Tag 3 - Die Situation eskaliert

34 6 0
                                    


Augenblick war ich hellwach und sprang aus dem Bett.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich Deryns Vater begegnen sollte, immerhin hatten die beiden eine Vergangenheit, die ich nicht teilte.
Aus dem Schrank zog ich eine schwarze Jeans und ein Hemd, dann eilte ich ins Badezimmer.
"Was ist los?", brummte Deryn, der erst jetzt aufwachte.
Mein Blick fiel auf die Dusche. Nein, so weit war ich noch nicht.
"Leaaah", quengelte er in meinem Kopf, viel zu ungeduldig, als auf meine Antwort zu warten.
"Dein Vater wird heute schon freigelassen", sagte ich, vergaß dabei zu denken und warf es laut in den Raum. Nicht schon wieder.
Deryn verstummte und selbst nachdem ich mich angezogen und seine Haare gestylt hatte, sagte er kein einziges Wort.
"Was ist los?", fragte ich ihn irgendwann, während ich mir das Hemd zuknöpfte und meinen trainierten Oberkörper im Spiegel bewunderte.
"Es ist nur", sagte er, dann entwich ihm ein Seufzen. "Ich habe meinen Vater so lange nicht mehr gesehen und jetzt kann ich ihn nicht mal richtig in die Arme schließen."
"Es tut mir leid", sagte ich ehrlich betrübt, laut in den Raum, so wie immer. "Ich mach alles, was du sagst."
Für einen Moment hatte ich noch das Gefühl, er wollte etwas sagen, aber dann schwieg er nur weiter.

Seine Mutter trug ein dunkelrotes Kleid, dass sich perfekt an ihre Kurven schmiegte und wirklich gut aussah.
"Schönes Kleid", sagte ich lächelnd und stellte mich neben sie. Mir tat es noch immer leid, dass ich sie zum Weinen gebracht hatte, als ich zu viel getrunken hatte.
Überrascht sah sie mich an, dann legte sie kurz die Hand auf meine Schulter. Holli kam die Treppe herunter, er trug einen rosa Anzug mit blauem Hemd.
"Ich fasse es nicht", knurrte Deryn. "Der wird ganz sicher nicht mitkommen."
Der Paradisvogel stellte sich vor uns und klatschte in die Hände.
"Tu mir ein Gefallen und verprügel ihn für mich, damit er nicht mitkommt", sagte Deryn, aber ich schüttelte unmerklich den Kopf, dann dachte ich: "Vergiss es."
"Ich dachte, du machst alles was ich dir sage", gab er zickig zurück. Das durfte doch nicht wahr sein.
"Ich werde Hollister nicht verprügeln", dachte ich. Er knurrte und schwieg beleidigt.
"Wollen wir dann los?", fragte er uns, als wäre das wirklich eine Frage.
Die Fingernägel von Deryns Mutter krallten sich tief in meine Schulter und langsam ließ ich die Luft aus meinem Mund entweichen.

Wir stiegen alle in Hollis Auto, einen schwarzen SUV und rasten in Richtung Gefängnis. Ich glaubte, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
"Ich will aber nicht, dass der Blödmann mitkommt", quengelte das Etwas in meinem Kopf.
"Vielleicht wartet er ja draußen - warte, hast du gerade ernsthaft Blödmann gesagt?"
Deryn zischte: "Schau ihn dir doch an mit seinem hellblauen Anzug. Sind wir vom Zirkus oder was?"
"Ähh ...", sein Vergleich hinkte etwas, aber er war so geladen, dass ich besser nichts erwiderte.
"Am Ende denkt mein Vater noch meine Mutter hätte sich neu verliebt."
"Wäre das so schlimm?", dachte ich, immerhin hatte sein Vater die eigene Familie terrorisiert, wie er selbst zugegeben hatte.
"Ja", fauchte es in meinem Kopf. "Wir sind eine Familie."
Auf die Heftigkeit in seiner Stimme war ich nicht vorbereitet und beklommen schluckte ich meine Erwiderung herunter.

Das Gefängnis war ein großes, normales Backsteingebäude. Als wir jedoch entlang fuhren konnte ich die großen Mauern mit dem Stacheldraht sehen. Wachtürme standen verteilt auf dem Hof, ich sah Uniformierte, die Waffen in den Händen hielten.
"Ach du Scheiße", murmelte ich vor mich hin. Die Größe des Gebäudes erschreckte mich etwas. Sie machte diesen Ort noch angsteinflößender.
Holli stellte das Auto auf einem Besucherparkplatz ab, dann sprang er aus dem Auto. Er riss die Beifahrertür auf und half Deryns Mutter aus dem Wagen. Draußen legte er einen Arm um sie.
"Ich. Sags. Nicht. Nochmal. Hau. Ihm. Alle. Zähne. Raus", presste Deryn wütend hervor.
"Vielleicht sind sie nur Freunde", sagte ich und stieg aus dem Wagen.
Schüchtern lächelte sie uns an.
Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob meine Theorie richtig war.
Deryn wütete mittlerweile in meinem Kopf. Seine anklagenden Worte wechselten zu hirnloser Aggressivität: "Wenn er sie noch einmal anfasst, dann schwöre ich dir, dass ich ihm die Haut vom Gesicht abreiße und seine Augäpfel rausdrücke und dann trete ich ihm so lange in seine winzigen Klöten, bis sie abfallen."
"Beruhige dich", wies ich ihn an, aber das stachelte ihn nur noch mehr an.
"Was erlaubt der Kerl sich eigentlich? Für wen hält er sich? Hä, hä? Ich bring ihn um. ICH BRING IHN UM!"
Wieso gab es für ihn keinen Ausschalter?
Das Paar vor mir sah mich neugierig an und wartete auf eine Reaktion meinerseits.
Ich zwang mich zu einem Lächeln, was ihn nur noch mehr provozierte.
"Du", kreischte er und ich stellte mir vor, wie er mit dem Finger auf mich zeigte. "Du bist die größte Pest auf Erden und vergiftest langsam aber sicher meinen Verstand und meinen Körper."
"Jetzt reichts doch mal", fuhr ich ihn gedanklich an. "Sieh mal, was deine Mutter in letzter Zeit alles durchgemacht hat. Gönn ihr doch das bisschen Glück."
"Und ich? An mich denkt niemand. Ich bin scheißegal", brüllte er.
Für einen Moment schloss ich die Augen. Mir war bewusst, dass dieser Moment sehr emotional für ihn war. Hoffentlich würden wir diesen Tag ohne weitere Probleme überstehen.

Zwischen Himmel und HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt