Erinnerungen

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Als die Glocke zur Pause klingelte, war ich die Erste, die ihre Tasche packte und aus dem Raum rausflitzte. Keine Sekunde länger wollte ich dort sitzen bleiben. Len hatte die ganze Stunde über versucht, mit mir in ein Gespräch zu kommen, jedoch auf eine Weise, die ich nicht gerade angenehm fand. Mittlerweile kotzte er mich ziemlich an. Kaum zu glauben, dass ich mal wie ein verrückter Groupie für ihn geschwärmt hatte... Aber damals wusste ich ja noch nichts von seinem wahren Charakter... Ich hätte nie gedacht, dass ich Len mal hassen würde. Ich meine, es war LEN! Der Vocaloid, über den ich mit einer Freundin gestritten hatte, da wir beide ihn damals toll fanden. Mittlerweile würde ich ihn ihr gerne überlassen...

Ich lief zu dem Foyer der Schule, wo ich mit mit Sango-chan in jeder Pause traf. Diese wartete auch schon dort. "Du glaubst nicht, was mir passiert ist!!", rief ich ihr schon von Weitem direkt zu. Verwundert sah sie mir entgegen. "Was denn?" Ich blieb neben ihr stehen und lehnte mich an die Heizung, die schön warm war. "Wir haben einen neuen Schüler...", begann ich langsam. Sango legte fragend den Kopf schief. "Und? Cooler heißer Typ oder nervige Bitch?", fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. "Es... Nun ja, meine Lieblingsvocaloid ist ab jetzt Luka!", redete ich um den heißen Brei herum. Sango seufzte. "Mensch Lin, jetzt red endlich Klartext!" Ich seufzte. "Unser neuer Schüler... Kommt aus Japan... Kann gut singen...", zählte ich auf. Fragend zog Sango eine Augenbraue hoch. "... Und ist ein ultimativer Macho...", beendete ich. Sango lachte kurz auf. "Für einen kurzen Moment dachte ich, du redest von Len. Aber dann würdest du Gott doch jetzt so dankbar sein und nur noch bei ihm sein, oder?", meinte sie grinsend. Ich seufzte. "Es ist aber Len... Ich hab doch gesagt, er ist ein ultimativer Macho... Und er sitzt direkt neben mir...", erzählte ich. Sangos Augen weiteten sich. "Oh... Ach du Scheiße...", murmelte sie. Ich nickte. Plötzlich kam jener um die Ecke, umringt von Mädchen, und blieb in unserer Nähe stehen. "Och ne...", flüsterte ich, dann zog ich Sango ein wenig zur Seite und sprach etwas lauter: "Du sagst es! Eine ziemliche Scheiße! Vielleicht sollte ich die Schule oder zumindest die Klasse wechseln! Dieses Möchtegern coole Gehabe kann ich gar nicht ab!" Sango wirkte verwundert. "Alles gut?", hakte sie nach. Ich nickte. "Ich will nur nicht, dass er mich weiter nervt...", erklärte ich und sie nickte verstehend. Kurz schielte ich zu Len rüber, konnte seinen Blick jedoch nicht deuten. Glücklich wirkte er jedoch nicht. Schließlich nahm ich meine Jacke. "Lass uns rausgehen. Hier stinkt die Luft zu sehr.", schlug ich vor. Sango nickte verwirrt. Sie schien nicht zu verstehen, warum ich so reagierte, doch sie hatte Len ja auch noch nicht wirklich kennen gelernt. Und davor wollte ich sie auch bewahren.

Als es zur dritten Stunde klingelte, seufzte ich. "Jetzt kommen die nächsten zwei Stunden Tortur... Wünsch mir bloß Glück, dass ich das überstehe...", bat ich Sango. Diese nickte. "Klar! Du schaffst das schon, davon lässt du dich nicht unterkriegen!", meinte sie aufmunternd. Ich musste lächeln. "Danke... Ich hoffe es..." Dann ging ich zum Klassenraum. Merkwürdigerweise sagte Len nicht ein Wort, seit ich mich wieder neben ihn gesetzt hatte. Kurz schielte ich zu ihm rüber und bemerkte, dass er seinen Kopf auf seine Hand gestützt hatte. Er wirkte irgendwie bedrückt... Allerdings beschloss ich, mir darüber keine weiteren Gedanken zu machen. Immerhin war es ja seine eigene Schuld. Ohne ihn weiter zu beachten, holte ich meine Schulsachen raus und bereitete mich mental auf Mathe vor. Ich hasste Stochastik...

Als die Pausenglocke klingelte, fuhr ich hoch. Es war bereits Schluss...? Ich musste eingeschlafen sein... In letzter Zeit passierte mir das öfter... Vielleicht sollte ich nachts lieber schlafen und nicht stundenlang Fanfictions lesen... Ich bemerkte, dass Len mich beobachtete. Verwundert sah ich mich zu ihm um. Im selben Moment drehte er schnell den Kopf weg. Ich zog eine Augenbraue hoch. Doch dann zuckte ich mit den Schultern und nahm mein Bento aus der Tasche, da nun Mittagspause war. Ich machte mir seit kurzem immer ein Bento, da ich das qualitativ billige aber trotzdem teure Kantinenessen verabscheute. Dann lief ich hinaus. Sango hatte noch Unterricht, da sie nur sechs Stunden hatte, während ich bis zur neunten hier versauern musste. Ich lief hinaus zum "Grünen Klassenzimmer", wie wir es nannten. Es bestand eigentlich nur aus einigen, im Halbkreis aufgestellten Bankreihen, um draußen Unterricht machen zu können, wenn das Wetter schön war oder einfach um dort zu sitzen und das Stück Natur im Hinterhof der Schule zu genießen. Eigentlich saß ich jeden Tag zum Mittagessen dort. Es war schön friedlich und kaum einer kam auf die Idee, dass hier jemand sein könnte, weswegen man auch in Ruhe gut über manches nachdenken konnte. Wie zum Beispiel über Len... Ich schüttelte wild den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen und öffnete mein Bento. Es war einfach simpler Reis mit simplem Hähnchen und simplen Gurken, doch ich mochte es und es war einfach und schnell gemacht. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen begann ich, zu essen.

Nach wenigen Minuten hörte ich plötzlich sanfte Klaviertöne aus dem Musikzimmer der Schule. Kurz lauschte ich auf, als ich das Lied erkannte. Es war "Can I even dream". Ich liebte das Lied, obwohl es so traurig war. Irgendwie mochte ich generell traurige Lieder lieber... Vielleicht lag das aber einfach an meiner pubertären Stimmung des ewigen Alleinseins, abgesehen von meiner besten Freundin Sango. Doch dieses Lied wurde gerade so sanft und zärtlich gespielt, dass mir mit einem mal bewusst wurde, wie mies es mir eigentlich gerade ging. Sango war diejenige gewesen, die dieses Gefühl bei mir immer zu unterdrücken wusste. Doch nun war sie nicht da, und all das, was ich all die Jahre verdrängt hatte, wurde mir mit einem Mal bewusst. Eine Träne lief meine Wange herunter, gefolgt von einer weiteren, bis diese mir schließlich unaufhörlich die Wangen herunterliefen. Ich fing an, bitterlich zu weinen. All diese Gefühle, die dieses Lied eben in mir ausgelöst hatte, schlugen nun auf mich ein wie eine Bombe, und ich war generell schon nahe am Wasser gebaut. Irgendetwas sagte mir, dass Len das Lied eben gespielt hatte. Immerhin war er wahrscheinlich der einzige in der ganzen Schule, der Vocaloid überhaupt kannte. Naja, immerhin war er selber einer... Nach etwa zwei Minuten hörten die Klavierklänge auf, doch nicht meine Tränen. Ich hatte das Gefühl, dass alle Tränen hervorkamen, die ich all die Jahre zurückgehalten hatte. Wenige Augenblicke später spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich fuhr hoch. Es war Len. Wütend schlug ich die Hand weg. "Hau ab!! Was willst du?!", fauchte ich. Er sagte nichts, er sah mich nur ein wenig bedrückt an. "Was willst du?! Lass mich in Ruhe!! Du bist doch Schuld an alledem! Wärst du nie gekommen, hätte ich nie gemerkt, was für ein Arsch du bist! Ich konnte mich irgendwie immer mit deinen Songs identifizieren, aber nun sehe ich überhaupt keine Ähnlichkeit mehr! Hau ab und lass mich in Ruhe!!", schrie ich meinen Ärger heraus. Len senkte den Kopf. "Lin, ich... Weißt du das damals nicht mehr...?", fragte er dann plötzlich unerwartet. Ich horchte auf. Was meinte er denn jetzt schon wieder? Langsam schüttelte ich den Kopf. Len lehnte sich ein wenig zurück und legte den Kopf in den Nacken, um zum Himmel zu sehen. "Damals war ich mit Rin zu Besuch hier in Deutschland, da wir Verwandte hier hatten. Ich weiß nicht, es ist bestimmt schon knapp 10 Jahre her... Damals bin ich mit Rin und meinen Eltern am Fluss gewesen. Wir hatten ein wenig Essen mit, da wir den Nachmittag dort verbringen wollten. Unter anderem eine Banane. Nur eine. Obwohl ich Bananen so liebte. Aber damals war ich völlig zufrieden. Doch als ich mit Rin am Fluss spielen gewesen bin, ist mir diese Banane in den Fluss gefallen. Es war meine einzige Banane gewesen und ich furchtbar enttäuscht. Dann war da dieses Mädchen, dass ebenfalls mit ihren Eltern dort picknicken war. Sie hatte alles mitgekriegt und mir schließlich eine Banane gegeben, die sie mithatte. Seitdem habe ich sie nie wieder gesehen, da wir wenige Tage später zurück nach Japan geflogen waren. Dennoch hatte ich mir fest vorgenommen, irgendwann hierher zurückzukehren und sie wiederzusehen, alleine, um ihr richtig zu danken. Und nun habe ich sie endlich gefunden.", erzählte er und lächelte mich an. "Meinst du etwa... mich...?!", hakte ich ungläubig nach. Len nickte. "Ich hab dich sofort erkannt. Du bist seit damals viel reifer geworden, doch deine Augen waren noch genauso hübsch wie damals. Ich habe diese Augen nie vergessen...", meinte er. Ich wurde ein wenig rot. War Len am Ende doch kein Playboy...? "Len... Was du da gerade erzählt hast... Stimmt das wirklich...? Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern...", hakte ich nach. Len nickte. "Dieses Erlebnis damals... Dieses Treffen werde ich niemals vergessen. Jede andere Person hätte kopfschüttelnd weggesehen, doch du hast zu mir gehalten. Und das alles wegen einer kleinen Banane... Ich liebe sie seitdem noch mehr.", meinte er lachend. Plötzlich hatte ich ein Bild vor Augen. Von einem kleinen Jungen, der schrecklich am Weinen war. Der mich fröhlich anlächelte, als ich ihm die Banane gab. "Ich... erinnere mich...", murmelte ich. Ich kannte Len schon länger als der Rest der Welt. Dies wurde mir soeben bewusst. Ebenso, wie die Tatsache, dass ich ihn vielleicht doch nicht so hasste...


//WOOOW, EIN NEUES KAPITEL!! Sorry sorry, dass dieses Kapitel erst jetzt kommt... Ich werde versuchen, ab jetzt ein wenig regelmäßiger hochzuladen... Allerdings kommt noch der Schulstress dazu... Allerdings hoffe ich, dass ich spätestens alle zwei Wochenenden ein Kapitel hochladen werde. (*hust* Ich kann mich leider nie wirklich an etwas halten, was ich mir vornehme *hust* Aber ich werde es versuchen!)

Bis dann und danke fürs Lesen!

Kagamine Len - SPICE! Oder doch nicht...?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt