Alex

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Belustigt sehe ich dem Mädchen hinterher. Bestimmt fängt sie gleich an zu heulen. Und ihre Eltern nehmen sie dann sicher in den Arm, trösten sie und sagen ihr, dass sie nicht auf solche Typen hören soll. Oh Mann, ich hasse solche Eltern! Und ich hasse Mädchen, die solche Eltern haben!

Kopfschüttelnd setze ich meinen Weg fort. Was soll ich hier eigentlich? Ich bin nicht krank oder so. Jeder kann schließlich einfach so mal umkippen, da ist doch nichts dabei. Und diese ganze Rollstuhl-Sache ist echt maßlos übertrieben!
Ich sehe mich um, ob Ärzte in der Nähe sind, aber da sind keine. Also stehe ich auf und lasse den Rollstuhl einfach stehen. Bis die merken, dass ich zu Fuß unterwegs bin, bin ich schon längst draußen aus diesem Krankenhaus.

Schnell gehe ich zum Fahrstuhl und fahre damit nach unten. Es wird doch sowieso niemand merken, wenn ich weg bin.
Doch als ich unten aussteigen will, steht ein Pfleger vor mir. „Na, wo soll's denn hingehen?", fragt er.
„Nach Hause", erwidere ich, „und ich lasse mir von niemandem den Weg versperren. Auch nicht von einer zweitklassigen Krankenschwester, wie Sie eine sind."
„Zweitklassige Krankenschwester? Vermutlich immer noch besser als ein kleiner Junge, der so naiv ist, zu glauben, dass er kerngesund ist, obwohl er sich in einem Krankenhaus befindet." Er packt meinen Arm und zerrt mich zurück in den Fahrstuhl.
Ich will mich losreißen, aber da gehen schon die Türen zu. „Was glauben Sie denn, was ich habe? Ich bin gestolpert und hingefallen, da muss man nicht so ein Drama draus machen!"
„Jetzt hör mir mal zu, Junge. Wenn es nach mir ginge, würde ich dich sofort nach Hause schicken, da ich keine Lust habe, einem so undankbaren Jungen wie dir zu helfen."
„Helfen nennen Sie das also?" Ich lache kurz auf. „Ist es nicht eher Folter, einen gesunden Jungen in einem Krankenhaus einzusperren?"

Da gehen die Türen wieder auf und der Pfleger zerrt mich nach draußen. An der Wand gegenüber lehnt das Mädchen, mit dem ich vorhin aneinandergeraten bin.
„Hast du etwa versucht abzuhauen?" Nun ist sie es, die belustigt klingt. „Weißt du, das haben schon ganz andere Typen versucht. Aber geschafft hat es keiner."
Wütend sehe ich sie an. „Fast hätte ich es geschafft!"
Sie lacht. „Ja klar. Und ich bin der Weihnachtsmann!"
„Machst du dich etwa gerade über mich lustig?", fauche ich sie an. „Pass mal auf, du kleine Besserwisserin. Wenn du mir nochmal zu nah kommst, kannst du was erleben. Und gegen mich hat so ein kleines, magersüchtiges Mädchen keine Chance."
Bevor sie etwas sagen kann, mischt sich Dietz ein. „Alexander, entschuldige dich bei Johanna. Jetzt!"
Ich verdrehe die Augen. „Ist das wirklich nötig?"
„Ja, das ist es", erwidert Dietz und verschränkt die Arme.
„Okay", seufze ich, „es tut mir leid, Johanna."
„Mein Name ist Jo", entgegnet sie.
„Oh, am Schluss erwartest du wahrscheinlich auch noch, dass ich dir die Hand schüttle", meine ich. „Nein, danke, wirklich nicht." Angewidert verziehe ich das Gesicht bei ihrem Anblick.
„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich mir von so einem arroganten Arsch die Hand schütteln lasse?"
„Gut, denn du bist es überhaupt nicht würdig, einem reichen, wohlerzogenem Jungen die Hand zu schütteln."
Sie lacht laut auf. „Wohlerzogen? Ist das wirklich dein Ernst? Du bist so ziemlich der unerzogenste Junge, den ich kenne!"
„Ach ja? Dann bist du..."
„Jetzt hört auf mit diesem Schwachsinn!", schimpft Dietz. „Merkt ihr denn gar nicht, wie lächerlich ihr euch benehmt?"
Johanna senkt den Blick. „Tut mir leid. Er hat mich einfach genervt."
„Ja, und sie hat einen Vogel!"
„Hey!", schreit Dietz. „Jetzt entschuldigt euch einfach anständig."
Sie seufzt. „Na schön. Es tut mir wirklich leid."
„Na geht doch", meint Dietz, „jetzt du, Alex."
„Es tut mir wirklich leid, Jo. Gut so?"
Dietz nickt. „Jetzt geh wieder in dein Zimmer. Du solltest hier nicht ohne Rollstuhl unterwegs sein."

Genervt drehe ich mich um und gehe in mein Zimmer. Ich höre, dass sich Johanna noch mit Dietz unterhält, kann aber nicht verstehen, was sie sagen.
Auf dem Weg in mein Zimmer, nehme ich noch den Rollstuhl mit zurück.
Mein Bettnachbar Hugo liegt in seinem Bett und rührt sich nicht. Aber etwas anderes habe ich auch nicht erwartet, er liegt nämlich im Koma.
„Oh Mann, Hugo, du kannst echt froh sein, dass du nie so bescheuerte Besserwisserinnen triffst wie diese Johanna."
Ich glaube, ein kleines Lächeln in seinem Gesicht zu erkennen, aber bestimmt irre ich mich. Warum sollte er lächeln?

Ich lege mich in mein Bett und hole mein Handy aus der Tasche. Dann schreibe ich Ben, einem Kumpel von mir. Was läuft so bei euch?
Aber er schreibt nicht zurück. Naja, eigentlich wundert mich das nicht. Wenn er im Krankenhaus wäre, würde ich ihm wahrscheinlich auch nicht schreiben.
Dieses Krankenhaus ist echt so langweilig. Was tun wohl die, die länger hier sein müssen? Ich hoffe wirklich, dass ich bald hier raus kann.

Da es nicht besonders interessant ist, hier rumzuliegen, stehe ich auf und gehe wieder raus. Auf dem Flur stoße ich auf Toni, einen Autisten, der wegen eines Rollerunfalls hier im Krankenhaus ist.
„Wie geht es Hugo?", fragt er mich.
Kopfschüttelnd runzle ich die Stirn. „Wie soll es ihm schon gehen? Er liegt im Koma!"
„Naja, zu mir hat er gerade gesagt, dass ich vorbeikommen soll, weil er mir was erzählen will. Weißt du, was das sein könnte?"
„Äh, nein", antworte ich, „aber ich bin ja auch nicht so ein Spacko wie du und rede nicht mit Hugo."
„Spacko?"
„Ach, vergiss es einfach! Und erzähl mir dann, was dir Hugo gesagt hat." Schnell entferne ich mich von ihm, da ich mir sein dummes Gelaber nicht mehr länger anhören kann.

Du arroganter Arsch! {Club der roten Bänder}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt