Kapitel 12

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In meiner Wut lief ich ziellos durch das Schloss. Nach einer Weile kam ich in meinem Zimmer an. Dorran war nicht da, vielleicht war das gut so. Ich öffnete das Fenster weit. Ich wollte nur noch dort weg. Ich breitete meine Flügel aus und flog los, weit unter mir breitete sich der düstere Wald aus. Die Tränen flossen mir übers Gesicht und je mehr ich mich über mich ärgerte, dass ich weinte desto mehr weinte ich. 

"Wo ist sie denn jetzt schon wieder hingegangen?", meine erzürnte Stimme schien den Mädchen Angst einzuflößen. Sie sahen mich mit großen Augen an und einer von ihnen schossen die Tränen in die Augen. Ich packte sie am Arm und sah sie eindringlich an. "Es ist wichtig, dass ihr mir alles sagt was ihr wisst!", sagte ich mit nachdruck. Ich versuchte meine Stimme etwas freundlicher klingen zu lassen, es hörte sich jedoch sehr gekünstelt an. Ich ließ ihren Arm wieder los als sie mich mit einem schmerzverzerrten Gesicht ansah. Ich hatte nicht bemerkt wie fest ich zugefasst hatte, bis ich nun die blauen Abdrücke an ihrem Handgelenk sah. "Sie hat einen Hexenwind herauf beschworen.", Liosas Stimme zitterte. "Wir haben sie nur gefragt ob sie von der großen Mutter abstammt.", sie war sichtlich nervös und biss sich die Unterlippe blutig. "Und was ist dann geschehen?", ich verstand nicht, was diese harmlose Frage mit Chioraidhs verschwinden zutun hatte. "Nun ja, sie hat erst zu beginn des Schuljahres erfahren, dass die Menschen bei denen sie aufgewachsen ist nicht ihre wahren Eltern sind.", meldete sich Dearbhail zu Wort. Als mein Blick sie traf wendete sie automatisch den Blick ab, als sei ich ein gefährliches Tier dem man nicht in die Augen sehen darf, weil es sonst angreift. Ich drehte mich weg und entfernte mich etwas von den Mädchen, da ich das Gefühl hatte, ich mache ihnen Angst. "Ich glaube sie ist in ihren Schlafsaal gegangen, sie schien ziemlich wütend zu sein. Es war taktlos von uns dass zu fragen.", eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich blickte mich zu Cailean um. Wenn ich es richtig mitbekommen hatte wirkte sie einen Beruhigungszauber auf mich aus, doch ich ließ sie. Ich werde sie finden, koste es was es wolle. Ich ging langsam die Treppen zu unseren Gemächern empor. Mein schwerer Brustkorb hob und senkte sich langsam. Ich fuhr mir mit der Hand durch die kurzen braunen Haare. Als ich die Tür öffnete spürte ich bereits den Windzug, der durch das offene Fenster verursacht wurde. Schnellen Schrittes ging ich darauf zu und sah nach draußen in den Nachmittagshimmel. Am Horizont sah ich etwas, dass sich bewegte. Ohne weiter darüber nachzudenken Sprang ich aus dem Fenster. Im freien Flug spannte ich meine Flügel weit und wurde vom Wind aufgefangen. Ich schlug so kräftig wie ich konnte um so schnell wie möglich die verlorenen Meter aufzuholen.

Ich hatte nicht mitgezählt wie viele Städte bereits unter mir hinweg gezogen waren. Doch ich sah bereits am Horizont die hohen Gebäude der ersten Stadt, in den letzten Strahlen der Sonne, glitzern.  Ich musste eine weite Streckte geflogen sein und je mehr ich darüber nachgrübelte desto schwerer wurden meine Augenlider. Ich beschloss dort die Nacht zu verbringen und am nächsten Tag zurück Shtrigat zu fliegen. Ich wusste noch, was es letztes mal für einen Tumult gab als ich in die Stadt flog also landete ich etwas entfernt und entschied die letzten Meter zu Fuß zu laufen. Ich hörte hinter mir einen Ast knacken und Blätter rascheln. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich an die Höllenhunde dachte, die durch den Wald streiften. Ich drehte mich langsam und bedächtig um, mein Körper zitterte vor Angst. "Erschreck dich nicht!", hörte ich die vertraute Stimme von Liana. Meine kleine Rußeule saß vor mir auf dem Waldboden. "Bist du mir gefolgt?", ich sah die tadelnd an. "Natürlich!", sie plusterte sich zu voller Größe auf. "Ich bin doch dein Seelentier, Chioraidh!", sagte sie vorwurfsvoll. "Na dann, komm her!", mit einem Seufzer klopfte ich auf meine Schulter und ehe ich mich versah, saß Liana auf meiner Schulter. Wir gingen zusammen durch den Wald. Ich spürte das Liana zitterte vor Angst, doch wenn ich zu ihr sah, plusterte sie sich zu voller Größe und verzog keine Mine. Als wir vor den großen Toren der ersten Stadt anlangten, lief mir ein schauer über den Rücken. "Was ist los?", fragte Liana ängstlich. "Ich hatte es nicht so riesig in Erinnerung...", sagte ich staunend ich ging näher zum Tor. Ein klickendes Geräusch verriet mir, dass wir nicht allein warne. "Vermutlich sitzen dort oben Wachen in den Geschütztürmen.", Lianas Stimme war nun wieder etwas nachhallend, was nur bedeuten konnte, dass wir wirklich nicht mehr allein waren. "Lasst mich hinein!", rief ich den Wachen in den Geschütztürmen zu. Wie aus dem Nichts, eine Sirene. Die Stadt hinter der Mauer schien rot zu glühen. Ich sah wie vier Waffen auf mich gerichtet wurden. "Ich will nichts böses.", meine Stimme zitterte vor Angst. "Lasst mich doch nur herein...", erneut lief mir eine Träne über die Wange. Ich spürte wie mich ein sanfter Wind erfasste und mir neue Kraft schenkte, doch ich durfte nicht auffallen. Mit einem Zischen, als würde die Luft aus einem Reifen gelassen, öffnete sich das riesige Tor einen Spalt breit. Ich ging schnellen Schrittes darauf zu. Der Duft von Nelken und Rosen stieg mir in die Nase. Ich schlüpfte durch den Spalt in die Stadt und sofort schloss sich das Tor hinter mir. Meinen Blick zum Boden gerichtet trat ich ein paar Schritte ein. Liana schien sich auf meiner Schulter endlich zu entspannen und ich atmete auch tief durch. Als ich aufblickte, sah ich eine Frau etwa 40 Jahre alt. Sie hatte kurze Haare und eine lange spitze Nase. "Wer bist du und was willst du in meiner Stadt Hexe?", sie rümpfte die spitze Nase und sah mich von oben herab an. Ihr Geruch nach Nelken und Rosen erschlug mich förmlich. "Ich bin Chioraidh.", ich sah ihr in die gelben Katzenaugen. "Und ich bin keine Hexe.", ich wusste nicht warum ich log, vermutlich um mich zu beschützen, doch ich wusste, dass sie wusste, dass ich log. "Du kannst mir nichts vormachen, kleines Mädchen!", zischte sie mit einer eiskalten Stimme. "Ich bin die Oberhexe dieses Zirkels und ich rieche Schwester 100 Meter gegen den Wind.", ich starrte ihr nur in die Augen die nun vor Bosheit funkelten. "Bitte ich suche nur einen Ort zum schlafen für eine Nacht.", es lag mehr flehen in meiner Stimme als ich beabsichtigt hatte. "Wie alt bist du Chioraidh?", fragte die Hexe. "17.", sagte ich tonlos und wandte meinen Blick gen Boden. "Was?", fuhr sie mich an. "17!", ich schrie sie an und stierte ihr wieder direkt in die Augen. "Diese Augen.", ihre sonst so kalte Stimme schien wie ausgewechselt. Sie packte mein Kinn und betrachtete mich eingehend. Dann wandte sie sich blitzschnell ab. "Bringt sie in das Penthouse, gebt ihr frische Kleidung und vor allem: Lasst sie nicht weg!", sagte sie zu einem Schatten gewandt. Jetzt sah ich, dass sich dort bewaffnete Männer versteckten. Sie packten mich grob an den Armen, ich machte mich steif um es diesen Typen so schwer wie Möglich zu machen mich mitzunehmen, doch ohne Erfolg. Einer packte meine Arme, ein anderer meinen Oberkörper und ein dritter meine Beine, ich konnte mich nicht wehren, also fing ich an zu schreien. Doch die Hexe winkte nur mit der Hand und mir schien als hätte ich meine Stimme verloren, egal wie laut ich schrie, kein Geräusch entwich meinem Mund. Die Männer schleppten mich auf das größte Gebäude zu, es bestand gänzlich aus Glas und drehte sich in einer Schraube aus Sechsecken nach oben. Sie gingen mit mir in einen Fahrstuhl und drückten den obersten Knopf. Ich weiß nicht mehr wie viele Stockwerke dieses Gebäude hatte doch als wir oben ankamen, war es dunkel und ich sah den Halbmond auf uns herab scheinen. Wolken zogen etwa zwei Stockwerke unter uns vorüber. In der Wohnung stand ein großes Bett ein Fernseher und ein Tisch mit einem Stuhl. Erst als die Männer mich auf das Bett warfen bemerkte ich, dass ich Liana verloren hatte. In schierer Panik sah ich mich nach ihr um, immer noch unfähig zu sprechen. Tränen stiegen mir in die Augen. Es fühlte sich an als hätte ich einen Teil meiner Seele verloren. Die Männer lachten über mich und verließen dann die Wohnung, nur die Hexe blieb bei mir. Mit einer erneuten Handbewegung lockerte sich meine Zunge wieder. "Wo ist Liana? Was habt ihr ihr angetan?", schrie ich sie unter Tränen an. "Oh, du meinst sicher deine kleine Rußeule, die ist beim ersten Zeichen von Gefahr abgehauen, falls du es nicht bemerkt hast.", sie spottete über mich, eine unbändige Wut staute sich in meinem Bauch an. Dann wurde mir schwarz vor Augen, ich hörte wie Glas zersprang und das schreien der Hexe, doch es klang mehr wie Begeisterung als Angst. Dann hörte ich es. Meinen zweiten Herzschlag, meine Seele, meine Liana. Wutentbrannt lief ich, ohne sehen zu können, auf das Geräusch ihres Herzens zu. Ich griff danach und spürte die Hand der Hexe unter meiner, in ihr spürte ich das weiche Gefieder von Liana. "Chio, du musst aufhören!", hörte ich ihre Stimme. "Wenn du dich noch mehr aufregst gibst du ihr nur noch mehr Kraft und sie wird mich zerdrücken.", ich kippte um, unfähig noch etwas zu tun, das triumphierende lachen stoppte und ich wurde vollends Ohnmächtig. 

Hexen - Die ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt