Bis jetzt habe ich es immer so gehalten, dass ich die zu bewertenden Bücher bis zum letzten veröffentlichen Kapitel durchlese, doch da ich merke, dass ich auf diese Weise nie dazu kommen werde, auch nur eine weitere Rezension zu schreiben, ändere ich dieses Konzept ab sofort.
So habe ich das Low-Fantasy-Abenteuer »Verwobene Seelen – Weltenwandler« von MorganKingsman nur bis einschließlich Kapitel 16 von 56 gelesen, was abgesehen von den absoluten sowie relativen Zahlen den ersten Akt ausmacht, der dazu dient, eine Exposition zu gewährleisten und ein erregendes Moment zu liefern.
Beides ist in »Weltenwandler«, dem soweit ich das beurteilen kann ersten Band einer Reihe, nicht in einem für ein entspanntes Lesevergnügen sorgenden Maße geschehen.
Der Leser wird wie Protagonistin Ana in eine vollkommen neue Welt geworfen und muss sich zunächst einmal zurechtfinden. Zunächst wird ihr dafür Michael zur Seite gestellt, ein Kerl, der aufgrund einer Art Amnesie (wenn ich es so nennen kann) fast genauso wenig Ahnung hat, was Sache ist, wie seine Begleiterin. Im Laufe der ersten Kapitel offenbart sich, dass Ana eine sogenannte Trägerin ist, die es einer anderen Gruppe Menschen – den Weltenwandlern – ermöglicht, zwischen verschiedenen Welt hin und her zu springen. Ob es sich dabei um unterschiedliche Universen handelt oder über das Weltall verteilte Planeten habe ich entweder überlesen oder es wurde noch nicht explizit erläutert.
Ana, die aus unserer Welt stammt, und Michael befinden sich nun in Anderthal, einem mittelaltermarktlich anmutenden Land, dessen Städtenamen linguistisch ziemlich weit von der deutschen Bezeichnung Anderthal abweichen. Allgemein finde ich diesen Namen sehr fragwürdig, denn obwohl es für viele Weltenwandler ein fremder Ort ist, scheinen die alteingesessenen Bewohner ein gefestigtes Gesellschaftssystem und zumindest ein rudimentäres Gemeinschaftsgefühl zu haben, zumindest mehr als es im Mittelalter der Fall gewesen sein dürfte. Wieso also einen Namen für ihre Heimat akzeptieren, der von außen gegeben worden sein muss?
Solche geozentrischen Elemente finden sich allerdings nicht nur in diesem Namen, sondern auch der Art und Weise, wie die Weltenwandler, die Ana begegnen sich und ihren Herkunftsort vorstellen. Sie vergleichen alles mit dem Stand der Zeit und Welt, in der Leser und Autorin leben. Begriffe wie Modernität werden nicht relativ verwendet, sondern richten sich alle nach einer Gesellschaft, die keine der Sprechenden persönlich gesehen hat. Dadurch ist es allerdings unmöglich, sich die verschiedenen Welten als im Rahmen der Handlung wirklich existierend vorzustellen und der Leser wird von dem ihm ohnehin schon unbekannten Worldbuilding noch weiter entfremdet, anstatt nach und nach damit vertraut zu werden.
Die unterschiedlichen Charaktere, aus dessen Sicht der Leser das Geschehen abwechselnd verfolgt (Ana, Michael, ein Mädchen aus der Gilde, welche sich mit den Weltenwandlern beschäftigt und sie managt, namens Leyla und ein Prinz aus Anderthal) bieten jedoch auch keine Basis, durch die sie dem Leser langsam vertraut werden. Nicht nur scheinen sie alle keine Charaktereigenschaften zu besitzen, die unabhängig von gewissen Plotpunkten sind, sondern auch der Schreibstil ermöglicht es nicht, sich näher auf die Figuren einzulassen.
Die Erzählperspektive schwebt irgendwo zwischen personal und neutral, ohne einer klaren Linie zu folgen. Wenn mehrere Protagonisten in einem Raum sind, ist manchmal nicht eindeutig, wem der Erzähler nun folgt, was letztlich dafür sorgt, dass weder Emotionen noch Absichten nachvollziehbar abgehandelt werden. Die Figuren tun Dinge und als Leser ist es kaum möglich zu verstehen, wieso sie wie agieren oder gar eine Antizipationshaltung zu entwickeln. Einerseits ist es so schwierig, dem Geschriebenen zu folgen, im Hinterkopf zu behalten, was zuvor geschehen ist, da dies ja in keinem kausalen oder korrelativen Zusammenhang zum Worldbuilding oder den Charakteren steht, was wiederum dafür sorgt, dass die Lektüre extrem mühselig ist, andererseits bewirkt das Fehlen innerer Logik, als Leser emotional involviert zu werden, was wiederum auch wichtig ist, um sich alles Plotrelevante zu merken.
Ich habe das nicht. So fallen mit Mühe und Not noch ein paar Namen ein und das Prinzip des Weltenwandels für die Leser meiner Rezension verständlich zu erklären, ist mir wie man sieht ebenfalls nicht gelungen, da ich es selbst nicht verstanden habe. Aber ohne Konsistenz bei Charakter und Welt ist das sowieso hinfällig.
Damit wäre die Exposition als dürftig abgestempelt. Was ist also mit dem erregenden Moment?
Nun, das erfolgt als mehrfacher Mordversuch an Ana. Tatsächlich finde ich diese Idee alles andere als schlecht, wenn denn ein Übergang von kurzfristig aufkommender Geborgenheit im Kreis der Träger und Weltenwandler gegeben wäre. Stattdessen reiht sich dieses Ereignis in den Trott der stumpf aufeinander folgenden Geschehnisse ein und kommt so nicht zu der ihm angedachten Wirkung.
Zurückzuführen ist das einerseits auf die eben schon angesprochenen Problematiken, zumal der Attentäter dem Leser bekannt ist, seine Motive jedoch nicht, andererseits auf den Schreibstil, dem es sowohl an herausstechenden sprachlichen Mitteln mangelt, um Akzente zu setzen, als auch an Inhalt, der dazu verleitet mitzufühlen. Dazu gehören die eben schon angesprochenen Emotionen, aber auch Sinneswahrnehmungen sind enorm wichtig.
An sich ist der Stil allerdings flüssig zu lesen, wenn auch nichts Besonderes. Was die Orthografie angeht, sollte die Autorin sich unbedingt noch einmal die Regeln der wörtlichen Rede ansehen.
Alles in allem wirkt »Weltenwandler« in den ersten sechzehn Kapiteln strukturlos. Schlecht eingebrachtes Worldbuilding und flache Charaktere sorgen für einen Plot, der Schritt für Schritt vor sich hinrattert, ohne im Gedächtnis zu bleiben. Der Schreibstil akzentuiert Schlüsselereignisse ebenso wenig, weswegen das Aufkommen von Spannung zusätzlich verhindert wird.
Dabei ist die Idee, auf der der Roman beruht nicht schlecht, wenn auch nicht originell, und könnte mit entsprechender Planung nach klassischen Mustern einen soliden Jugend-Fantasyroman ergeben.
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Buchbewertungen - Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit
RandomIch denke der Titel dieses Buches spricht für sich. Hier gibt es Buchbewertungen für jeden, der nett danach fragt. Ehrlich und bestenfalls hilfreich.