Kapitel 6

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Erschöpft falle ich in mein Bett. In den vergangenen Tagen ist mir mein Schlafmangel überhaupt nicht aufgefallen, doch jetzt fühle ich mich so, als hätte ich eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Doch hatte ich eigentlich überhaupt geschlafen? Ich selbst würde ja widersprechen, wäre da nicht die vollkommene Überzeugung meines Körpers, dass er wirklich mal eine Auszeit braucht. Bei all den Sorgen hatte ich die Zeit einfach vergessen. Zumindest fühle ich mich nicht in der Lage mich wieder aufrappeln zu können. Das Gefühl der Müdigkeit überkam mich mit einer riesigen Wucht, denn irgendwie achtete ich in den letzten Tagen zu wenig auf mich selbst.

Das einzige was noch einigermaßen funktioniert ist mein Gehirn. Ein leichtes Pochen an meiner Schläfe signalisiert mir jedoch, dass auch mein Kopf mal eine Pause braucht. Dieser Zustand ist auch nicht so schwer zu erreichen, wenn man so viel denkt wie ich. Zumindest wenn man sein Gehirn täglich mit hunderten unnötigen Fakten bombardiert.

So sieht man dann was man davon hat, wenn man sein Gehirn so zumüllt. Es braucht mehr Tage als es Stunden gibt um all dieses wirre Zeug zu verarbeiten und alle neugewonnen Fakten meines immer gleichen Lebens auf einer Wichtigkeitsskala anzuordnen, wobei es in meinem Gehirn hunderte von diesen Teilen gibt, was die Situation nicht unbedingt erleichtert. Könnte man mich ausschalten wäre das nahezu mein Dauerzustand. Mein Gehirn wäre dann nicht so überlastet und hätte mal Ferien vor mir. Doch leider Gottes gibt es diese Zusatzfunktion an mir nicht, weshalb mein Gehirn mit der Zeit auskommen muss, in der ich schlafe.

Ferienfunktion hin oder her, bis jetzt ist es so gut wie immer mit der Zeit ausgekommen, wo auch mein Körper sich ausruhen musste. Dabei ist das ja sowieso alles Kopfsache.

Ein erneutes, aber diesmal umso stärkeres Pochen unterbricht meine Gedankengänge und holt mich wieder in die Realität zurück. Ich sollte einfach mal versuchen mehr mir selbst zu folgen, anstatt immer wieder davon abzuschweifen.

Da ich also einfach zu müde bin und mir immer mehr bewusst wird wie sehr ich mal eine Auszeit brauche, beschließe ich einfach liegen zu bleiben und versuchen zu schlafen.

Vorsichtig lege ich meinen Kopf auf das alte, ausgeleierte Kissen, welches immer noch nach Erbrochenem stinkt. Auch mir ging es einige Male physisch nicht so gut wie psychisch. Auf meinen Kopf konnte ich immer vertrauen. Naja, in den meisten Situationen jedenfalls. Meinen Körper daran zu hindern Essen wieder auf dem gleichen Weg, wie ich es eingenommen hatte hinauszulassen, konnte ich mit meiner psychischen Überzeugungskraft nicht. Vor allem wusste ich nicht, was mit mir geschah. Ich hatte manchmal so starke Bauchschmerzen und mir war so übel, dass ich tagelang nichts anderes tat, als die Wand über mich anzustarren. Ich konnte mich nicht bewegen, nichts essen und nichts trinken. Aber auch diese Schmerzen gingen vorbei und irgendwann hatte ich mich an die plötzlichen Schmerzen gewöhnt, die manchmal einfach ohne einen Grund auftraten.

Jedenfalls endete es meistens damit, dass es noch Wochen später in meinem Bett schrecklich stank. Manchmal konnte ich es nicht aushalten und legte mich dann einfach auf den kalten Boden. Aber das alles war nur eine Gewöhnungssache. Mittlerweile ignoriere ich den Geruch einfach.

Nun wieder dieses Pochen, dieses Mal aber noch stärker als zuvor. Ein heftiges Ziehen zwischen meinen Augenbrauen unterbricht meine Gedanken und will mich nun offenbar endgültig davon abhalten so viel zu denken. Vielleicht denke ich wirklich zu viel.

Selbst das Abendessen habe ich vergessen. Erst jetzt wird mir mein Hunger wirklich bewusst. Aber so verlockend es auch aussieht, so sehr hält mich der Rest meines Körpers und der stechende Geruch nach Erbrochenem davon ab aufzustehen und zu essen. Essen könnte ich auch später, wenn es nach meinen Körper ging. Ich allerdings bin anderer Überzeugung.

Unter Anstrengung versuche ich meine Hände dazu aufzufordern die Decke zur Seite zu legen. Mühsam und kraftlos folgen sie meinen Befehlen. Es ist so kalt, dass sich meine Nackenherrchen aufstellen. Am liebsten würde ich wieder eingekuschelt in meiner Decke liegen und einfach nur nachdenken. Auch wenn ich dann weitere Schmerzen erleiden müsste.

Als ich mich dann aufrichten will und meine Beine gerade zu ein paar Schritten mehr verdonnern will, sehe ich ihn. Nein nicht so wie vorher. Er bewegt sich unruhig hin und her und seine Augen sind starr gegen die Wand über ihn gerichtet. Er ist wieder bei Bewusstsein. Plötzlich vergeht der Hunger und wie von einem Geistesblitz getroffen entschließe ich mich doch wieder für das Bett. Aber es ist zu spät. Er hat mich bereits bemerkt.

Alles um mich herum verschwimmt und mein Kopf sackt zurück in das Kissen und ich falle in einen tiefen Schlaf.

The CageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt