Er war nun so nah, dass ich seine Worte schmecken konnte. Ich schmeckte die Lust nach Vergeltung, den ihn treibenden Hass und die Bereitwilligkeit alles zu opfern um mir nicht länger ausgeliefert zu sein. Ich fühlte mich wie Medusa, der man nicht in die Augen sehen konnte ohne daran qualvoll zu sterben. Aber nein, ich war nicht so wie sie. All die Bücher, die mir die Stimmen gaben, spiegelten bloß das Böse wieder. Aber ich wollte nie böse sein.
,,Ich gehorche'' erwiderte ich mit gesenktem Blick. ,,Ich mache alles was du von mir verlangst." Ich hätte es gleich wissen müssen, dass er daraufhin anfingen würde bestialisch zu lachen. Doch es erschien mir zuerst als das einzig Richtige und mir blieb nichts anderes übrig. Ich wollte nicht so sein, wie all die grässlichen Gestalten in den Büchern. Gleichzeitig war mir dennoch klar, dass falls ich für immer so leben müsste, noch mehr leiden müsste, als einfach so zu sterben. Der Akt des Blutvergießens erschien mir in dieser Hinsicht als deutlich angenehmer und als die beste Fluchtmöglichkeit, wenn nicht die einzige, die mir offen stand.
,, Was willst du kleines Ding? Hast du etwa gedacht ich wäre dein Freund? Irgendjemand der sich zu dir kuschelt wenn du Albträume hast? Ach liebes, dafür kenne ich dich und deine Familie zu gut.'' posaunt er lachend.
,, Ich hab keine Familie'' brummte ich und hatte ihn somit schon das erste mal unterbrochen. ,,Du wagst es..'' widersprach er mir und rückte näher an mich heran ,,mir zu widersprechen? Das erinnert mich an etwas Kleine. Ich weiß, was du getan hast.Deine unschuldigen Augen machen es nicht gerade besser."
Ich versuchte mir meine Angst nicht anmerken zu lassen und sah ihm in die Augen. ,, Ich sagte, ich habe keine Familie.'' Seine Augen verfinsterten sich und sein Blick war starr auf mich gerichtet. Er guckte mich nicht direkt an, denn dafür hasst er mich zu sehr, doch es sollte mir etwas signalisieren. Ich soll besser meine Klappe halten wenn ich nicht sterben will. ,, So läuft der Hase also. '' sagte er mit einen gewissen Charme von Arroganz ,,Wenn das so ist.''
,, Ja,so ist es. Ich lüge dich nicht an. Ich hätte keinen Grund dazu. Ich....ich kenne dich noch nicht mal. Warum? Warum machst du das?'' brach es nur so aus mir hervor. Meine Schutzmauer, die mich mein ganzes Leben lang vor der endgültigen Verzweiflung bewahrte, schien zu zerfallen. Anscheinend wusste ich selbst weniger über mich als andere es taten. Was über mich erzählt wurde, egal was der Fremde über mich wusste, ich war mir sicher es entsprach nicht der Wahrheit. ,, Du kennst mich nicht annähernd." sagte ich stutzig und versuchte nicht noch weiter im Moor der Verzweiflung zu sinken.
Erneut brach er in schallendes Gelächter aus. ,, Ach Kleines, es gibt so viel was ich lieber nicht wissen würde, sonst wäre ich ja nicht hier. Ich hatte keine andere Wahl. Dabei sagen alle immer man habe die Wahl. Dieses Glück stand mir nun aber leider nicht zur Seite.'' Mit seinem Handrücken strich er mir die Strähnen aus dem Gesicht. Was ein jener als vertraute Geste betrachten würde, besänftigte ihn nur noch mehr in seiner Position. Ich sollte ihn anschauen können ohne dabei abgelenkt zu werden. Desto mehr Ablenkungsmanöver es gab, desto weniger Spaß hatte er dabei mich zu provozieren. Ich sollte seinen Hass fühlen und erleben, bis ich seine Lügen bestätigen würden. Das durfte nie passieren.
,, Du willst mich leiden lassen, ja? Ist das dein Ziel? Jemanden ohne Grund leiden zu lassen?'' entgegnete ich entschlossen. ,, Versuch es doch. Ich kann dir aber nicht zu viel versprechen.'' Als er aufsprang und erneut gegen die kalte Tür meines Käfigs eintrat, hatte ich zum ersten Mal in diesem Gespräch nicht das Gefühl, nicht die Unterlegene zu sein. Doch meine Entschlossenheit machte ihn nur noch mehr wütend.
,,Du hältst dich also für besonders geschickt? Die paar Jahre die du verzwickte Göre hier unten verbringst machen dich zu so etwas? '' schrie er. ,, Jahre..'' lachte ich. Es waren nicht nur Jahre gewesen die ich hier unten verbringen musste. Es war mein Zuhause, der einzigste Ort den ich kannte. ,,Schätz dich und deine Jahre glücklich'' zischte ich.
Wütend sprang er auf und rannte auf mich zu. Es war nicht das erste Mal, dass mir heute schwindlig wurde. Seine Finger umfassten meine Kehle und drückten mich gegen den eisigen Boden. Er würde mich nicht töten, das wusste ich. Auch er war geschickt genug dafür zu wissen, dass mich ein kleiner Stich in mein Herz unter diesen Umständen nicht stören würde. Seine Augen funkelten böse und alles an ihm wirkte entschlossen. ,, Kleines, denkst du etwa nicht ich weiß wie der Hase läuft?''. Lachend drückte er mich noch fester zu Boden bis ich keine Luft mehr bekam. ,,Du spielst mit dem Jäger? Na gut Häschen, zeig was du drauf hast.'' Seine letzten Worte prägten sich in mein Gedächtnis ein, bevor erneut alles verschwamm.
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The Cage
Фэнтези17 lange Jahre. Ein Leben mit verborgener Identität in einem trostlosen Käfig. Ein Mädchen, dass nicht weiß wer und was sie ist, warum sie eingesperrt wird und sich die Anderen so sehr vor ihr fürchten. Aber allein soll sie dennoch nicht länger blei...