Ich erwachte. Mein Kopf brummte weiterhin, schlimmer als zuvor. Mir fiel das Geschehene wieder ein und sofort erhob ich mich. Ich sah mich um, doch der Gelbäugige war nicht hier.
Ein Traum, dachte ich. Es war nur ein Traum.
Die Kirche wirkte kälter. Die mit Bilder verzierten Fenster versprühten nur noch Trostlosigkeit. Staub hatte sich auf den Bänken abgesetzt, der Boden zu meinen Füßen war von Dreck überzogen. Dieses Gebäude trug schon lange nicht mehr die Aufgabe, die es einst hatte.
Vielleicht bin ich doch tot, schoss es mir durch den Kopf. Ich bin tot, und dieser Ort soll mir zeigen, was der Grund dafür ist.
»Du hast keinen Glauben«, hatte Castiel gesagt. Er hatte recht - ich hatte nie wirklich geglaubt.
»Cat?«, erklang auf einmal eine bekannte Stimme in meinem Rücken. Ich zuckte vor Schreck zusammen, wirbelte aber herum. Ich konnte nicht im Himmel sein, war das Erste, was mir bei seinem Anblick einfiel, außer Chuck war ebenso tot.
»Was tust du hier?«, fragte er.
»Das wüsste ich auch gern«, meinte ich.
»Ich hab' dich fallen sehen. Du wolltest dich ...«
»... umbringen, ja.« Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare und seufzte. »Das hat aber anscheinend nicht funktioniert. Außer du bist auch tot ...«
»Ich? Nein. Nein, ich lebe. Noch.«
Ich sah den Mann an, er wirkte verstört. Erst jetzt fiel mir das Blut auf, welches in seinem Gesicht und auf seiner Kleidung verteilt war.
»Was ist geschehen?«, fragte ich und deutete auf ihn.
»Äh, das ist eine lange Geschichte. Am besten erzähle ich sie dir auf der Autofahrt. Hier ist es nicht sicher.«
Diese Aussage ließ mich stocken. Die ganze Situation war etwas merkwürdig, etwas sehr merkwürdig. Ich war von einem Kirchturm gefallen, das war kein Traum gewesen, das wusste ich, aber dennoch lebte ich. Ich war in einer Kirche erwacht, augenscheinlich diese hier, nur mit viel mehr Leben und weniger Verwüstung, und hatte mit Azazel gesprochen. Kurz darauf erwachte ich wieder und er war verschwunden, die Kirche hatte sich verändert und Chuck tauchte mit Blut überzogen auf.
»Eine Frage noch: Woher wusstest du, dass ich hier bin?«
»Ich hatte es gesehen, vor'n paar Stunden. So schnell ich konnte, bin ich hergefahren, um nachzusehen«, erklärte der Mann.
Ich antwortete nicht, sondern folgte ihm nach draußen. Der Anblick dort ließ mich stocken. Ich hatte den Ort nicht verlassen; die Kirche, in der ich gewesen war, war jene, von welcher ich gesprungen war.
»Was ist?«, wollte Chuck wissen, der meinen Blick bemerkt hatte.
»Ich ...« Ich wandte mich zur Kirche um. »Warum wird in solch einer Stadt ein Gebäude so vernachlässigt?«
Verwundert runzelte der Mann die Stirn. »Wovon sprichst du?«
»Die Kirche, sie sah aus, als wäre sie seit Jahren verlassen«, erklärte ich und sah zu dem Propheten. Sein verwirrtes Gesicht ließ nun auch mich wundern. »Was?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Die Kirche«, sagte ich. »Sie war voller Schmutz und Staub. Normalerweise wird sie in bewohnten Städten und Dörfern aufrechterhalten.«
»Cat, die Kirche war nicht ... Sie ist eine normale Kirche«, meinte Chuck.
Allmählich spürte ich eine leise Vorahnung in mir aufkommen. Abrupt machte ich auf dem Absatz kehrt. Der Mann rief mir hinterher, doch da hatte mich schon die angenehme Kälte des Gebäudes eingenommen. Das, was ich nun sah, ließ mein Herz kurzerhand aussetzen - nirgends lag Staub und Dreck; die Kirche war eine gewöhnliche Kirche.
»Wir sollten gehen«, sagte Chuck. Er ergriff mein Handgelenk und zog mich davon. Ich folgte ihm, auch wenn es mir kaum bewusst war - meine Aufmerksamkeit galt weiterhin der Kirche. Angst hatte sich in mir breitgemacht. Was geschah mit mir?Ich hörte das Klacken des Türschlosses - Chuck kam zurück. Mit Bier und einer Tüte Chips im Arm erschien er im Türrahmen, das Gesicht besorgt. Ich saß auf der Couch des Wohnzimmers, welches unordentlicher als beim letzten Besuch war. Kurz nachdem wir hier angekommen waren, hatte Chuck angewiesen, dass ich ein wenig schlafen sollte; er würde einkaufen fahren. Doch ich konnte nicht schlafen - zu viele Gedanken kreisten durch meinen Kopf und hielten mit Gewalt meine Lider offen.
»Was ist passiert?«, fragte ich mit leiser, schwacher Stimme.
Der Mann seufzte. »Ich denke, das willst du lieber nicht wissen«, meinte er, während er den Raum durchquerte und die Sachen in der Küche abstellte. »Bier?«, rief er zu mir herüber.
»Ja, bitte ...«
Binnen weniger Sekunden kam Chuck zurück, mit zwei Bierflaschen und der Chipstüte in der Hand.
»Und? Was ist nun passiert?«, startete ich einen weiteren Versuch, als der Prophet die Flasche öffnete und sie mir reichte. »Dean und Castiel ...«
»Sie kamen zu mir. Das war nicht so geplant, es hätte anders laufen müssen - alles hätte anders sein sollen«, meinte der Mann. »Castiel schickte Dean fort, zu Sam, doch anscheinend dachten die Engel, ich würde angegriffen werden und ...« Chuck stockte.
»Was?« Jegliche Schwäche war aus mir gewichen. Mit einem ernsten Ausdruck hatte ich die Flasche sinken lassen und sah nun den Mann an.
»Ein Erzengel kam. Castiel, er wurde ... er ist einfach ...«
»Nein«, hauchte ich. Mein Blick glitt durch Chuck hindurch, mein Verstand setzte aus. Der Mann musste nicht weitersprechen, ich wusste, was folgen würde. Cas ist tot. Natürlich hatte all das Vergangene kein gutes Ende genommen, aber dennoch ... Er war mein Freund gewesen, auch wenn er anfangs auf der falschen Seite gestanden hatte.
»Und Sam und Dean?« Es war nur noch ein Krächzen, welches meinen Hals verließ.
»Sie leben, keine Sorge.« Erleichterung überkam mich. Ich sah, wie die Bierflasche zitterte, und bevor sie durch meine schwitzigen Finger gleiten und zerbersten konnte, stellte ich sie auf den Tisch.
»Vielleicht solltest du dich bei ihnen melden ...«
»Nein«, sagte ich sofort. »Nein, das werd' ich nicht.«
»Wieso -«
»Dean hat mir deutlich gemacht, dass er nichts mehr von mir will. Er wird Sam sicher mittlerweile alles erzählt haben - und nun wird auch er mich hassen. Ich kann ihnen nicht in die Augen sehen, denn sonst muss ich daran denken, dass ich sie all die Zeit angelogen hatte, meine Freunde, meine Familie.« Ich spürte die Tränen, die in meine Augen traten, und schluckte den Kloß hinunter, der schwer in meinem Hals gelegen hatte.
Wir schwiegen. Chuck hatte den Blick auf den Tisch gerichtet, doch auch dieser schien durch ihn hindurchzugehen. Ich hielt den Kopf gesenkt, meine Finger unruhig knetend.
»Chuck?«, fragte ich irgendwann und sah auf.
»Hm?« Der Mann hob seinen Kopf, so dass seine blauen Augen auf meine braunen trafen.
»Weißt du eigentlich, wer meine ... meine Eltern sind?«, fragte ich vorsichtig.
Er sah mich schweigend an. »Nein«, sagte er schließlich.
Ich hatte das Zögern bemerkt, eher unterbewusst, so dass ich nicht darauf einging. Ich nickte nur, den Kopf gesenkt haltend. Nach einer Weile erhob ich mich mit einem Seufzen, strich meine Kleidung glatt und sah den Mann an.
»Was wirst du nun tun?«, fragte er.
»Ich klau mir ein Auto, such mir ein Hotel, mach irgendwas Abgefahrenes«, meinte ich. »Es ist immerhin nicht jeden Tag das Ende der Welt.«1146 Wörter
Es war nur ein Traum, aber wie konnte Cat wohl überleben? Was denkt ihr?
Danke für so viel Feedback. Es freut mich, dass ihr so begeistert seid <3 Danke für alles :*
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Human || Supernatural Staffel 5
FanfictionBuch 3 »Und jetzt würde sich herausstellen, ob Engel fliegen können.« Catherine konnte sich nicht daran erinnern, wie sie in die Kirche gekommen war, doch sie lebte - und das war das Wichtigste. Chuck fand sie und erzählte ihr, dass Dean und Sam am...