Science-Fiction-Jugendliteratur ist momentan ein aufstrebendes Genre. Coming-of-Age-Geschichten werden mit Besuchern aus fernen Galaxien und verschiedenen Zukunftsvisionen vermischt – nicht selten ohne Liebesgeschichte im Vordergrund. Zu dieser Sorte Buch zählt auch »Extraterrestrial – Ein Blick in andere Welten« von moondustinmylungs, das zum aktuellen Zeitpunkt acht Kapitel umfasst.
Protagonistin Catherine, die im ländlichen Colorado wohnt (falls es in diesem Staat überhaupt nennenswerte Städtelandschaften gibt), beobachtet nachts, wie ein vermeintlicher Meteorit in die Erdatmosphäre eintritt und nicht weit von ihr entfernt einschlägt. Dass es sich jedoch um das Raumschiff einer fremden, aber humanoid anmutenden Spezies handelt, findet sie schnell heraus, denn aus den Trümmern steigt ein junger Mann, der kaum älter zu sein scheint als Highschool-Schülerin Catherine selbst.
Da die Faszination größer ist als Angst vor einer möglichen Alieninvasion oder anderen Problemen, die der Kontakt mit einer außerirdischen Art mit sich bringt, entschließt die Protagonistin sich, den glücklicherweise englischsprechenden Fremden mit zu sich nach Hause zu nehmen, damit er nicht als Versuchskaninchen der Regierung endet und sie den Lebenstraum ihres verstorbenen Vaters leben kann oder so ähnlich.
Allerdings ist so ein Raumschiffabsturz nichts, was wohl rein zufällig erfolgt und natürlich hegt die außerirdische Rasse eigene Pläne – die für die Menschheit nichts Gutes bedeuten. Und da es sich um einen Jugendroman handelt kommen Probleme in der Schule und gezwungen komische Szenen durch das sich auffällig verhaltende Alien auch nicht zu kurz.
Man kann meiner Inhaltsangabe der bisherigen Ereignisse wahrscheinlich schon entnehmen, dass es mir schwergefallen ist, diese ernst zu nehmen. Zu viele Logikfehler und Plotholes, die man nicht so einfach beheben kann, tummeln sich schon in den wenigen Kapiteln.
Das Ganze fängt schon damit an, dass Catherine als Protagonistin nicht in der Lage ist, die Handlung zu tragen. Sie hat keine Persönlichkeit abseits ihrer Motivation, das Alien aus fadenscheinigen Gründen zu schützen, ohne auch nur eine Sekunde lang abzuwägen, dass sie damit einen großen Fehler begehen könnte. Sie findet es nicht einmal merkwürdig, dass der Fremde ihre Sprache spricht. Das sollte schon Indiz genug dafür sein, dass sein Schiff nicht zufällig in die menschliche Hemisphäre eingedrungen ist. Aber nein, sie konzentriert sich lieber auf seine blauen Augen und blendet aus, dass die Lebensspanne seiner Spezies deutlich größer ist als die der Menschen und er mehr als fünf Mal so alt ist wie sie.
Auch weitere Eigenarten der Aliens werden nicht hinterfragt, wie zum Beispiel das wenig sinnvoll erscheinende Namensystem, bei dem Buchstaben und Ziffern wild miteinander gemischt werden. Während die Außerirdischen selbst ihre Nummern benennen und die Buchstaben ausblenden, nutzt Catherine hier eher das ihr bekannte Prinzip und ruft ihren neuen Freund Alec.
Auch das weitere Worldbuilding, das durch Rückblenden aus Alecs Sicht eingebracht wird, glänzt nicht durch Stringenz und wirkt selbst auf den ersten Blick nicht sehr durchdacht. Die Motive der Außerirdischen werden nicht deutlich, mit Ausnahme vielleicht von Machterweiterung, und die Logik hinter der Gesellschaftseinteilung in mehrere Schichten wird nicht weiter herausgearbeitet, wodurch es so wirkt, als sei dieser Aspekt nur eingebracht worden, um Alec zum armen Schlucker zu degradieren und ein bisschen Mitleid zu scheffeln.
Allgemein macht das bisherige Buch den Eindruck auf mich, in keiner Weise geplottet, sondern unüberlegt heruntergeschrieben worden zu sein. Das ist ein großer Fehler, wenn es darum geht, internationale (oder in dem Fall auch intergalaktische) Beziehungen darzustellen. Außerdem kommt so auch keine Spannung zustande und Charaktere, die als bloße Hüllen mit Namensschild und Rangzuweisung entstanden sind, können sich aus diesem Stadium ihrer Existenz nicht erheben, da sie keine Substanz hatten, als angefangen wurde, sie in die Handlung einzuarbeiten, sie aber auch keine entwickeln können, da die Handlung sich wiederum nicht aus den Figuren heraus ergibt (was man unter anderem dadurch merkt, dass an Stellen, an denen die Rahmenhandlung ohne interessante Figuren nichts zu bieten hatte, Rückblenden oder Perspektivwechsel eingestreut wurden).
»Extraterrestrial« entwickelt sich also äußerst schleppend, da weder Charaktere noch Handlung geplant sind und sich gegenseitig scheinbar im Wege stehen. Zudem kommt die Liebesgeschichte unverhältnismäßig schnell ins Rollen, obwohl noch kein Gespräch zwischen Catherine und Alec stattgefunden hat, das mehr ist als ein Infodump, was den Aufbau eines möglichen Spannungsbogens ebenfalls verhindert.
Was diese Geschichte braucht, ist eindeutig mehr Realismus. Befremdlichkeit durch unnachvollziehbares Handeln der Figuren hervorzurufen, ist keine Lösung.
Auch der Schreibstil kann am Gesamtbild nicht mehr viel ändern. Ich habe schon deutlich Schlechteres gelesen, finde aber keinen Gefallen an Parataxen mit eingeschränkter Wortwahl, wie sie hier leider öfter zu finden sind. Stellenweise versucht die Autorin sich zwar an metaphorischer Sprache, schießt da jedoch über das Ziel hinaus. So kommen in etwa Textausschnitte zustande wie: »metallfarbene Stahlwände [...] glänzten in einem schönen Grauton.« Solche Formulierungen tragen nicht zur Verbildlichung des Geschehens im Kopfe des Lesers bei, sondern führen eher vor Augen, dass der Autor nicht in der Lage ist, sich präzise auszudrücken – was man eigentlich vermeiden will.
Hier würde ich anraten, dass der Stil einheitlicher gehalten wird, dass mehr auf die innere Handlung eingegangen wird, denn auch bei einem personalen Erzähler in der dritten Person, ist das unumgänglich, um dem Leser alle wichtigen Infos zugänglich zu machen. Und auch die äußere Handlung (vor allem einschließlich Mimik und Gestik im Dialog) kann in diesem Werk häufiger beschrieben werden. An solchen Stellen wirken Metaphern und bildhafte Ausschmückungen auch nicht mehr leer und deplatziert, da sie einen konkreten Inhalt präsentieren.
Etwas, das die Autorin ebenfalls unterlassen sollte, sind die sogenannten Deppenapostrophe bei Verwendung des Genitivs. Die gibt es nur im Englischen.
Alles in allem stehe ich »Extraterrestrial – Ein Blick in andere Welten« vorrangig negativ gestimmt gegenüber. Die Grundidee gefällt mir (schließlich schreibe ich selbst ein Buch, welches sich mit dem Kontakt zu Außerirdischen auf der Erde auseinandersetzt), doch ein fehlendes bzw. schlecht ausgearbeitetes Worldbuilding, blasse Charaktere und zu viel Highschool-Klischee haben mir jeden potenziellen Spaß am Lesen verdorben. Ich rate hier also dringend zum Plotten im Vorfeld und mehr Reflektion, was das Verhalten der Charaktere anbelangt. Wie würde man selbst handeln, wenn an sich in der beschriebenen Situation wiederfände?
Einen Jugendroman zu schreiben, ist eine größere Herausforderung als man zunächst annehmen mag und wenn dann auch noch ein wissenschaftlich-futuristischer Aspekt hinzukommt, muss man sich mit diversen Faktoren auseinandersetzen. Und dann auch noch auf den Stil achten. Einen Roman wie diesen wirklich gut zu schreiben, ist eine nicht zu verachtende Leistung und es verwundert mich somit nicht, dass es der Autorin nicht gelungen ist, was aber nicht bedeutet, dass es nicht noch werden kann.
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Buchbewertungen - Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit
De TodoIch denke der Titel dieses Buches spricht für sich. Hier gibt es Buchbewertungen für jeden, der nett danach fragt. Ehrlich und bestenfalls hilfreich.