Kapitel 9

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Doch bevor wir weiter gehen konnten, hörten wir ein Jammern. Als ich mich umdrehte sah ich die Ragdoll Katze, die uns schon den halben Tag verfolgte. Sie hielt Dearbhail ihre linke Pfote hin und sah uns traurig an. Dearbhail nahm die Pfote der Katze in die Hand und die Katze fauchte. "Sie hat einen Dorn in der Pfote.", sie packte den kleinen Splitter der aus der Pfote ragte und zog ihn vorsichtig heraus. Die Katze brummte drohend, doch als der Dorn fort war fing sie an zu schnurren. Sie sah uns kurz mit ihren mandelförmigen Augen an und lief dann schnell in die andere Richtung. "Ich mag keine Katzen.", sagte ich.
Wir gingen weiter spazieren und sahen uns in dem Tal um. Auf dem hellgrünen Rasen wuchsen Gänseblümchen. An den Hängen wuchsen Ranken und überall waren Tiere. "Was sollen wir jetzt machen?", fragte mich Cailean und sah sich nach Luke um.
Sie schienen ohne Worte mit einander zu kommunizieren. Ich sah wie sie nickte und sich dann wieder an uns wandte. "Er sagt, dass wir schon länger beobachtet werden.", ich sah Cailean belustigt an. "Ja, wurden wir von der Katze eben.", sagte ich und schüttelte lachend den Kopf. "Nein, von etwas größerem.", sagte sie leise, legte sich den Zeigefinger auf den Mund und zeigte mit dem anderen in eine kleine Höhle an einem der Berghänge. Glühende, rote Augen starrten uns an. Dearbhail ging langsam darauf zu. Ein langes, haariges Bein streckte sich aus der Höhle hervor. Die Pfote hatte spitze Krallen, Dearbhail legte vorsichtig ihre Hand auf die Pfote des Tieres und redete leise darauf ein. Eine warme helle Aura umgab die beide. Nun hatte auch noch meine letzte Freundin ihr Seelentier an diesem Tag gefunden. Ich war irgendwie enttäuscht, dass ich meines noch nicht gefunden hatte. Aus der kleinen Höhle im Felsen kam eine verwilderte Katze mit halblangem, schwarzem Fell hervor. Sie war dreckig und ihr Fell war verfilzt. Sie stank entsetzlich nach Urin und Blut. Doch Dearbhail hob sie ohne zu zögern auf und nahm sie in den Arm. Mit einem breiten Grinsen auf den Wangen kam sie zu uns zurück und präsentierte stolz, diese dreckige Katze. "Das ist Matt.", sagte sie stolz und der Kater schnurrte in ihrem Arm. "Du musst ihn dringend waschen.", sagte ich und sah den Kater angewidert an. Dearbhail sah mich fragend an. "Er stinkt. Und dreckig ist er auch.", sagte ich. Als ich ihren enttäuschten Blick sah legte ich meine Hand besänftigend auf ihre Schulter. "Das kriegst du schon hin.", sagte ich und bemühte mich mein ganzes Mitgefühl in diesen Satz zu legen. Ihr Ausdruck hellte sich ein wenig auf. "Wo willst du nach deinem Seelentier suchen, Chioraidh?", fragte sie mich und sah mich mit interessierten Augen an. "Ich weiß es nicht.", "Schülerinnen!", rief die Stimme der Direktorin und alle gingen in ihre Richtung, wir eingeschlossen. "Wir müssen nun den Rückweg antreten.", sagte sie laut, doch den Rest hörte ich nicht mehr, da die anderen wild durcheinander tuschelten. Ich blickte hinauf in den Himmel und suchte ihn nach Dorran ab, doch es war kein Zeichen von ihm zu sehen. "Morgen ist ein wichtiger Tag.", ein warmer Hauch streifte mein Ohr als ich seine Stimme hörte. Er stand dicht hinter mir, seine Lippen berührten fast mein Ohr als er mir leise diese Worte zuflüsterte. Die anderen Hexen gingen los. "Lass uns fliegen.", sagte ich und ließ meine Flügel sichtbar werden. Ich spürte wie sanft seine Fingerspitzen über die schwarzen Federn glitten. Ich bekam eine Gänsehaut und ein Schauer lief mir über den Rücken.  "Ich bin ein bisschen enttäuscht.", sagte er kess und ging mit einer halben Drehung so an mir vorbei, dass ich immer seinen Rücken sah. "Wieso enttäuscht?", er hatte mich neugierig gemacht, ich wusste natürlich, dass er meinte das ich mein Seelentier nicht gefunden hatte, aber ich hatte das Gefühl da wäre noch etwas anderes. "Ich dachte eigentlich du würdest dein Seelentier als erstes finden, bei der Aura!", sagte er und man konnte förmlich hören wie er eine Augenbraue hochzog. "Alle kommt mit seiner Zeit.", sagte ich und versuchte mich selbst zu beruhigen, denn die Wut brodelte in meinem Magen. "Weise Worte für so eine junge Hexe.", der Sarkasmus in seiner Stimme war unüberhörbar. Ich ballte meine Hand zur Faust und mit einem kräftigen Schlag meiner Flügel schoss ich hoch in den Himmel hinauf. 

Ich wusste nicht wie hoch ich geflogen war, doch ich konnte den Wald unter mir nicht mehr sehen, nur ein mehr aus weißen, weichen Wolken. Der Zorn und die Wut, die sich bei dem Gespräch mit Dorran in mir angestaut hatten verflogen einfach. Doch große Frustration machte sich in mir breit. Mit einem lauten Schrei versuchte ich alles heraus zu lassen. Ich schrie so laut wie ich nur konnte. Hinter mir verfärbten sich die Wolken dunkel und Donner grollte, wie ein Echo meiner Schreie. Ich war nicht frustriert darüber, wie Dorran sich mir gegenüber verhalten hatte. Ich war viel mehr sauer auf mich selbst. Dass ich meine Familie einfach so zurück gelassen hatte. Dass ich meine beste Freundin schwer verletzt hatte und dass ich nicht mal genug Hexe war um mein Seelentier zu finden. Ich hörte wie die Höllenhunde, die ihre Kreise im Wald gingen zu dem grollen des Donners aufheulten. Dass war der Moment in dem ich beschloss, die mächtigste Hexe zu werden, die jemals gelebt hatte. Mit neuer Kraft und einem Ziel flog ich tiefer. Die Wolken entspannten sich und wurden wieder etwas heller. Unter mir war der Wald, ich konnte das Schloss von hier oben schon sehen und beschloss direkt dorthin zu fliegen. Doch mir wurde schwarz vor Augen und ich verlor das Bewusstsein.

"Wo ist sie?", Granndach fuhr mich mit zorniger Stimme an. Alle warteten auf Chioraidh, wieso war ich nur so gemein zu ihr gewesen? "Ich weiß es nicht.", sagte ich und versuchte ruhig zu bleiben. "Was ist wenn sie durch den Wolkenbruch die Orientierung verloren hat?", sie ging sich nervös durch die Haare und zog die kleine Brille von der Nase. Wir waren alle klitschnass. Urplötzlich hatte es angefangen zu gewittern. Wir waren schnell alle zurück zum Schloss gelaufen, doch genauso schnell wie das Gewitter aufgezogen war, war es auch wieder verschwunden. "Herr Edgal, ich kann ihnen nur Raten, sie schnellstmöglich wieder zu finden.", sagte sie und verschwand im Schloss. Wo könnte sie denn nur sein? "Dorran?", eine der Junghexe tippte mir auf die Schulter. "Was?", ging ich sie zornig an. "Ich habe gerade besseres zu tun als...", während ich mich umdrehte sah ich wie die Junghexe, eine von Chioraidhs Freundinnen, in den Himmel zeigte. Ich sah zu der Stelle auf die sie zeigte. Meine Großmutter hatte mir als ich klein war Geschichten von Todesengeln erzählt. Sie sollen nach einem Wolkenbruch aus dem Himmel hervortreten und das Zentrum des Gewitters sein. Mit großen schwarzen Flügeln sollen sie einen Umschlingen und in die Tiefen der Hölle hinab ziehen. Und genau dass war es was ich an dem Himmel sah. Umwirbelt von den letzten Resten des Gewitters stieg eine Gestalt mit großen, schwarzen Flügeln hinab. Natürlich wusste ich, dass es kein Todesengel war, sonder Chioraidh, aber die Vorstellung oder besser gesagt dieses Ohmen, ließ mich erschaudern. Ich breitete meine Flügel aus und während ich auf sie zuflog, hörte sie auf mit den Flügeln zu schlagen und fiel in die tiefe. Adrenalin pumpte durch meine Adern und ich schoss ihr nach. Sie kam dem Boden sekündlich näher und ich setzte meine ganze Kraft dafür ein sie rechtzeitig zu erreichen. Ich machte mir Vorwürfe. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein?

Das Erste, was ich wieder mitbekam war das Gefühl eines schlagenden Herzen an meinem Rücken. Ein großer, muskulöser Arm war um meinen Bauch geschlungen und ich lag auf einem weichen Bett. Ich drehte meinen Kopf nach hinten und sah Dorran, tief schlafend. Ich nahm vorsichtig seinen Arm und nahm ihn von meinem Bauch. Ich stand vorsichtig aus dem Bett auf um ihn nicht zu wecken. Als ich aus dem bodentiefen Fenster unseres Schlafsaals sah, sah ich die dunkle Nacht. Ein Halbmond lächelte mich vom Himmel herab an. Der Nachthimmel wurde von Millionen Sternen erleuchtet. Ich öffnete das große Fenster und ließ die kalte Nachtluft ins Zimmer strömen. Dorran knurrte kurz im Schlaf und drehte sich dann auf die andere Seite. Ich ging an die Kante des Fensters und genoss die frische Brise. Das surren von Insekten und das zirpen von Grashüpfern war zu hören und obwohl mir gesagt wurde, dass es im Wald keine Tiere mehr gab, dachte ich, ich würde das krächzen einer Eule hören. "Was machst du da?", eine verschlafene Stimme unterbrach meine Gedanken, ich sah zum Bett und sah Dorran der sich aufgesetzt hatte. "Ich wollte frische Luft schnappen.", sagte ich und sah wieder auf den ruhigen Wald. Das krächzen der Eule war verschwunden. "Komm wieder ins Bett du bist noch zu schwach um rum zu laufen.", sagte er und stand auf. Er kam eine paar Schritte auf mich zu. Ich kippte das Fenster und ging wieder zum Bett zurück. "Schlaf jetzt.", sagte er und legte sich wieder neben mich. Er strich mir eine Strähne meiner Haare aus dem Gesicht und ich schlief langsam ein. 

Hexen - Die ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt