ob der Titel ein Versehen ist oder doch mit voller Absicht so geschrieben wurde.

Die aktuelle Version sagt nämlich aus, dass es sich um einen Rachedämon mit dem Namen Widerwillen drehen wird, während die Tatsache, dass der Protagonist unfreiwillig in dieses Dasein gestolpert ist, durch den Ausdruck »wider Willen« beschrieben werden müsste.

Wie auch immer es richtig lauten mag, Hauptcharakter Kollin, der seinen Vornamen absolut nicht leiden kann, wie eigentlich sein ganzes Leben, findet heraus, dass er die Reinkarnation eines Jahrtausende alten Dämons ist. Blöd nur, dass ihm auch ledrige Flügel auf dem Rücken wachsen sowie ein einziges Horn aus dem Schädel und er so von seiner Mutter samt Bratpfanne aus dem Haus gejagt wird.

Glücklicherweise ist er nicht auf sich allein gestellt, denn es gibt einige nette griechische Gottheiten und solche, die es gern wären, die ihn auf seiner Reise begleiten, allen voran Pyrrha, wasseraffin und in ihrer ursprünglichen Rolle mit Eva aus der Bibel zu vergleichen. Hier spielt sie eine Mischung aus Mentorin und Sidekick, je nachdem, was der Plot gerade fordert.

Dann ist da natürlich auch noch die Mission, die zwölf (ich glaube es waren zwölf) Siegelbrecher zu finden, mit denen man ein Tor im Hades öffnen kann. Irgendeine mega krasse Bestimmung also, die da auf Kollins Schultern lastet und die so wenig in meinem Kopf haften geblieben ist. Mit dem Schicksal der gesamten Menschheit hängt es nämlich auch zusammen.

Schade eigentlich, dass man im Klappentext von dem ganzen Content gar nichts mitbekommt, denn in diesem stellt unser Protagonist nur sich und sein bisheriges Leben vor. Das Ganze parodiert zwar alle Inhaltsangaben auf Wattpad, die ernsthaft so verfasst sind, spiegelt so aber nicht wider, was den Leser erwartet. Genau dazu wäre dieser Text aber da und sollte deswegen überarbeitet werden, jetzt, wo klarer ist, in welche Richtung sich die Handlung entwickelt.

Der eher mittelmäßige erste Eindruck wird aber schnell durch das erste Kapitel wettgemacht. Der Einstieg in den Plot erfolgt sehr direkt und man ist genauso überrascht wie Kollin selbst, Hades an seinem Bett vorzufinden. Dadurch bekommt man direkt Lust, weiterzulesen und alles Weitere klärt sich dann ja auch relativ schnell.

Die eigentliche Aufgabe, nämlich die Siegelbrecher zu finden, gerät allerdings schon nach den ersten Seiten in den Hintergrund und wird nur als Aufhänger genutzt, um einmal eine Reise durch die komplette griechische Mythologie zu vollziehen. Oder eher das, was in der heutigen Zeit noch davon übrig ist...

Der Autor stellt jede Menge schrullige und skurrile Charaktere vor, mal mehr und mal weniger liebenswürdig und wenn ich einzeln auf alle eingehen würde, wäre das erstens ein riesiger Spoiler und zweitens würde der Rahmen dieser Rezension gesprengt werden. Allerdings wird hier wieder ordentlich mit Klischees und Stereotypen gespielt, wodurch der Unterhaltungseffekt allemal gegeben ist. Zusätzlich steht vor jedem Kapitel eine kleine Erklärung, wer die aktuell behandelte Figur eigentlich ist, was ein äußerst nettes Detail ist, denn die großen olympischen Gottheiten treten bei dieser Geschichte eher in den Hintergrund lassen den Unbekannten, wenn auch nicht unwichtigen, den Vortritt.

Bis jetzt sind etwas mehr als zehn Kapitel der Geschichte erschienen, die sich allesamt locker flockig lesen ließen, in einfachem Stil verfasst waren und viele Gags enthielten. Ich hatte beim Lesen wirklich großen Spaß, allerdings frage ich mich, wie lange der noch anhalten wird. Da, wo die Handlung mangelhaft ist, wird momentan noch durch Witz Abhilfe verschaffen, aber ich kann nicht sagen, wie lange es dauert, bis sich das Prinzip abgenutzt hat.

Ich hatte den Eindruck, dass ich weniger einen Roman, als eine Sammlung mehrerer kurzer Geschichten vorliegen hatte. Amüsanter und gut durchdachter Slapstick, aber leider nicht mehr. Dabei wäre es gar nicht so schwer, den Plot mehr hervorzuheben und die Handlungspunkte mehr zu strukturieren. Momentan wird von einem Charakter zum anderen gehetzt und auch wenn einige mehr als nur einen einzigen Auftritt haben, kann es so als längeres Buch nicht funktionieren.

Ich, als Neil-Gaiman-Fangirl, bin hier geneigt »American Gods« als Vergleich hinzuzuziehen. Ein sechshundert Seiten starkes Buch, wo genau abgewogen ist, wie viel Raum jeder Figur zugesprochen wird und das vor allem durch seine Subplots lebt. Das ist aber eine Erzählweise, die sehr viel Platz benötigt und auch schnell mal schiefgehen kann. Da muss sich der Autor einfach darüber klarwerden, in welche Richtung er sich entwickeln möchte.

Negatives kann ich bis auf die momentan noch mangelnden Zukunftsaussichten der Story und einigen Rechtschreibfehlern nicht anmerken. Klar gibt es einige Schwächen, aber die waren dem Autor von vornherein klar und er spielt mit ihnen und versucht nicht, etwas aus dem Buch zu machen, das es nie sein kann.

Demnach fällt mein Urteil für »Rachedämon Widerwillen« sehr positiv aus. Die Intention des Werkes ist es, den Leser auf teils sehr flache Art und Weise zu unterhalten, aber doch das »Vermächtnis« der griechischen Mythologie zu wahren. Das ist auf jeden Fall geglückt. Was die Zukunft des Werkes anbelangt, lasse ich mich einfach mal überraschen, denn jede Menge Überarbeitung oder ein merklicher Umschwung in den nächsten paar Kapiteln ist zwingend notwendig, um Redundanz zu vermeiden und den Fun-Faktor zu erhalten.

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