Kapitel 13

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Es war nur ein schmaler Durchgang, so dass wir auf allen Vieren hindurchkrabbeln mussten. Dean betrat als erster den Dachboden. Seine Taschenlampe ließ erkennen, dass alles voller Spinnweben und Staub war - hier war schon lange keiner mehr gewesen. Sam schaltete das EMF-Gerät an, welches sofort auszuschlagen begann.
»Das EMF spielt verrückt«, gab er bekannt.
»Na, toll«, brachte Dean alles andere als erleichtert heraus. »Wir haben hier 'nen echten Geist und ein paar Verrückte, die rumschnüffeln und so tun, als wären sie wir.«
»Das kann ja nicht gut enden«, meinte Sam.
»Auf Garantie nicht«, sagte ich.
»Wisst ihr was? Geschieht ihnen ganz recht.«
»Sie können ja nichts dafür, Dean. Hätte Chuck nicht die Bücher geschrieben«, entgegnete ich.
»Ich mein' ja nur.«
Wir teilten uns auf und suchten getrennt den Dachboden ab.
»Meine Mami liebt mich«, erklang auf einmal die Stimme eines Jungen. Sofort stürmten Dean und ich zu Sam, der ihn gefunden hatte. »Ich sagte, meine Mami liebt mich.«
»Ja, da bin ich mir ganz sicher«, sagte Sam schnell.
»Meine Mami liebt mich so sehr.« Der Junge nahm die Hände vom Kopf und zum Vorschein kam eine blutende Wunde - er war skalpiert worden. Nach einigen Lidschlägen war er auf einmal verschwunden.
Mit klopfendem Herzen sah ich die beiden Männer an. Auch sie schienen ratlos. Zusammen gingen wir wieder zum Eingangsbereich. Sam ließ mich und Dean an einem Tisch alleine sitzen, während er etwas von uns entfernt telefonierte.
»Das ist schon ziemlich merkwürdig hier lassen«, sagte ich, meinen Blick über die Leute schweifend.
»Was meinst du?«, fragte Dean, doch schien er nicht wirklich interessiert, was sein Tonfall zeigte.
»Das alles hier. Diese Leute. Sie sehen aus wie wir, sie wollen sein wie wir, obwohl sie nicht mal den Hauch einer Ahnung haben, wie das Leben wirklich abläuft.«
»Tja, das sind halt die Leute, die wir eigentlich vor dem beschützen wollen, was da draußen lauert. Dank Chuck denken sie, dass das alles eine Geschichte ist.«
Ich sah ihn an. »Auch ohne ihn hätten sie gedacht, dass das eine Geschichte ist.«
»Nein, sie hatten erst gar nicht darüber nachgedacht«, erwiderte Dean.
»Alles klar«, sagte Sam, der in diesem Moment zurückkam. »Also, das war ein Typ vom lokalen Geschichtsinstitut.«
»Und?«, hackte Dean nach.
»Leticia Gore hat nicht nur vier Jungs abgeschlachtet, einer davon war sogar ihr eigener Sohn.«
»Ihr Sohn?«, wiederholte Dean ungläubig.
»Ja. Laut Polizeibericht hat sie ihn skalpiert.«
»Also, das reicht mir jetzt, ich werd' dieses Miststück frittieren. Hat er gesagt, wo sie beerdigt wurde?«
»Er weiß es nicht«, sagte Sam.
»Sieh dir das an, da ist das Waisenhaus, das ist das Nebengebäude und genau da ist der Friedhof«, erklang auf einmal eine Stimme vom Nebentisch. Wir wandten uns um. Es war der dünne Sam und der dicke Dean, die uns schon des Öfteren über den Weg gelaufen waren. Wir erhoben uns und liefen zu ihnen herüber.
»Meinst du, da wurde Leticia eingebuddelt?«, fragte Fake-Dean seinen Freund.
»Ja, ein Versuch ist es wert.«
Sam wollte den beiden die Karte entreißen, auf welche sie die ganze Zeit gestarrt hatten.
»Hey, das ist unser Plan!«, rief Fake-Dean und drückte das gelbliche Papier fest an seine Brust.
»Der ist echt«, bemerkte Sam. »Zirka hundert Jahre alt, und auf dem Gelände befindet sich ein Friedhof.«
»Wo ist der her?«, verlangte Dean zu wissen.
»Hey, das hier nennt sich Spiel, klar? Das hier ist nicht die Wohlfahrt«, meinte sein etwas dickeres Spiegelbild.
»Alles klar, gib mir die Karte, Trottel!« Dean streckte seine Hand aus.
»Du bist hier der Trottel, Trottel. Im Übrigen, Dean hört auf niemanden.« Fake-Dean schob seine Jacke zur Seite und zum Vorschein kam eine Plastikpistole.
»Dean, bleib ganz cool«, sagte sein Freund, der ebenso in der Rolle war wie Fake-Dean.
Der echte Dean lächelte selbstgefällig und holte seine eigene Waffe hervor.
»Dean«, sagte Sam mahnend.
»Was? Die Jungs nerven«, verteidigte sein Bruder sich, dennoch steckte er die Pistole zurück.
Sam wandte sich an die beiden Fans. »Hört zu, wir wollen doch alle nur die Knochen finden. Wir dachten deshalb, es geht doch schneller, wenn wir zusammenarbeiten.«
»Aber wir kriegen den Sizzler-Gutschein«, meinte Fake-Sam mit normaler Stimme.
Genervt verdrehte Dean die Augen. »Schön.«
»Und wir beide sind Sam und Dean«, fügte Fake-Dean hinzu.
»Schön«, sagte Dean genervter als zuvor.
Ich lachte vergnügt auf. »Ein Glück, dass hier so wenig von meiner Sorte rumlaufen.«
Dean warf mir einen ernsten Blick zu und folgte dann den beiden Fans missgelaunt hinaus.
»Hey, Rufus, Bobby, Ellen, jetzt beeilt euch doch mal!«, drängte Fake-Dean.
»Kommst du klar?«, fragte Sam seinen Bruder.
»Ich bemühe mich.«
»Also, wo waren wir?«, wollte Fake-Sam von seinem Freund wissen.
»Äh, Dr. Ellicot hat gerade dein Gehirn angezapft.«
»Richtig, klar.« Fake-Sam räusperte sich und sagte mit tiefer Stimme: »Wieso sind wir überhaupt hier? Weil du Dads Befehlen folgst wie ein braver, kleiner Soldat? Ist dir seine Bestätigung so wichtig?«
»Das bist doch nicht du, der diesen Mist redet«, meinte Fake-Dean.
»Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich hab' meine eigene Meinung. Ich bin nicht so 'nen Arschkriecher.«
»Habt ihr dieses Gespräch wirklich geführt?«, fragte ich Sam leise.
»Ja, ist schon lange her, aber ja«, antwortete er.
Ich nickte verstehend. »Die Leute wissen nicht, dass hinter all den Worten so viel Wahrheit steckt und ihr das alles damals ernst meintet.«
»Was willst du jetzt tun, Sam? Willst du mich töten?«, spielte Fake-Dean weiter seine Rolle, während ich mit Sam gesprochen hatte.
»Ich hab's so satt, dass du mir ständig sagst, was ich tun soll«, rief Fake-Sam.
»Okay, wisst ihr was? Das reicht«, sagte Dean, und die beiden Männer vor uns blieben stehen und wandten sich uns zu. »Das reicht jetzt.«
»Was ist denn los, Bobby?«, wollte Fake-Dean mit normaler Stimme wissen.
Ich sah, wie Deans Körper zu beben begann. Gleich würde ein Vortrag kommen. »Ich bin nicht Bobby, okay?«, rief er aufgebracht. »Du bist nicht Sam, du bist nicht Dean. Was ist los mit euch? Wieso, zur Hölle, wollt ihr sein wie diese beiden Jungs, huh?«
»Na ja, weil wir Fans sind, genau wie ihr«, gestand Fake-Sam.
»Nein. Ich bin kein Fan, okay? Wir ... wir sind keine Fans. Um genau zu sein, diese Dean-und-Sam-Story ist Schrott.« Der Winchester spuckte den beiden das Wort förmlich vor die Füße. »Sie ist nicht unterhaltsam und auch nicht lustig. Sie ist so bescheuert, dass die meisten Leute allein nur bei dem Gedanken daran verrückt werden würden. Deshalb hört mir jetzt mal zu. Deren Leid ist nicht zu eurem Vergnügen gedacht. Ich meine, glaubt ihr, dass es ihnen Spaß macht, behandelt zu werden wie ... wie ... Zirkus-Freaks?«
»Äh, ich denke, es ist ihnen egal, weil sie einfach nur erfundene Figuren sind«, meinte Fake-Dean.
»Es ist ihnen nicht egal«, erwiderte der Winchester. »Glaubt mir, es macht ihnen 'ne Menge aus.« Wütend schob er sich an den beiden vorbei und lief ohne ein weiteres Wort voran.
Fassungslos sahen uns die beiden Fans an.
»Er, äh, nimmt ... diese ganze Geschichte sehr ernst«, log Sam, bevor er und ich seinem Bruder folgten.

Human || Supernatural Staffel 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt